nina pourlak
besser als nix.
roman
Nach einem Einfall von Sebastian Lempe
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
eISBN 978-3-86506-417-2
© 2009 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers
Einbandgestaltung: Frederick Ring, Stuttgart
Titelfoto: Frederick Ring, Stuttgart
Satz: Satzstudio Winkens, Wegberg
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013
www.brendow-verlag.de
Cover
Titel nina pourlak besser als nix. roman
Impressum Nach einem Einfall von Sebastian Lempe Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. eISBN 978-3-86506-417-2 © 2009 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers Einbandgestaltung: Frederick Ring, Stuttgart Titelfoto: Frederick Ring, Stuttgart Satz: Satzstudio Winkens, Wegberg 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013 www.brendow-verlag.de
Inhalt
1 der anfang vom ende zum anfang
2 schwarzsehen für anfänger
3 ungeahnte perspektiven
4 die nacht des lebenden toten
5 ein ganz schwarzer tag
6 das ziel ist das ziel
7 der erste und der zweite abschied
8 zwei allein zu haus
9 der ernst des sterbens
10 ein mann, ein anzug
11 zwei schritt vor, einer zurück
12 anruf aus dem jenseits
12 es ist, was es ist ...
13 grün hinter den ohren
14 nachtgedanken & tagträume
15 ein hans kein glück
16 hello goodbye
17 kein zurück
18 alles ist anders
fast 19 & wie neugeboren
Danksagung
C.S. Lewis Preis
1der anfang vom ende zum anfang
Mike trägt jetzt Skinny Jeans. Das sieht so scheiße aus bei ihm, wie ein Muskelmännchen. Oben breit und unten ganz dünn. Madlen steht wohl drauf. Er sagt, es war seine Idee, aber na ja. Mir soll es egal sein. Nur, wenn er sich bückt, seh ich seine Po-Ritze und das ist beileibe echt too much.
Die wissen überhaupt nicht, was diese Jeans bedeuten. Die bedeuten Musik, die bedeuten Gitarren und London und Punkrock und – na ja. Jedenfalls nicht Saufen im Feld, Karstadt und Klingeltöne. Ist egal. Ist vorbei, wie gesagt. Das ist nun mal ein Dorf. Bin ich wenigstens nicht der Einzige, der hier so rumläuft. Ich hatte meine zuerst, die musste ich mit der Kreditkarte von Papa online bestellen. Von Cheap Monday. Er hat das überhaupt nicht verstanden, dass meine Jeans nun unbedingt aus London kommen muss.
Ein Jahr lang haben mich alle damit ausgelacht. Und jetzt das. Jetzt ist es auf einmal cool. Ich frag mich nur – seh ich auch so blöd damit aus? Hier gibt es keine Ganzkörperspiegel, nur so kachelkleine Spiegel-Quadrate über den Waschbecken. Ist halt ‘ne Sportlerkabine.
Wir ziehen uns aus. Es stinkt nach Schweiß hier und das noch vor dem Training. Alter Schweiß, der sich überall reingefressen hat. Nach und nach kommen die anderen Jungs rein. Die meinen das ernst mit dem Sport. Die haben richtig Muskeln und so, weißt Du ja. Ich steh auf Mädchen, O.k. Aber ganz sicher nicht auf die, die es hier gibt.
Ich stell sie mir vor. Mädchen. Mädchen mit schwarz gefärbten Haaren in Vintage-Klamotten. Mädchen mit Bandshirts und Tätowierungen. Mädchen mit bunten Sonnenbrillen aus amerikanischen Indiefilmen. Wilde Mädchen, die nicht Steffi heißen. Ich weiß, dass es sie gibt, irgendwo. Mich hat das Internet verseucht.
Ich hab schon früh gemerkt, dass ich irgendwie nicht hierher gehöre. Dass ich anders bin. Ich hab mir aber am Anfang noch richtig Mühe gegeben, dass das keinem außer mir auffällt. Ganz normal sein, wie die anderen. Aber das hat nicht geklappt. Dann hab ich’s halt gelassen.
