„Seit Breker hat sich niemand an eine solche Arbeit herangewagt“, sagte Schanek selbstzufrieden.
„Ein wichtiger Augenblick für dich“, huldigte ihm die Grauäugige.
„Ja, es werden eine Menge Pressefritzen kommen. Sogar der Stern, die FAZ, die Welt und der Spiegel wollen jemanden schicken. Natürlich ist auch der Tagesspiegel da und die gesamte Berliner Presse.“
„Sogar der Stern?“, wiederholte Helen und hielt sich die Hand vor den Mund.
„Das hast du mir noch nicht gesagt“, schmollte die Preminger.
„Ist das wichtig für dich?“, fragte Schanek und zwinkerte Helen zu.
„Ach, du bist ein Schlimmer. Natürlich weißt du, wie wichtig es für mich ist“, sagte die Preminger und schlug mit ihrer langen Perlenkette nach Schanek. Der große Künstler lachte und drückte sie an sich und die Grauäugige ließ es sich gickernd gefallen.
„Du hoffst doch nur, dass der Stern auch etwas über deine Galerie bringt.“
„Natürlich. Ich weiß, was wir tun werden“, legte die Preminger aufgeregt los. „Wir veranstalten hier vor der Einweihung eine kleine Party und gehen dann später auf den Pariser Platz. Ich lade alle Freunde der Kunst ein.“
„Und die Journalisten, nicht wahr?“, unterbrach Schanek sie lachend.
„Natürlich. Ich klemme mich morgen früh sofort ans Telefon. Du musst mir die Namen der Journalisten geben, die ihr Kommen zugesagt haben. Es wird Taittinger geben und kleine Häppchen aus dem KaDeWe. Du wirst sehen, sie werden sich wohl fühlen und begeistert sein.“
„Wann wird denn dieses wundervolle Werk aufgestellt?“, fragte Helen.
„So um zwölf.“
„Na prima, „ freute sich die Preminger. „Wir feiern anschließend auf dem Pariser Platz weiter. Wir werden Champagner mitnehmen.“
„Ich würde mich freuen, wenn Sie und natürlich auch Ihr Mann dabei sind“, sagte der Künstler nach einem vorsichtigen Blick auf Singer.
„Aber gern“, jubelte Helen. „Eugen, wir werden doch dabei sein, nicht wahr? Wir müssen dabei sein.“
Singer nickte. Ihm blieb kaum eine andere Wahl, wenn er nicht unhöflich erscheinen wollte.
„Du musst auch den Bürgermeister einladen. Unbedingt. Und natürlich auch die vom Senat und den Vertreter des Bundestagspräsidenten. Er selbst kann leider nicht kommen, weil er eine Delegation aus Israel für wichtiger hält, dieser Schmock.“
„Beyer? Ach, ich mag diesen Sozi eigentlich nicht. Ich verstehe gar nicht, warum der so beliebt ist. Aber lustig ist er. Keine Feier ohne Beyer heißt es doch in Berlin. Du hast recht, ich muss ihn hierher bekommen. Er kauft zwar bei Herkner am Kurfürstendamm. Wahrscheinlich haben die auch das rote Parteibuch. Alles was im Roten Rathaus hängt, hat er von Herkner. Wie oft habe ich ihn schon eingeladen, immer hat er sich entschuldigen lassen. Ich bin halt keine Berlinerin.“
„Diesmal wird er vielleicht kommen. Setz deinen Charme ein. Ich habe noch keinen Mann erlebt, der dann nicht schwach wurde.“
„Du entsetzlicher Mensch, du“, lachte die Preminger und hing sich wieder bei ihm ein. „Ist er nicht entsetzlich?“, fragte sie Singer und strich dabei dem Künstler über die Schulter.
„Was zahlt man dir für die Hand?“, fragte sie leise.
Schanek spitzte den Mund und drehte sich um. Natürlich sahen alle zu ihnen herüber – die Frauen mit eifersüchtigen Augen und der Frage im Gesicht, warum sie nicht dazu gehörten.
