Auf EU-Seite hingegen reduzierte sich das Handelsdefizit kaum. Allerdings haben russische und asiatische Firmen die entstandenen Marktlücken besetzt. Es steht zu befürchten, dass sich die Exporte zukünftige nicht wieder im Gleichschritt mit den Importen entwickeln, sondern die EU-Einfuhren schneller steigen. Das Handelsdefizit würde dann deutlich anwachsen. Ohne einen politischen Gewinn hätte sich die Position der EU verschlechtert. „Werteorientierte“ Außenpolitik verträgt sich selten mit der ökonomischen Realität.

Abbildung 06: Volumen Außenhandel EU-Russland
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Sanktionen der USA gegen den Iran. Eine umfassende Wirkung lässt sich nur erzielen, wenn die EU mitzieht. Entsprechend setzen die USA jetzt die europäische Wirtschaft und damit auch die deutsche unter Druck. (Poelchau 2018a)
C) Migrationspolitik
Zunehmend gelingt es, ausländischen Regierungen die jeweiligen Auslandsminderheiten für die eigenen Ziele zu aktivieren. Das betrifft u.a. die Generierung von Auslandsüberweisungen als auch den aktiven Einsatz für politische Forderungen.
In Deutschland ist dies zurzeit am stärksten bei den Auslandstürken sichtbar. Die türkische Regierung nutzt diese gezielt um Außenpolitik zu betreiben sowie ihre eigene Machtbasis im inneren zu stärken. (Windisch 2018) Ähnliche Ansätze betreiben aber auch viele andere Staaten wie Russland oder auch Deutschland selbst (über die Auslandsdeutschen in Rumänien, Ungarn und der GUS).
D) Kultureller Identität
Die Globalisierung wird wesentlich durch die großen Nationalstaaten und die transnationalen Konzernen vorangetrieben. Diese fokussieren sich auf die eigene Kultur sowie global vermarktungsfähige (Kultur-)Produkte. In Folge dessen dominieren innerhalb der Gesellschaft als auch auf den internationalen Märkten, bestimmte Arten von kulturellen Massengütern und mit ihnen verknüpfte Sprachen.
Durch die Dominanz bestimmter Hauptkulturen, weniger Sprachen sowie der wachsenden Migration, geraten insbesondere kleine Kulturen unter Druck. So zeigen sich auch in den Industriestaaten, Tendenzen der Zurückdrängung kultureller Minderheiten. Beispielhaft dafür stehen die Volksgruppen auf dem Balkan wie die Pomaken (muslimisch-türkische Bulgaren), die Walachen (romanische Volksstämme in verschiedenen Ländern des Balkans) oder die Uskoken. (Jähne 2018) Aber auch die Zukunft der Minderheiten in Deutschland wie der Sorben und Friesen ist ungewiss.
In der öffentlichen Diskussion findet vor allem das Aussterben von Sprachen Beachtung. Oft wird dabei vor allem dem Englisch bzw. der Globalisierung allgemein eine Verdrängung der heimischen Kultur vorgeworfen. Auf globaler Ebene sind wohl eher Prozesse der Nationenbildung Hauptauslöser des weltweiten Sprachensterbens. Insbesondere der Aufbau einheitlicher Bildungssysteme beschleunigt die Entwicklung substanziell. (Haarmann 2016, 340ff)
Die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität ist ein wesentlicher politischer Treibstoff für „globalisierungskritischen“ Bewegungen. Noch dazu, weil Teile der Gegenseite die Befürchtungen bestenfalls nur ignorieren, schlimmstenfalls als nationalistisch brandmarken. Sie übersehen dabei (oder übergehen auch bewusst), dass im Zusammenhang mit Kultur auch harte wirtschaftliche Interessen berührt werden.
Was nutzen nationale Medienkonzerne, wenn deren Angebot die eigene Bevölkerung schon sprachlich kaum konsumieren kann? Wem nutzt eine Ausbildung in Englisch, wenn zwei Drittel aller Arbeitsplätze an der (deutschen) Binnenwirtschaft hängen? Was bleibt von den eigenen Denkkonzepten, von den eigenen Interessen und alternativen Politikansätzen, wenn diese ihre national-kulturelle Basis verlieren?
Eine einfache Abwehr dieser Fragen verstärkt politische Gegenreaktionen. Dabei wird oft ignoriert, dass ohne Zustimmung der Bevölkerung die Globalisierung keine Basis hat. Die Bewahrung der eigenen (nationalen) Identität bei Teilhabe an der Europäisierung bzw. Globalisierung wird für die international integrierten Volkswirtschaften eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Handelshemmnisse sind Barrieren denen sich Unternehmen beim Handel im Ausland gegenübersehen. Sie unterbinden entweder den Handel ganz oder erhöhen dessen Kosten. Bei Beseitigung dieser Hemmnisse würden die Unternehmen theoretisch mehr Handel betreiben oder zumindest dabei geringere Kosten haben.
