1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 »Hast du Blastonk mal getroffen?«, fragte Hannes.
»Ja, mehrmals auf dem Golfplatz in Begleitung von Doris.«
»Apropos Golfplatz. Sollen wir unsere Aktivitäten darauf ausweiten? Ich meine nur, weil du öfters vor Ort bist und es dir vielleicht unangenehm wäre …«
»Margaux Schätzchen, kein Problem. Im Klub werde ich höchstpersönlich für genug Trubel sorgen und diesen Idioten eine verpassen, die sich gewaschen hat.« Vera grinste. »Mir fällt da noch etwas ein, was Doris mal erwähnte. Ist jedoch schon eine Weile her. Zufällig hat sie einmal mitbekommen, dass der Göttergatte einen Termin bei einem Psychologen hatte. Sie war in der City shoppen, als sie Fritz sah, wie er ein Gebäude in der Hohe Straße betrat. Sie folgte ihm und bekam mit, dass es sich um eine psychotherapeutische Praxis handelte. Die Gute war erstaunt. Okay, ein Verhältnis, daran war sie ja gewöhnt. Aber ein Psycho-Doktor?! Ich kann mir das irgendwie auch nicht recht vorstellen.«
»Midlife-Crisis, inklusive Depression?«, fragte Margaux.
Vera lachte laut auf. »Ich weiß nicht, ob Blastonk zu derlei komplexen Gefühlen fähig ist. Glaube eher nicht.«
»Ist trotzdem sehr interessant. Das könnten wir für unsere Kampagne benutzen. Es scheint sich ja um eine Schwachstelle des werten Dr. Blastonk zu handeln. Weißt du, welcher Seelenklempner das war?«
»Klar doch, Liebelein.« Sie reichte Hannes eine Visitenkarte.
»Dr. Arne Weiß. Und du hast nicht zufällig eine Ahnung, weswegen er beim Onkel Doktor war?«
Vera grinste schelmisch. »Rein zufällig kenne ich den Seelenklempner, und siehe da, er war mir den ein oder anderen Gefallen schuldig. Wir haben ein interessantes Gespräch geführt. Zudem ist er in meinem Etablissement ein gern gesehener und üppig zahlender Gast.«
Auf gut Deutsch hieß das, dass Tante ihn eiskalt erpresste. Margaux blickte besorgt in Richtung DS. Der nickte dezent, was bedeutete, dass alles in bester Ordnung war. Keine Gefahr im Anmarsch!
Hannes schüttelte den Kopf. »Okay, dann raus damit«, forderte er Vera leicht genervt auf, Details zu nennen. Die war kurz vorm Explodieren, die News mussten einfach nach draußen.
»Ob ihr es glaubt oder nicht, unser Herr Doktor Chemiker war wegen Sexsucht in Behandlung«, prustete Vera auf ihre ganz eigene Art los.
»Sexsucht?« Margaux schaute auf. »Das ist doch Schwachsinn?!«
»Mitnichten, mein liebes Kind«, antwortete Tante. »Laut Dr. Weiß – und das hat er mir unter dem Mäntelchen der Verschwiegenheit anvertraut – kämpfte Dr. Blastonk mit dem unkontrollierten Konsum von Pornografie, Telefonsex, Cybersex und diversen Sex-Chats.«
»Für mich ist Sexsucht nichts anderes als eine faule Ausrede des männlichen Geschlechts, um Seitensprünge zu rechtfertigen«, entgegnete Margaux resolut in Richtung Vera.
»Ich weiß nicht. Laut Herrn Psycho-Doktor handelt es sich um eine Sucht. Sexsucht verspricht, genauso wie der abhängige Genuss von Alkohol oder anderen Drogen, einzigartige Aufregung und Entspannung. Die Befriedigung der Sucht kompensiert vorübergehend schlechte Gefühle. Viele Menschen sehen in Drogen, wie die der Sexsucht, eine Belohnung für die Mühen des stressigen Alltags – sagt zumindest Blastonks Psychologe«, referierte Vera.
»Ist ja alles schön und gut, Sex hin, Sex her. Auf jeden Fall lässt sich das perfekt verwenden. Wir dürfen doch?«, fragte Hannes.
»Aber sicherlich.« Vera kicherte. »Der hat’s nicht besser verdient.«
Hallöchen«, trällerte Palmira mit schriller Stimme. Ihre Erscheinung glich einer Detonation. Die Gespräche in der Bäckerei verstummten auf einen Schlag und Fassungslosigkeit machte die Runde bei der vornehmen Kundschaft des Edel-Brötchenverkäufers im noblen Stadtteil Köln-Marienburg. Die Naturgewalt baute sich breit auf, ließ ein unüberhörbares Stöhnen vom Stapel und wedelte sich mit einem überdimensionierten und knallbunten Fächer die Schweißperlen von der Stirn.
