1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 „Wir machen uns auf den Weg“, gab Milten durch und hängte das Funkgerät wieder auf.
„Na klasse“, sagte Percy, „eine Leiche zum Frühstück. Was die beiden wohl mit uns wollen?“
„Wer waren noch mal Keglin und Mook?“
„Die zwei in die Jahre gekommenen Detectives, in den in die Jahre gekommenen Anzügen in ihrem in die Jahre gekommenen Auto, die gerne darüber reden, wie viele Tage sie noch davon entfernt sind, endlich in den Ruhestand zu gehen.“
„Ach die!“, sagte Milten und lachte kurz auf. „Die beiden sind doch ganz lustig. Waren wir nicht bei der Geburtstagsfeier von Keglins Frau? Ja doch, jetzt erinnere ich mich. Du hast dich geweigert, mitzukommen, und auf der Heimfahrt hast du mir dann erzählt, wie sehr es dir doch gefallen hat, und dass du gerne öfters weggehen würdest.“
„Beim großen Papper, behalt das bitte für dich, ja? Mein Bedarf an sozialem Umgang ist gering. Und die Geburtstagsfeier hat ihn nicht nur gedeckt, sondern geradezu vollgestopft.“ Percy seufzte. „Aber es war ein netter Abend. Und ich hab noch immer die Nummer von Mooks Nichte, vielleicht sollte ich da endlich mal durchklingeln. Jetzt wo ich bald einen neuen Mitbewohner brauche.“
„Ziehe ich etwa aus?“, fragte Milten verdattert.
„Früher oder später, Milten, früher oder später.“
In der 27th Mountain Drive stand ein alter Ford und dagegen lehnten zwei alte Beamte. Der eine in einem braunen, der andere in einem blauen Anzug. Zwischen den beiden war nicht der geringste Hauch von farblichem Gleichgewicht zu spüren. Der eine, Keglin, war ein Mensch, der andre, Mook, ein Moschusochse. Unter seinem Anzug steckte ein üppiges Fell und seine Hufe in zwei spezial angefertigten Schuhen.
Keglin hatte lange weiße Haare und einen dicken Bauch, auf dem er locker eine Tasse abstellen konnte.
Mook hingegen war fast schon ungesund schlank und sein schwarzes Fell war von grauen Strähnen durchzogen. Percy fuhr bis zu den beiden vor und deutete Milten an, das Fenster herunterzukurbeln. „Guten Morgen. Wir sind auf der Suche nach zwei kompetenten Kollegen, die um unsere verehrte Anwesenheit gebeten haben. Sind diese zwei Kollegen etwa Sie?“
Mook beugte sich langsam zum Fenster herunter. Sein Mund bewegte sich von einer Seite zur anderen, er kaute einen Kaugummi und seine Augen starrten mit halb geschlossenen Lidern in den Mustang. „Morgen, Percy“, sagte er und nickte ihm zu. „Milten“, sagte er und nickte dem Erfinder zu.
„Morgen, Mook, wie geht es dir?“
Der Moschusochse ignorierte die Frage und kam gleich zum Punkt. „Parken. Aussteigen. Herkommen.“
„Natürlich, Schatz“, sagte Percy, rollte langsam davon. Mook ging kopfschüttelnd zu seinem Partner zurück. Keglin goss etwas Kaffee in den Deckel seiner Thermoskanne und bot dem Moschusochsen einen Schluck an.
„Weißt du, Milten, Mook ist eine rare Gattung.“
„Ich weiß, es gibt nicht mehr so viele Moschusochsen, die Anzüge tragen.“
„Das meine ich gar nicht. Es wird so viel unnötiger Mist geredet. Aber Mook hier, den hab ich noch nie ein unnötiges Wort reden hören. Du vielleicht?“
„Jetzt, wo du es sagst ...“
Percy parkte den Wagen sauber vor dem alten Ford und setzte so weit zurück, dass es ihren Kollegen unmöglich war, ohne umständliches Vor- und Zurückgekurbel auszuparken. Die beiden Detectives stiegen aus und liefen zu ihren Kollegen.
Keglin trank seinen Kaffee, Mook kaute seinen Kaugummi. Hinter den beiden befand sich eines der Wohnhäuser, in dem zu viele Familien auf zu wenig Platz untergebracht waren. Der Betonklotz ragte weit in den Himmel, und es war nicht das erste Mal, das hier die Polizei vor dem Haus stand. Das Dach des Gebäudes war in der ganzen Stadt beliebt, wenn es darum ging, ein schnelles Ende zu finden.
