Lenny spielt leidenschaftlich Basketball. Vor drei Jahren hatte er das Glück, im Feriencamp vom Jugendtrainer der New York Knicks angesprochen zu werden. Er erinnert sich noch wie heute daran, dass er daraufhin zu seinem Vater gegangen war. Der hatte ihm ernst und tief in die Augen geschaut. „Und was ist mit Deinem Karate Training? Du hast es bis zum blauen Gurt geschafft“ Lenny ist jetzt 14. Vor 7 Jahren hatte er aufgeregt mit seinem Vater auf der Bank gesessen und den anderen Kindern beim Karate-Training zugesehen. Das Herz hatte ihm, wie ein kleiner Vogel, aufgeregt in seiner Brust gepocht. Der kleine Vogel wollte sich in der hintersten, dunkelsten Ecke seines Herzens verkriechen. Der Karate Trainer Andy, ein lustiger, kleiner, drahtiger Mann mit kurzen grauen Haaren hatte ihm Zeit gelassen und nun war er schon das dritte Mal hier. Die beiden vorhergehenden Male waren sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause gegangen. Lenny hatte Angst und wenn er auch noch so gern mit den anderen Kindern mittrainieren wollte, er wurde dieser Angst einfach nicht Herr. Diesmal hatte sein Vater ihm einen Köder ausgeworfen. Sie würden am Wochenende losziehen und das phantastische Lego-Starwars-Schiff kaufen, wenn Lenny sich überwindet. Luke Skywalker und Jabba wären als Figuren auch mit dabei. Und dann hatte er seinen Vater vollkommen überrascht, als er mitten im Training aufstand und sich in die Reihe der kleinen Karatekämpfer stellte und die ersten Übungen mitmachte. Das war nun sechs Jahre her. Das Karate Training hatte ihm geholfen, der Angst Einhalt zu gebieten. Er war nun richtig gut im Sport und die Jungs seiner Klasse akzeptierten ihn, so wie er war. Er lernte es, seinen Körper zu beherrschen und sich auf die Abfolge der unzähligen Angriffs- und Verteidigungsübungen zu konzentrieren. Er wurde der beste Springer und konnte über Seile springen, auch wenn sie der Trainer noch so hoch hielt.
Nun stand Lenny also wieder mit bittenden Augen vor seinem Vater. Dieser musste dabei unwillkürlich an die letzte Prüfung zum blauen Gurt denken. Ja, Lenny hatte es letztlich geschafft und er war enorm stolz auf den Jungen. Aber er hatte auch gemerkt, dass diese Art des Kampfes ihm nicht lag. Lenny wirkte zögerlich und er war kaum bei der Sache. Jetzt wusste er, Lennys Leidenschaft und sein Herz waren noch auf der Suche. Der Vater dachte daran, wie schwer es im Leben war, seinen richtigen Platz zu finden. Er wollte es gern dem Jungen einfacher machen und ihn auf seinen Lebensweg bestmöglich vorbereiten. Aber er wusste auch, dass er nicht glauben durfte, sein Sohn würde sich für dieselben Dinge interessieren, für die er einst in seiner Jugend gebrannt hatte. Natürlich interessierte sich Lenny für die Hobbys seines Vaters, schon allein, weil er ihn liebte und froh darüber war, wenn der Vater seine knappe Zeit, wenn er denn mal zu Hause war, mit ihm teilte. Die Comic-Sammlung auf die der Vater als Kind und Jugendlicher verrückt gewesen war, die er akribisch immer wieder gelesen und gesammelt hatte, lag jetzt im Bücherregal von Lenny und wurde kaum noch beachtet. Der Junge begann seinen eigenen Musikgeschmack zu entwickeln und hatte nur ein müdes Lächeln, wenn der Vater von seiner Hardrockzeit mit ACDC und Led Zeppelin schwärmte. Stattdessen verfolgte sein Vater intensiv die neuen Musikrichtungen, die der Junge aus seinem Freundeskreis mit anschleppte.
