„Danke, Eddie“, sagte Percy.
„Hundert Piepen das Stück, Munition verkaufe ich keine, dafür bin ich schon zu oft angeschossen worden. Kauf die Dinger oder lass es bleiben, also was ist?“
Percy hob den einen Revolver an. “Dieses Fügeisen nehme ich, weil es mir gefällt“, er hob den anderen Revolver hoch, „und diese Sargpetunie, weil zwei immer besser sind als eine.“ Das Erdmännchen legte beide zurück in das Fach. „Zum Mitnehmen bitte.“
Eddie verzog eine Lefze, dass Percy glaubte, er freute sich über den Umsatz. „Sag mal, Eddie, weißt du, wo ich ein Exemplar des neuen Booktian-Romans herbekomme?“
„Der ist noch gar nicht draußen.“
„Wirklich? Schade. Ich kann es gar nicht abwarten. Er ist mein absoluter Lieblingsautor. Da werde ich wohl wie alle anderen warten müssen. Um ehrlich zu sein, ich wäre bereit, noch mal so viel für das Buch zu bezahlen wie für die Knarren. Aber Geld spielt wohl keine Rolle, wenn man das Produkt einfach nicht bekommen kann.“
In Eddies Kopf leuchteten zweihundert weitere Piepen auf, die es einzuheimsen galt. Seine Wildschweinohren stellten sich auf. Er blickte einmal zu Milten und schien ihn zu mustern. Das Geld war verlockend, aber der lange dünne Kerl schmeckte ihm einfach nicht. Und warum schaute er sich ausgerechnet jetzt die alten Dienstbücher an, die nur aus Gesetzen bestanden? Sogar mit seiner Plastikschnauze konnte er einen Bullen noch riechen, wenn er direkt vor ihm stand. Andererseits, die Kundschaft war hier oft von merkwürdiger Natur und sein Spürsinn war auch nicht mehr das, was er mal war. Er blieb vorsichtig, ja nicht allzu schnell irgendetwas zugeben.
Percy legte nach. „Du kannst mir nicht helfen, oder? Weißt du, wo ich ein Exemplar herbekommen könnte?“
„Nein, woher soll ich so was wissen? Die Taschenbücher sind dort hinten“, sagte er und zeigte auf eine Ecke im Laden.
„Eddie, ich glaube, du lügst. Ich glaube, du weißt ganz genau, wo Exemplare der Bücher zu bekommen sind. Und ich glaube auch, dass du es mir sagen wirst.“
„Kannst du vergessen.“
„Wir haben die Bücher sichergestellt“, sagte Milten, der es nicht lassen konnte, den eigenen Erfolg zu erwähnen. „Plus einen der Täter. Er ist bereit, dich vor Gericht als Zeuge zu belasten.“
„Wer seid ihr zwei? Bullen?“
„Nein, die größte Trachtengruppe der Stadt ohne einheitliche Uniform“, gab Milten zurück.
Percy schnappte sich einen der Revolver, griff in seine Hosentasche und fand eine 9-mm-Patrone. Er legte sie in den Revolver ein und feuerte die Kugel in die Decke. Etwas Putz rieselte zu Boden. Dann zog er eine weitere Kugel aus seiner Hosentasche und schob sie in die Trommel. Die geladene Waffe richtete er auf Eddie.
„Hör zu Eddie, wer wir sind, spielt keine Rolle, aber was wir dich fragen wollen, schon. Also, woher wusstest du, dass die Bücher in dem Bürogebäude geparkt waren?“
Der Pfandleiher bekam es mit der Angst und dann begann er zu reden. „Ich habe einen Kumpel, er ist ’ne große Nummer. Ihr glaubt nicht, wie viel Einfluss der hat. Wenn ich seinen Namen verrate, bin ich so gut wie tot.“
„Eine Frau ist gestern gestorben, Eddie. Wegen dir. Ich nehme mal an, du hast die clevere Idee gehabt, die Bücher klauen zu lassen und sie dann zu verschachern?“
„Selbst wenn“, sagte der Findmeral, der einen Teil seiner Selbstsicherheit wiedergefunden hatte, „was juckt euch das?“
„Darf ich vorstellen“, sagte Milten und zeigte auf Percy. „Detective Percy Meercat und Detective Milten Greenbutton.“
Eddies Kopf knallte aus Frustration auf den Tisch.
„Wenn du jetzt mitkommst und keinen Aufstand machst, sorgen wir dafür, dass du deine eigene Zelle bekommst. Wenn du uns den Namen deines Freundes verrätst, können wir vielleicht sogar deinen vergessen. Wie sieht's aus? Spitzel oder Knast?“
„Knast.“ Eddie öffnete die Gittertür und Milten legte ihm Handschellen an. Für einen Moment wartete Percy, ob sich der wuchtige Pfandleiher doch noch zur Flucht hinreißen ließ, aber scheinbar war er clever genug, um zu realisieren, dass er gegen Milten und dessen flotten Beine keine Chance hatte. Milten führte den Findmeral ab, doch als er ihn auf den Rücksitz des Mustangs packen wollte, passte der nicht hinein.
