Der Roman spielt hauptsächlich in bekannten Regionen, doch bleiben die
Geschehnisse reine Fiktion. Sämtliche Handlungen und Charaktere sind frei erfunden.
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eISBN 978-3-8271-8408-5
Micha Krämer
666
Der Tod des Hexers
Prolog
August 2021
Ich erkenne sie, wenn ich sie sehe. Ich weiß, wer sie sind, und spüre ihre Anwesenheit. Vor mir können sie sich nicht verstecken. Sie sind unter uns. Schon seit alten Zeiten. Nur, die meisten der dummen Menschlein haben es vergessen. Nicht immer verbirgt sich der Teufel hinter den Masken der Weiber. Manchmal sind es auch die Hexer, die den Satan in sich tragen. Die ihn heraufbeschwören, ihm huldigen und opfern. All die Jahre wurde dem Hexentreiben tatenlos zugesehen. Doch damit ist nun Schluss! Ich werde sie suchen, finden und zur Strecke bringen. Werde den Beelzebub in ihnen austreiben. Mit dem Schwert und dem Feuer, genauso wie es geschrieben steht. Ich habe die Zeilen gelesen. Schwarz auf Weiß steht es da, dass die Hexen Unzucht mit Luzifer und seinen Dämonen treiben. Der Teufel belohnt sie dann mit Hexenkraft für ihre unzüchtigen Liebesdienste.
Es schockiert mich, mit anzusehen, wie die dummen Menschlein sie auch noch feiern und ihnen zujubeln. Wie sie tanzen, lachen und mit den Hexen singen … ihnen applaudieren. Doch ich werde ihnen die Augen öffnen. Das, was sich dort unten im Tal auf der Bühne abspielt, hat nichts mit anständiger Musik zu tun, sondern ist lediglich eine Huldigung des Bösen.
Die Band gefiel Nina Moretti. Die Musik von Witchwar war melodisch, schnell und erinnerte ein wenig an die alten Songs von Helloween, Iron Maiden oder Metallica. Eine Mischung, die Nina außerordentlich gut gefiel. Und ja, sie war gerade irgendwie mächtig stolz auf die junge Frau mit der neonfarbenen Gitarre, deren Finger in atemberaubender Geschwindigkeit über die Saiten des Instruments flitzten. Von dem, was der Frontmann der Band in sein Mikrofon schrie, verstand sie hingegen kein Wort. Was nicht daran lag, dass dieser auf Englisch sang. Ninas Englisch war im Grunde gar nicht mal so schlecht. Es war sogar wesentlich besser als das Italienisch, welches ihr väterlicherseits in die Wiege gelegt worden war. Nein, sie war sich sicher, dass man den Sänger auch nicht verstehen könnte, wenn er auf Deutsch singen würde. Wobei Gesang im Heavy Metal sowieso vollkommen überbewertet wurde. Klar, wenn man sich die Songs der diversen Metal Bands in gut abgemischter Studioqualität anhörte, konnte man den meisten Texten wunderbar folgen. Live, bei einem Open Air, funktionierte dies allerdings in den seltensten Fällen.
„Und was meinst du?“, schrie sie Klaus, ihrem Mann, ins Ohr, der neben ihr an der Theke der Bierbude lehnte und das Geschehen auf der Bühne am Fuße des Weiselsteiner Hanges aufmerksam beobachtete.
„Na ja“, schrie er zurück, zuckte mit den Schultern und schaute dabei ein wenig skeptisch. Nina blickte ihn erstaunt an. Sie hätte gewettet, dass es ihm gefallen würde, was die Band da auf der Bühne fabrizierte. Dem schien allerdings nicht so. Klar, sie war im Gegensatz zu ihm keine Musikerin. Dennoch glaubte sie erkennen zu können, ob eine Band gut war oder nicht. Und die vier jungen Frauen um den Sänger waren gut. Gerade endete ein Stück, womit der Geräuschpegel natürlich massiv nach unten ging. Nina nutzte die Gelegenheit weiterzufragen.
„Gefällt’s dir nicht?“
Klaus schüttelte den Kopf.
„Mit dem Sänger und den Texten gibt das nichts“, fand er.
