Er winkte ab, legte das legere Leinensakko ab und schaute zu Paul, der auf dem Sofa lag.
»Bequem? Schwer zu tun?«, schnauzte er den Freund an, als er sah, wie der entspannt auf dem Liegemöbel saß und genüsslich an seiner Zigarette nuckelte und den Rauch großkapitalistisch in die Büroluft entließ.
»Na Mädels, heftigen Tag gehabt?«, fragte er zurück. Natürlich wusste er um Hannes’ neuen Job. Der jobbte von Zeit zu Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Best Boy mit variablem Arbeitsgebiet im Asiatischen Museum für Kunst und Kultur . Momentan betreute er einen japanischen Zen-Meister, den Prof. Dr. Dorothea Paulenkamp – Chefin des Ladens – gegen ein fürstliches Honorar für drei Monate angeheuert hatte. Der Asiate sollte sich um den Zen-Garten des Museums kümmern, welches einen großzügigen finanziellen Zuschuss von der Stadt bekommen hatte. Hauptsächlich, weil Paulenkamps Mann im Stadtrat saß. Und die Kohle musste nun unbedingt innerhalb eines Jahres unter die Leute gebracht werden. Es lebe der Klüngel – eine spezielle Eigenart der Kölner Oberen.
In der Praxis schaute das so aus, dass Herr Katinawa seit Wochen stundenlang auf das leere Sandfeld im Hof der Kunstsammlung starrte. Hannes begleitete den Meister dabei und sorgte für Erfrischungen in flüssiger und fester Form. Er hasste den Job. Er war eine bessere Saftschubse und aufmerksames Kindermädchen! Es war die pure Langeweile. Im Schnitt einmal pro Tag schlug der meditative Geistesblitz bei Herrn Katinawa ein. Dann war Hannes’ Stunde gekommen: Er musste mit dem extra angefertigten Rechen eine Welle oder Linie ziehen. Alles in allem trieb ihn diese Tätigkeit nicht gerade an seine physischen sowie psychischen Grenzen. Aber es brachte Geld. Und das war ja schon mal was. Obendrein hatte die Paulenkamp einen Narren an ihm gefressen. Er kannte den Typus Frau – vernachlässigte Xanthippe jenseits der fünfzig, die vehement nach Aufmerksamkeit in allen Facetten des Lebens dürstete. Hannes vermutete, dass der Gatte die Ehefrau links liegen ließ. Letzte Woche hatte sie ihn arg angebaggert und sie landeten in einer stillen Ecke des Archives, wo es zwischen beiden mächtig zur Sache ging. Für Hannes ein einmaliges Ding. Okay, sie hatte einiges zu bieten – Attraktivität, Intelligenz und ein stattliches Vermögen. Trotzdem, seit diesem Unfall setzte sie ihm mit stetem Augenmerk zu. Täglich nahm er sich vor, die Situation zu klären. Der richtige Zeitpunkt war allerdings noch nicht gekommen. Eine blöde Ausrede! Und die eigene Feigheit nervte Hannes gewaltig.
»Du grinst wie ein frisch geficktes Eichhörnchen«, pöbelte Margaux in Richtung Paul, der nach wie vor das Sofa besetzte und ein reichlich bescheuertes Gesicht machte. »Erzähl, was ist passiert?«
»Wir haben einen Auftrag! Und zwar einen definitiv dicken Brocken!« Er griff den Scheck und wedelte damit herum. Margaux riss ihm das Stück Papier aus den Händen und blickte ungläubig darauf.
»Nee, ne?!«
»Yepp, meine Teuerste – 40.000 Euro.«
Hannes ließ alles fallen und ging straffen Schrittes auf die beiden Kollegen zu.
»Hab ich da gerade 40.000 Euro vernommen? Das kann nicht wahr sein. Ich schufte seit Wochen in diesem bescheuerten Museum, um ein paar Kröten zu verdienen. Und der Meister hier zieht mal eben ’nen Auftrag an Land, der uns ein Jahr locker überleben lässt.«
»Tante Vera?«, fragte Margaux.
»Jawohl.«
Hannes und Margaux grinsten. Hannes klatschte in die Hände. »Na denn an die Arbeit, Freunde. Es gilt, Gerüchte in die Welt zu setzen. Und außerdem verspüre ich nicht die geringste Lust, Herrn Katinawa bei seiner anstrengenden Tätigkeit zu begleiten.«
Die schicke Bauhaus-Villa im noblen Köln-Marienburg wirkte weitestgehend verlassen. Schuld war die Extrem-Mittags-Hitze dieser Tage. In der verlagerten die Damen der feineren Gesellschaft ihre wie auch immer gearteten Aktivitäten in die kühlen Räumlichkeiten der opulenten Herbergen. Der standesgemäße Pool im Garten war hierbei ebenfalls eine akzeptable Rückzugsmöglichkeit. Die Männer der Luxusweibchen gingen ihren lukrativen Geschäften nach. Der Reichtum wollte behalten und vermehrt werden! So auch im Hause Blastonk.