Percy kicherte und schnappte sich das Funkgerät.
„Zentrale hier ist Wagen 25, bitte melden. Over.“
„Zentrale hier.“
„Wir brauchen den größten Streifenwagen, den ihr habt, wir haben hier einen Tunichtgut, den wir nicht mal gefaltet eingepackt bekommen.“
„Soll ich einen Kastenwagen schicken oder einen Bus?“
Percy überlegte und erntete dafür von Eddie einen wütenden Blick. „Danke, Doreen, aber der Kastenwagen sollte reichen. Keine Sorge, der hier wird garantiert nicht durch die Gitterstäbe abhauen.“
Milten setzte Eddie an den Straßenrand neben den Mustang und holte dann seine Dienstwaffe und Marke aus dem Auto. „Damit wäre der Fall so gut wie geklärt“, sagte er. „Morgen quetschen wir Eddie nach dem Namen seines Freundes aus und dann heißt es: ab zu den Akten!“
„Ganz richtig Partner, das sollte es gewesen sein.“ Percy hängte sich seine Dienstmarke wieder um. „Wir machen uns jetzt auf den Heimweg. Du auf die Couch, ich ins Bett. Und morgen sieht die Welt gleich wieder ein bisschen freundlicher aus.“
3
Das Surren des Rasierapparats schreckte Milten aus dem Schlaf. Percy saß auf seiner Brust, in der Pfote ein elektrischer Rasierer und er stutzte Miltens Rübezahlbart. Auf seiner Brust hatte er fein säuberlich ein Handtuch ausgebreitet, damit er auch ja keine Sauerei anrichtete. Immerhin war es seine Couch, auf der er Milten zurechtschnitt.
„Percy? Was zum ...?“
„So, fertig“, sagte Percy und schaltete den Rasierer aus. „Jetzt kann man sich wieder mit dir zeigen.“ Das Erdmännchen rutschte von seiner Brust auf den Boden und nahm eine Tasse Kaffee vom Wohnzimmertisch. Milten tastete sein frisch rasiertes Gesicht ab.
„Oh“, machte Percy und hob den Finger. Dann griff er hinter sich, nahm eine Flasche mit der Aufschrift: Teakholz der Ewigkeit – Herrenduft, goss sich zwei Tropfen auf die Pfote und rieb sie aneinander. Das Aftershave verbreitete einen hölzernen Duft.
Behutsam tupfte Percy seinem Freund den Duft ins Gesicht.
„Jetzt bist du perfekt. Du hättest dich wahrscheinlich schon selber rasiert, aber ich konnte nicht warten. Ich war vor dir wach und die Versuchung war einfach zu groß, diesen scheußlichen Bart selbst zu scheren. Ist gut geworden“, sagte Percy und betrachtete sein Werk. Er hatte Milten nur hier und da ein klein wenig geschnitten. Mit einem elektrischen Rasierapparat war das zwar nur schwer möglich, aber scheinbar war Miltens Haut genauso empfindlich wie der Rest von ihm. „Mir ist, als ob ich dich selbst in die Zivilisation zurückgezogen hätte.“
Milten lächelte. Er war froh, dass der Bart jetzt auf dem Handtuch unter ihm lag. Irgendwann war seine Gesichtsbehaarung derart außer Kontrolle geraten, dass sich seine Kopf- und Barthaare in eine abstruse Kombination vermischt hatten. Sie hatten sich miteinander verflochten und waren an anderen Stellen verwachsen. Er musste ausgesehen haben wie ein Höhlenmensch ohne Keule.
„Weißt du was, Percy, ich kann auf die Sekunde genau sagen, wann ich wieder zu mir gekommen bin.“
„Erzähl“, forderte Percy und nippte an seinem Kaffee.
„Als der Beamte mit mir gesprochen hat, nachdem ich die Frau auf dem Dach erschossen habe. Er war bei mir, nur weil er den sachlichen Verlauf festhalten musste, um sicherzustellen, dass ich nicht ohne Recht Gebrauch von meiner Dienstwaffe gemacht habe. Und dann war er wieder weg. Er hat seinen Zweck erfüllt und ist wieder gegangen, denn mehr hatte er mit mir nicht zu tun. Plötzlich habe ich gespürt, wie sich meine Prioritäten wieder neu geordnet haben, einige sind an ihren alten Platz gerückt, andere haben sich neu manifestiert. Da hab ich mir gedacht, es liegt ganz alleine an mir, wie lange Menschen bei mir bleiben und wann sie auf mich zukommen. Jeder erfüllt einen Zweck. Es muss dort draußen also noch jemanden geben, der auf mich zukommt, einzig und allein wegen ... mir. Verstehst du? Jemand Neues. Jemand Aufregendes. Verstehst du mich Percy?“ Milten setzte sich auf.
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