Das Zauberwort war Leidenschaft.Alles wofür man im Leben Leidenschaft entwickelt, wird einem vortrefflich gelingen. Wenn der Funke der Leidenschaft überspringt, dann wird unermessliche Energie freigesetzt, so dass das Lebensprojekt unweigerlich gelingen wird. Man wird immer die zusätzliche Zeit investieren, die zusätzliche Runde laufen, weil man vor Enthusiasmus kaum zu stoppen ist. Die Zeit wird man kaum spüren, weil man mit dem Herzen bei der Sache ist. Und Leidenschaft kennt nur das Hier und Jetzt, den jetzigen Augenblick. Leidenschaft lässt sich nicht ablenken von dem Thema, das man liebt und vollenden möchte. Leidenschaft setzt zusätzliche Potentiale, Energien, Kreativität, Phantasie und Beharrlichkeit frei. Menschen, die etwas mit Leidenschaft tun, werden immer besser sein, als diejenigen, die nur mit Profession an die Dinge herangehen. Sie werden diese schnell überflügeln. Deswegen, ist es so wichtig, den richtigen Platz in seinem Leben zu finden, wo man mit Leidenschaft und Liebe agieren kann, wo man seine Bestimmung und damit sein Glück findet. Ein Beruf ist idealerweise eine Berufung. Darum wähle mit Bedacht, damit die Aufgabe, der Du Dein Leben widmest, Deiner Persönlichkeit, Deinen Stärken entspricht. Es gibt so viele Menschen, die nicht ihr Spielfeld im Leben gefunden haben. Sie sind nicht schlechter als die Anderen, aber sie rackern sich ab, weil ihnen jede Handlung, jeder Schritt an diesem Platz viel Energie abverlangt. Mit den Jahren wird diese Tätigkeit sie auslaugen, oft sogar ausbrennen. Ohne Erfolgserlebnisse werden sie ständig dem Glück hinterherlaufen und nur selten daran teilhaben. Diejenigen, die jedoch ihre Leidenschaft gefunden haben und für sie bereit sind, allen Widerständen zum Trotz, zu kämpfen, werden letztlich das Glück für sich gewinnen. Ihre Leidenschaft wird sie auf ihrem Lebensweg begleiten und sie mit viel Energie, Phantasie und Kreativität belohnen. Wirklich schöpferisch ist man dann, wenn man mit Leidenschaft bei der Sache ist.
Dies alles ging dem Vater nun durch den Kopf. Er schaute Lenny tief in die Augen und spürte, dass es dem Jungen ernst war. „Ja, dann tue es. Ich freue mich für Dich.“ Lenny war aufgesprungen. Er hatte Tränen in den Augen „Ja, ja, ja“ Er konnte das Glück kaum fassen. Diese Entscheidung seines Vaters hatte er so schnell nun doch nicht erwartet.
Seit diesem Zeitpunkt steckte er jede freie Minute in seine Leidenschaft. Drei bis vier Mal in der Woche war er beim Training. In der Schule lief es gut, weil sich sein Lehrer mit seinem Basketballtrainer einig war und Lenny davon überzeugt hatten: Gute Leistungen in der Schule sind die Voraussetzung für einen herausragenden, leistungsorientierten Sportler. Lenny hatte inzwischen erkannt, dass er, wie im Basketball, jedes Ziel erreichen konnte, wenn er nur genug Energie in die Sache stecken würde. Und wahrlich, er war bereit, für sein Ziel, die NBA-Basketball-Liga, die Extrarunde zu drehen, hart zu trainieren und massenweise Liegenstütze, sogar abends vor dem Fernseher zu machen.
Das Spiel gegen die Miami-Jugend ist auch im zweiten Viertel noch auf Augenhöhe. Lennys Team führt knapp mit 28:27. Ihr Trainer, dem sie den Spitznamen „Buddha“ gegeben hatten, weil er eine allgegenwärtige, stoische Ruhe ausstrahlte und ein permanentes Lächeln auf den Lippen trug, rief vom Spielrand seine Kommandos. Lenny konnte sich keinen besseren Trainer wünschen. „Buddha“ nahm Lenny und die anderen Jungs nach dem Training oft beiseite und erklärte ihm Spielzüge, korrigierte seine Fehler und lobte ihn immer wieder für seine „Ball-Intelligenz“. Sein Trainer hatte einen siebten Sinn dafür, wie er jeden einzelnen von ihnen anzupacken hatte. Der eine brauchte eine direkte Ansage. Lenny wiederrum reagierte aufgrund seiner Sensibilität auf jedes Augenzwinkern seines Trainers und setzte die Anweisungen direkt auf dem Spielfeld um. „Lenny bring’ den Ball nach vorn und dann will ich den 8er-Lauf sehen.“ Lenny bekommt den Ball von seinem Kumpel Rick gepasst. Mit einem kurzen Dribbling ist er schnell hinter der Mittellinie. Luc kommt ihm links entgegen und sie wechseln den Ball als sie sich begegnen. Luc umgeht einen Gegner und drückt dem ihm entgegenkommenden Mitspieler den Ball in die Hand. Der rennt, wie im Training als automatischer Ablauf immer wieder durchgespielt, auf Lenny zu und der Ball wechselt erneut. Der Gegner ist ein wenig verwirrt und Lenny nutzt die Gelegenheit. Er zieht in den Kreis und schlängelt sich an der Abwehr vorbei. Er deutet einen Wurf mit rechts an, legt sich jedoch den Ball dann in die linke Hand und der Ball landet von dort elegant im Korb. „Wer sagt’s denn.“ Lenny sieht seinen Trainer ein Zeichen zur Auswechslung machen. Am Spielrand klopft ihm sein Trainer zufrieden auf die Schulter. „Klasse Spiel Lenny!“
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