„Wieso? Man versteht doch eh nichts“, wandte Nina ein.
„Na, zum Glück. Das ist echt unterste Schublade. Teufel hier … Hölle da … alles ziemlich abgedroschener Satanskram“, erklärte er.
„Und woher weißt du das, wenn man den Sänger doch gar nicht versteht?“, interessierte es Nina.
„Weil ich die Texte gelesen habe, mein Schatz. Sarika hat sie neulich im Proberaum liegen lassen“, gestand er und grinste nun wieder.
Eine weitere Konversation mit ihm war nicht möglich, da die Band gerade wieder mit dem nächsten Stück einsetzte.
Klaus hatte also die Texte gelesen, die seine erwachsene Tochter im Proberaum hatte liegen lassen. War das okay?, kam es ihr kurz in den Sinn. Natürlich war das okay. Immerhin brüllte der Typ da vorne eben diese Songtexte gerade ziemlich öffentlich in die Menschenmenge. Solange Klaus nicht auch noch Sarikas Tagebuch oder ihre Post checkte, war doch alles okay. Im Grunde war es ja sogar sehr großzügig von ihm, dass er die Band seiner Tochter im Gartenhaus der Villa, das er vor Jahren mit seinen eigenen Bandkumpels zum Übungsraum ausgebaut hatte, üben ließ. Nicht alle Eltern wären damit einverstanden, wenn die Heavy Metal Band ihrer Zöglinge im heimischen Garten übte. Wenn die Kids dann mal ihre Noten und Texte liegen ließen, durften sie sich auch nicht beschweren, wenn die Altrocker aus Papas Kapelle mal einen Blick darauf warfen.
Applaus brandete auf, nachdem Sarika mit einem atemberaubenden Gitarrensolo das letzte Stück beendete und die Band dann hastig von der Bühne eilte, auf der sofort eine Schar von Technikern einfiel, um das Equipment abzubauen und durch anderes zu ersetzen. Nina war neugierig, welche Combo als Nächstes das abgelegene Tälchen bei dem kleinen Ort Weiselstein beschallen würde. Das Programm bei „Rock am Hang“ war wie immer bunt gemischt. Von Blues, über Deutschrock bis hin zu Metal war alles dabei.
Interessieren würde Nina im Moment aber mehr, was ihre Stieftochter Sarika gerade mit dem Sänger ihrer Combo diskutierte. Obwohl die beiden sich rechts neben der Bühne ziemlich lautstark stritten, konnte sie wegen der Umgebungsgeräusche auf so einem Festival kein einziges Wort verstehen.
„Was ist denn da los?“, fragte Klaus neben ihr, der den Streit nun ebenfalls bemerkt zu haben schien.
„Keine Ahnung. Aber wie es ausschaut, haben die beiden mächtig Stress miteinander“, schilderte Nina ihre Eindrücke.
Der lange blonde Sänger fasste Sarika nun am Arm und zog sie zu sich. Es schien fast, als wolle er sie küssen. Doch so weit kam es nicht mehr, da das Mädchen ihm ihr Knie in die Weichteile rammte, woraufhin er mit schmerzerfülltem Gesicht zu Boden ging.
„Jetzt reicht’s“, hörte Nina Klaus sagen, der seine Bierflasche auf die Theke knallte und Anstalten machte, zu seiner Tochter zu rennen. Nina fasste ihn hinten am T-Shirt und zog ihn zurück.
„Du bleibst schön hier, mein Lieber“, raunte sie ihm dabei zu.
„Aber …“
„Nix aber“, unterbrach sie ihn. „Deine Tochter ist alt und tough genug, um solche Probleme selbst zu klären“, erklärte sie und beobachte weiter. Sarika hatte sich abgewandt und ging nun in den Pavillon neben der Bühne, wo sie in aller Seelenruhe ihre Gitarre in den dazugehörigen Koffer packte. Die Schlagzeugerin der Band, ein dünnes, blasses Mädchen mit langen, gelockten Haaren, trat zu ihr, klopfte ihr auf die Schulter und sagte etwas. Der Sänger, Nina glaubte sich zu erinnern, dass der Fabrice hieß, ließ sich von einem Nina unbekannten langhaarigen Mann um die dreißig aufhelfen.
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