Papa ist erst ins Grübeln gekommen, als ich angefangen habe, meine Haare zu färben. Als ich dann auch noch meine Garderobe ganz allmählich auf Schwarz umgestellt habe und nächtelang am Computer saß, ist ihm richtig mulmig geworden. Und als beim Elternabend meine Lehrerin schließlich angemerkt hat, ich sei eher der Außenseiter im Klassenverband, da hat er wohl befürchtet, dass ich demnächst Amok laufe oder so was. Ich weiß, da macht man keine Scherze mit.
Jedenfalls hat er angefangen, seltsame Fragen zu stellen, mich zum Fußball zwangsverpflichtet – und ich glaube, er war auch heimlich an meinem Computer. Aber was sollte er schon groß herausfinden, erstens gab es wirklich nichts Besonderes, und zweitens: Er kann ja noch nicht mal eine E-Mail alleine verschicken ...
Ich hab ihm dann freiwillig verraten, dass ich auf diesen Streetstyle-Seiten surfe, wo man gut gekleidete Menschen in den Metropolen dieser Welt bewundern kann. Nicht, dass hier alle total hinterm Mond wären, aber das ist einfach noch mal was ganz anderes. Fernweh, sag ich nur. Hab dann eben gleich noch gefragt, ob ich die Nummer von seiner Kreditkarte haben kann, weil ich mir Klamotten online bestellen wollte. Aus England. Und da war er dann erst richtig geschockt. Als ob das bei ‘nem Jungen total unnatürlich wäre ...
Ich glaube, es wäre ihm fast lieber gewesen, ich hätte doch irgendwelche krassen Ballerspiele gespielt ... Das wäre dann wieder O.k. Ganz normal eben.
Vielleicht sollte ich das gar nicht schreiben hier. Aber es ist schließlich so was Ähnliches wie mein Tagebuch, da muss man ja offen und schonungslos sein, oder?
Außerdem – Du weißt ja, wie er ist ...
Also. Ich wollte Dir erzählen, wie es mir geht. Wie es uns geht. Und wie alles so gekommen ist, wie es jetzt ist. Ich weiß nicht, ob Du das lesen kannst. Ob es Dich erreicht. Aber ich stelle mir das jetzt einfach mal so vor. Ich meine ehrlich, wenn ich 100 % davon ausgehen würde, dass Du das liest, dann würde das bedeuten, dass ich – also – dass ich daran glaube, dass –
Peng.
Der Ball trifft mich mit voller Wucht am Kopf. Immerhin – kein Tor. Jetzt bloß keinen Schmerz zeigen. Ein weißhaariger Mann mit Trillerpfeife im erhitzten Gesicht kommt auf mich zugehastet und fuchtelt mit den Armen: »Du musst dich auch mal bewegen, Junge. In Aktion treten!« Kopfschüttelnd sieht er mich an.
Ja, Papas Haare sind mittlerweile richtig weiß, Du würdest Dich wundern.
Ich konnte mich nicht entscheiden, für welche Seite – denk ich – sag ich aber natürlich nicht, als er schon wieder energisch mit seiner Trillerpfeife zum Angriff bläst. Würde die Lage nicht verbessern. »Das ist genau dein Problem«, wäre seine Antwort. »Du kannst dich nicht entscheiden, was du nach der Schule machen willst. Nicht entscheiden, was du heute Abend essen willst, und nicht einmal als Torwart taugst du was, weil du dich einfach nicht entscheiden kannst, in welche Ecke du springen sollst. Ich verstehe nicht, wie jemand so überhaupt überleben kann, auf dieser Welt. Ich war nie so ...«
Ich weiß ganz genau, dass er das sagen würde.
Meistens antworte ich deswegen gar nicht. Kaltes Wasser lass ich über mein Gesicht laufen. Ich guck mich im Spiegel an, in der Mädchenkabine, die haben einen Größeren.
Auf der einen Seite ist es weiß, auf der anderen ganz rot und über der Augenbraue leicht angeschwollen. Von vorne verläuft die Linie schräg. Gäbe ein gutes Plattencover. Ich sollte morgen ein Foto im Passbildautomaten machen.
Mike klimpert mit dem Autoschlüssel, als ich aus der Tussi-Umkleide komme: »Was machst denn du da drüben ... Aha ... Soso ...«
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