In der Regel waren es die Polizisten aus der Akademie, die dann aufräumen durften. Milten hielt Ausschau, aber er konnte keinen jungen Polizisten entdecken, der eine zerfetzte Leiche auf eine Trage sortierte. Er wollte schon entspannt seufzen, da kam ein junger Beamter aus dem Gebäude. Seine Uniform war aufwendig gepresst und prahlte mit jeder Bügelfalte. Miltens Augen suchten sofort wieder den Boden ab.
„Wie geht es dir, Mook?“, fragte Percy.
„Gut.“
„Und deiner Frau?“
„Gut.“
„Und was macht der Ruhestand?“
„Noch 438 Tage.“ Der Moschusochse lächelte, wodurch seine gelben Zähne unter der Oberlippe hervorrutschten. Sein Atem roch nach Grünzeug und Pfefferminz.
„Und dann ist Schichtende, und zwar für immer“, fügte Keglin hinzu.
„Was wollt ihr zwei überhaupt den ganzen Tag machen, wenn ihr Rentner seid? Wo steht ihr dann in der Gegend herum und tragt eure alten Anzüge auf und vor allem, was soll aus eurem Ford werden?“, fragte Percy und zeigte auf das mokkabraune Gefährt mit den braunen Roststellen, die über die ganze Karosserie verteilt waren wie ein Ausschlag.
„Eigentlich gehört der Cortina ja der Stadt, aber sie werden ihn an mich abtreten. Für so gut wie nichts.“
So gut wie nichts?, dachte Percy. Wie alt ist der Karren? 30 Jahre?
„Ist das nicht schon ein Oldtimer?“, fragte Milten.
„Natürlich, der ist jetzt schon fast vierzig Jahre alt, ist aber auch ein feines Wägelchen. Und wenn wir in den Ruhestand gehen, also dafür haben wir uns auf jeden Fall schon etwas überlegt. Ich zumindest.“
„Und du, Mook, was willst du machen?“
„Habe eine Bell UH-1gekauft. Bin am Renovieren. Fast fertig.“
Der junge Polizist, der bis grade eben der Unterhaltung geduldig beigewohnt hatte, ergriff das Wort. „Meine Herren, dürfte ich Ihnen den Tatort zeigen?“
Milten wandte sich nicht an den Uniformierten mit der Bügelfalte, sondern an Keglin: „Warum habt ihr uns eigentlich hergerufen?“
„Da unten sitzt eine alte Bekannte von euch. Ich glaube, die solltet ihr euch mal ansehen. Jemand hat ihr ... Er wird euch die Details nennen“, sagte Keglin und zeigte auf den jungen Polizisten. „Wir gehen jetzt erst mal frühstücken.“
Milten warf einen Blick auf seine Taschenuhr. „Es ist gerade mal halb sieben morgens, da geht ihr schon frühstücken?“
„Klar“, sagte Mook und öffnete die Beifahrertür des Ford Cortina.
„Wir sehen uns auf der Wache ihr beiden, bis später“, verabschiedete sich Keglin.
„Wenn Sie mir bitte folgen würden“, sagte der junge Uniformierte, der sich als Dan Rivierie vorstellte. „Die Leiche wurde vom Hausmeister gefunden“, sagte er und führte sie in den Keller. „Es handelt sich um eine Frau, die ich auf Mitte dreißig schätzen würde. Sie trägt einen pinken Hosenanzug, jedenfalls war er mal pink.“
Bei der Erwähnung des pinken Hosenanzugs klingelten in den Köpfen der beiden Detectives die Alarmglocken. Milten und Percy tauschten einen Blick aus.
„Die Haut der Leiche weist Blasen auf und der gesamte Körper ist geschwollen. Auf dem Boden ist eine widerliche Pfütze aus Flüssigkeiten, machen Sie sich also auf den Geruch gefasst. Ich würde sagen, dass die Frau seit mindestens drei Tagen tot ist, der Gerichtsmediziner wird uns Genaueres sagen können, sobald er eingetroffen ist. Der Hausmeister hat sie gefunden, als sie anfing zu stinken. Bitte, hier entlang.“ Dan Rivierie öffnete eine Türe und schaltete das Licht im Gang ein. Kleine Stellräume mit Holzgittern davor reihten sich aneinander, dahinter befand sich Gerümpel, das unter dem eigentlichen Wohnraum der Mieter gelandet war. Kisten mit Büchern, Kühlschränke, die vor sich hin brummten, und Kartons mit Dingen, die nie jemand vermissen würde, wenn sie von jetzt auf nachher verschwinden würden. In der Luft lag ein Geruch und während sich Dan Rivierie die Nase mit einem Tuch verdeckte, folgten ihm Milten und Percy, als könnten sie überhaupt nichts riechen. Der Gestank des Todes machte ihnen nichts aus, lediglich der Anblick war selbst für den abgebrühtesten jedes Mal aufs Neue ein Schock.
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