„Zweihunderttausend“, flüsterte Schanek. Er flüsterte so laut, dass es auch der neidische Anhang mitbekam. Die Köpfe neigten sich überall zueinander. Der Geräuschpegel stieg. Irgendwo knallte bestätigend ein Sektkorken.
„Du bist der Größte“, sagte die Grauäugige. Der Respekt war nicht geheuchelt. Sie war wirklich beeindruckt.
Auch Helen schloss sich beeindruckt, die Hand an den Mund gelegt, dieser Meinung an. „Noch nie hat die Stadt so viel für eine Skulptur ausgegeben.“
„Und dabei müssen sie sparen“, verstärkte die Preminger das Lob. „Sie sparen an allen Ecken und Enden. Die Straßen in Berlin sind in einem jämmerlichen Zustand. Es ist ein Wunder, dass sie soviel Geld ausgeschwitzt haben.“
„Der Regierende hat mir geholfen, die Banausen zu überzeugen.“
„Der Regierende persönlich?“
„Wir haben es im Borchardt ausbaldowert. Die Kirsten hat mir sehr geholfen.“
„Wo hat die nicht ihre Finger drin?“, fragte die Grauäugige eifersüchtig. „Aber ihre Talkshow wird immer schlechter. Sie muss jetzt die Teilnehmer schon mit dem Lasso einfangen, wenn sie die in ihre Sendung kriegen will.“
Singer verglich das, was er gerade hörte, mit Jonas‘ Träumen. Er wünschte, er wäre in Szandors Bierstube geblieben. Demonstrativ sah er auf die Uhr und warf Helen einen bezeichnenden Blick zu. Helen schüttelte den Kopf.
„Mich wundert, dass Rolli noch nicht da ist“, hielt sie das Gespräch in Gang. Singer kannte Rolli nur aus den Magazinen, die Helen las und die bei ihnen herumlagen. Rolli war der Friseur der Reichen und Schönen, auf jeden Fall der Prominenten. Er frisierte die Kirsten und natürlich alle, die sich danach sehnten, ihre Haare von den gleichen Händen befummeln zu lassen, die das Haupt der Kirsten verschönten. Natürlich gehörte Helen zu seinen begeisterten Kundinnen.
„Er konnte nicht kommen“, erklärte die Grauäugige. „Er hat mich höchstpersönlich angerufen. Leider, leider hat er einen wichtigen Termin.“
„Wahrscheinlich muss er in irgendeiner Talkrunde sein Gesicht in die Kamera halten“, sagte Schanek ungnädig.
„Jeder will ihn haben“, verteidigte Helen ihren Friseur.
„Jeder. Aber er ist ja auch so klug.“
„Sind Sie eigentlich mit Thomas Singer verwandt?“, fragte die Preminger Eugen Singer, unvermittelt das Thema wechselnd.
„Eigentlich nicht. Nicht wirklich. Er ist der Stiefsohn meines Onkels“, gestand Singer zögernd.
„Man hört über ihn ja allerhand.“
„Was denn?“, fragte Singer mäßig interessiert.
„Er soll eine silberne Nase haben. Wenn Sie verstehen, was ich meine.“
„Er hat Geld genug“, sagte Singer gelangweilt. Er hatte auch davon gehört, aber gab nichts auf das Gerede.
„Du solltest es deinem Onkel stecken, damit er sieht, was für ein Früchtchen er großgezogen hat“, sagte Helen.
„Er weiß, wer und was sein Stiefsohn ist.“
Dann wandte man sich anderen Themen zu und hechelte wieder die Berliner Prominenz durch. Berlin hatte längst München als Stadt der Reichen und Schönen, auf jeden Fall der Berühmten abgelöst.
„Wir müssen jetzt wirklich gehen. Ich habe morgen einen schweren Tag“, unterbrach er schließlich die Preminger, die nun davon erzählte, welcher Schauspieler es mit wem trieb.
Nachdem er mit einem Blick zu Helen auf die Uhr getippt hatte, war diese, wenn auch widerstrebend, bereit zu gehen.
Als sie draußen auf dem Boulevard waren, stellte sie schalkhaft lächelnd fest, dass er sich diesmal offenbar gut amüsiert hatte.
Читать дальше