Palmira hatte den schönsten Zwirn übergeworfen, den ihr gewaltiger Fundus bot. Den 120-Kilo-Körper zierte ein wallendes, teils transluzentes Kleid in zartem Hellblau. Sie sah aus wie ein gefallener Engel, der aufgrund des zu hohen Körpergewichtes die Tragfähigkeit seiner Wolke überschritten hatte und Richtung Erde gestürzt war. Die platinblonde Perücke krönte ein kleiner Fascinator mit Netz und Feder, und zwar in Knallrot. Die Krönung des Ganzen war jedoch Dürer – der Mops, den sie auf dem Arm trug und der dröge vor sich hin sabberte und die typischen röchelnden Atemgeräusche ausstieß. Und warum Dürer? Palmira fand, dass ihr Hund ein wenig Ähnlichkeit mit Dürers berühmtem Aquarell eines Feldhasen hatte – speziell, was die Augen betraf. Die Übereinstimmung zwischen dem Feldhasen und Palmiras Mops war allerdings nur dem Frauchen vergönnt zu sehen. Dürer – also dem Hund – war das egal.
Palmira ließ erst einmal die Blicke im Geschäft schweifen. Nicht, dass sie das Angebot des Bäckers interessiert hätte, sie musste aber das Spannungsniveau des Auftritts erhöhen bzw. zumindest halten. Sie schlenderte ziellos locker umher, nickte mit dem Kopf und sprach das ein oder andere mit Dürer. Der Blick blieb an einer Ecke des Ladens hängen. Eine Glasvitrine beherbergte hässliche Gebilde aus Salzgebäck, die wohl die architektonischen Highlights Marienburgs darstellen sollten. Gruselige Kunst aus dem Kindergarten!
»Oh ha, welches Salzteigmonster hat sich denn hier ausgetobt?« Palmira schüttelte angewidert das augenfällige Haupt. Es war ihre Show und sie hatte einhundert Prozent Aufmerksamkeit. Der Plan ging auf. Keiner der Kunden wagte, auch nur ein Wort zu sagen. Also ergriff sie die Initiative und wandte sich an die Runde der Anwesenden.
»Was für ’ne scheiß Hitze. Da läuft einem doch glatt die Suppe in jede Falte unterhalb des Körperäquators.« Eine grelle, schrille und unüberhörbare Transen-Lachsalve folgte. Gleichzeitig stieß Palmira die ihr am nächsten stehende Person mit der Schulter an.
»Stimmt’s, Rumpelstilzchen!?«
Palmiras Opfer war ein hagerer, älterer, gepflegter Herr mit Nickelbrille sowie einem affigen roten Barett als auffälligstes Merkmal auf dem Haupt. Kurzerhand griff sich die Gute, im Überschwang der Gefühle, den verdatterten Opa und versenkte dessen vergleichsweise kleinen Kopf inklusive Kopfbedeckung in ihrem gewaltigen Plastik-Dekolleté. Der mindestens zwei Nummern winzigere Greis bekam Schnappatmung, rang nach Luft und konnte sich schließlich nur mit äußerster Mühe befreien. Die Augen des Rentners wirbelten hilfesuchend und panisch hin und her. Sinnlos! Rettung war nirgendwo in Sicht. Die restliche weibliche Kundschaft mittleren Alters betrachtete dezent und fremdschämend die Szenerie. In den Augen der vermögenden Gattinnen machte sich jedoch auch ein Funken Faszination bemerkbar. So etwas hatten die Damen der feineren Gesellschaft hier noch nicht gesehen.
Palmira richtete ihre Aufmerksamkeit in Richtung Verkäuferin und holte zum finalen Vernichtungsschlag aus.
»Sagen Sie, wissen Sie, was mit Herrn Dr. Blastonk los ist? Keiner öffnet die Tür. Ich wollte nur mal nach dem Rechten schauen, da Fritz gestern nicht zu unserem monatlichen Schamanen-Workshop erschienen ist. Das ist für den Lieben eher untypisch, zumal er einen lang vorbereiteten Vortrag zum Thema Natursteine als Rettung der Seele zu halten beabsichtigte. Wir machen uns wirklich Sorgen. Nicht wahr, mein Kleiner.« Dabei küsste sie ihren Mops auf die zu kurz geratene Nase, was bei Kundschaft und Verkaufspersonal gleichermaßen für einen Ekelanfall sorgte.
Keiner der Anwesenden fühlte sich bemüßigt zu antworten. Es entstand eine peinliche Pause, während Palmira auffordernd in die Runde blickte.
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