Doris hatte ihre sieben Sachen gepackt und frachtfertig platziert. Hierzu nahm sie den Gärtner in die Pflicht, die »Habseligkeiten«, wie Klamotten, Schuhe, Taschen und was sich sonst im Laufe der letzten Jahre angesammelt hatte, vorerst in einen Self-Storage in Köln-Vogelsang zu deponieren. Viel war es nicht, was sie erstaunte. Den Transporter des Gärtners füllten lediglich einige Koffer und zwei edle Reisetaschen aus Leder aus. Die zu rettenden Besitztümer waren sehr überschaubar. Das ärgerte und enttäuschte Doris. Zu wenig für die Ehe mit diesem Honk. Na ja, sei’s drum.
Nachdem sie sich ein Päuschen von der anstrengenden Tätigkeit gegönnt hatte, sollte es an den Tresor des werten Gatten gehen. Hier lagerten die wirklich wertvollen Schätze und die lagen im Fokus des gierigen Weibchens. Die monetären Kostbarkeiten hatte sie sich verdient. An die Konten des Göttergatten kam sie leider nicht heran, lediglich an ihr eigenes Spielgeldkonto, das er monatlich üppig mit 4.000 Euro füllte. Die Kohle durfte sie nach Gusto verschleudern. Doris blickte auf die Armbanduhr – Viertel vor zwölf. Perfekt, sie lag exakt im Zeitplan! Fritz Blastonk würde kaum vor 19.00 Uhr aufschlagen. Genügend Zeit, um sich den Wertsachen im Tresor des Arbeitszimmers zu widmen. Die Kombination hatte sie bereits Wochen zuvor herausbekommen. Der Hellste war der Ehemann nicht. Die Zugangszahlen versteckte er unter der Tastatur des Computers im Home Office. Wie bescheuert!
Doris schlenderte zum Kühlschrank der offenen Wohnküche, schnappte sich eine Flasche Champagner und befreite sie vom Korken. Auf das Glas verzichtete sie und nahm einen gewaltigen Hieb aus der schweren Bouteille. Sie musste grinsen – genauso wie früher, als sie noch nicht Frau Doktor war, sondern Mitarbeiterin eines Nagelstudios in Köln-Ehrenfeld. Fritz hatte sie auf der Venloer Straße aus Versehen angerempelt, mit einer Kiste Wein in den Armen aus einem teuren Weingeschäft. Er ließ vor Schreck den Karton fallen, der Inhalt ging teilweise zu Bruch. Zudem traf die Ecke der gewichtigen Kartonage Doris’ großen Zeh. Er brach – ein Schmerz-Invest mit Zukunftspotenzial. Der Rest war Geschichte. Madame hatte schnell kapiert, dass sie hier einen dicken Fisch an der Angel hatte, den sie so bald nicht wieder vom Haken lassen würde. Der Plan funktionierte: Kurze Zeit später waren sie ein Paar und zwölf Monate danach läuteten die Hochzeitsglocken. Es lief wie am Schnürchen. Die Heirat katapultierte sie in ein Luxusleben, von dem sie vorher nur träumen konnte. Na ja, aus und vorbei. Sei’s drum. Doris hatte die Kuh gemolken und sie würde sich die Scheidung mit einem gewaltigen Batzen Geld vergolden – vom Inhalt des Tresors einmal abgesehen. Sie nahm einen erneuten Schluck aus der Flasche und startete Richtung Arbeitszimmer durch.
Frau Noch-Blastonk rieb sich die Hände. Auf zur großen Hausräumung! Sie schnappte die extra hierfür bereitgestellte Ledertasche, öffnete den Reißverschluss und ging zum Geldschrank. Ein wenig fühlte sich Doris wie einer der Panzerknacker aus den Disney-Comics. Sie hatte keinerlei Bedenken, Fritz zu plündern. Von Unrechtsbewusstsein nicht die geringste Spur. Warum auch, was da im Stahlmonstrum vor ihr in Sachen Barschaften lagerte, war nichts weiter als Schmiergeld. »Böses« Geld, das sie einem neuen und guten Zweck zukommen lassen würde – ihrem Luxusleben. Nach knappen zehn Sekunden stand die schwere Tresortür offen.
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