Ein völlig freier Handel hat nie existiert. Er würde die Nicht-Existenz jedweder Staatlichkeit, Transportkosten von null sowie völlig identische Volkswirtschaften bzw. Gesellschaften voraussetzen. Insofern wird es auf absehbare Zeit Handelshemmnisse geben. Die Frage ist also nicht ob es welche gibt, sondern wie sind deren Auswirkungen und sind die Hemmnisse als auch ihre Folgen beabsichtigt bzw. erträglich.
Vorteile von Handelshemmnissen
Durch eine gezielte Instrumentalisierung von Handelshemmnissen lässt sich die wirtschaftliche Entwicklung beschleunigen. Beispielsweise beruht der wirtschaftliche Erfolg der süd-ost-asiatischen Staaten (Japan, Korea, Vietnam und China) wesentlich auf einer aktiven Steuerung des Handels. Die Kombination aus Export-Promotion bei selektiver Marktabschottung und Förderung von Investitionen in die Binnenwirtschaft erwies sich als sehr leistungsstark.
Nachteile von Handelshemmnissen
Allerdings steigen in Folge hoher Handelshemmnisse meist die Handelspreise, da die Händler ihre gestiegenen Kosten an die Endkunden weiterreichen. Ebenfalls finden oft Ausweichreaktionen statt. Teile der Wirtschaft aber auch der privaten Haushalte versuchen, die staatlichen Regulierungen zu umgehen. Die Mittel der Wahl sind dann meist Schmuggel sowie die Erbringung der Leistung in der Schattenwirtschaft. Zu den ökonomischen Verzerrungen treten oft politische Auseinandersetzungen. Profiteure der Maßnahmen versuchen diese zu erhalten oder sogar auszubauen. Die Geschädigten wehren sich dagegen.
Beispiel: Kuba – Ausweichreaktion (Knobloch 2018)
Kuba verbietet natürlichen Personen den Import von Konsumprodukten sowie einfachen Investitionsgütern (Bsp.: Autoscheinwerfer, Werkzeuge…). Diese dürfen nur über staatliche Unternehmen bzw. Agenturen eingeführt werden. Allerdings können private Personen aus dem Urlaub bis zu 120 kg Gepäck pro Jahr weitgehend zollfrei importieren. So entstand ein eigener Wirtschaftszweig, der Kubaner für „Urlaub“ im Ausland bezahlt. Die Unternehmen zahlen den Flug, zwei/drei Tage Aufenthalt und teilweise bis zu 200 US-$ Bargeld. Auf dem Rückweg transportieren die „Urlauber“ vom Auftraggeber beschaffte Güter nach Kuba. Besonders Kubaner mit mehreren Staatsbürgerschaften profitieren davon. Denn sie können auch westliche Handelsbeschränkungen umgehen. Neben der ökonomischen Verzerrung setzt auch eine Erosion des politischen Systems ein. Die versprochene bzw. behauptete Gleichheit gilt nicht für jeden. Eine Entwicklung die auch in der DDR beobachtet werden konnte. Wer „West-Verwandtschaft“ hatte oder in die BRD reisen konnte, verfügte über Konsummöglichkeiten, die andere nicht hatten.
Eine andere Form der Ausweichreaktion ist mehr oder weniger versteckte Korruption von Entscheidungsträgern - vom Zollbeamten bis in hohe Staatsämter. Insbesondere bei staatlichen Hemmnissen mit politischer Entscheidung wird von Seiten der Unternehmen oft versucht den Weg der Bestechung zu gehen.
Beispiel: Korruption bei Waffengeschäften (Heilig 2018)
Bei großen Rüstungsgeschäften tauchen oft Fälle von Korruption auf. Hintergrund ist einerseits, dass dieser Bereich hochpolitisch ist. Nur wenige Spitzen-Politiker und Beamte tragen am Ende die Verantwortung. Das bedeutet aber auch, dass die Liste von zu Bestechenden nicht lang. Andererseits geht es bei solchen Geschäften oft um Milliardenbeträge. Interessanterweise tritt Korruption nicht nur auf Käuferseite auf, sondern auch auf Seiten des Verkäufers. Hintergrund sind die Exportbeschränkungen zur Kontrolle der Rüstungsindustrie. Die Grenze zwischen normalen Lobbying und Korruption sind dabei fließend. Beispielhaft für derartige Einflussnahme steht H&K.
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