Dass der nach seiner „unterschlagenen“ Konfirmation nicht mehr christlich - gläubig orientierte , aber Alles auf maßlos übertriebene Weise auf seine persönliche Existenz beziehende und „verstehende“ N in diesen „kurzen Momenten“ - die doch für ihn, von seinem Gefühl her, einen hoch bedeutungsvollen Stellenwert besaßen! - etwas sehr anderes „erkennen“ und „verstehen“ wollte, konnte und sogar musste, als Emerson gemeint haben mag, war nicht zu vermeiden! Für ihn galt schließlich als Grundeinstellung, wie er einmal geschrieben hatte: Ein Spiegel ist das Leben [man erkennt darin nur sich !] In ihm sich zu erkennen, Möchte ich das erste nennen, Wonach wir nur auch streben.!! BAW1.32
Geschrieben hatte er das zur Zeit seiner auf der Schönburg eroberten „Herrscheramtlichkeit“! Damit meinte N sich und seine Stellung zum Leben. Warum sollte N - da doch die Beschreibungen Emersons, wenn man dabei „auf nichts Anderes“ und vor allem nicht an „die Anderen“ zu denken kam - so wunderbar genau auf Ns Umstände „ passten “, sich dabei etwas anderes denken, als dass Er damit gemeint wäre und ein Recht hätte, darin „sich zu erkennen“ und wie sonst nirgends „so zu Hause und in meinem Hause“ zu fühlen „als - ich darf es nicht loben, es steht mir zu nahe“ 9.588- so, wie auch das, was Emerson folgen ließ. Denn Emersons an sich naiver Subjektivismus lieferte - selbstverständlich vollkommen unfreiwillig - dem militant subjektivistischen N eine Reihe von Sprüchen und „Weisheiten“ - wofür er sie nahm! - und diese in ihm „angeborener“ Beliebigkeit auch auf seine absence-artigen „Aussetzer“, seine immer wiederkehrenden „höheren Momente“ als innerlich verselbständigte „Erlebnisse“ seiner Seele beziehen konnte. Überdies wurde ihm damit sogar eine schmeichelhaft ins genialisch Elitäre zielende „Wertung“ beschert, - oder, wahrscheinlicher noch! - bedeuteten diese Sprüche für N, gemessen an der Verunsicherung, die ihm die unerklärten „Momente“ in seinem Leben bis dahin geboten hatten, eine gerne angenommene „Aufwertung“, die seine Natur „den Anderen“ voraus zu haben versprach, - wenn er nur daran glaubte! - Und also glaubte er daran! Fest und unabkömmlich!
Aufgrund dieses „Paktes“ innersten Einverständnisses hatte Emerson für N zu einem Tabu zu werden! Emerson aufzugeben hätte für N, entgegen allen anderen aufgegebenen Anhänger- oder Seelenverwandtschaften, wie zu Schopenhauer und Wagner nicht Befreiung, sondern Selbstaufgabe , ja Selbst vernichtung bedeutet! Es gab da keinen Ersatz! Mit Emersons Sprüchen und Rechtfertigungen wären N alle „schulgesetzmäßigen Berechtigungen“ seiner elitär- und radikal-aristokratisch orientierten „Existenz“ abhandengekommen. Das war ausreichend Grund, weshalb der ansonsten unstete, an nichts auf Dauer gebundene N sein Leben lang ohne die geringsten Krisenzeichen oder Emanzipations- oder „Kettenabwurfzwänge“ an Emerson im wahrsten Sinne des Wortes gefesselt und gekettet blieb.
In den vorangegangenen Beispielen von Emerson-Textstellen, die Ns Wesen, Wollen, Vorlieben, ja geradezu seine gesamte Person sowie sein späteres „Philosophieren“ gleichsam durchscheinen lassen, ging es ausnahmslos um Vorrecht, Erwählt-sein, Größe und „Herrschaftsamt“. Es ging um Ns sprichwörtlich gewordenen „Willen zur Macht“, Recht zu haben in jedem Fall und - wie es Richard Wagner im Bereich der Musik an Einfluss scheinbar gelungen war: - um ein wiederum maßlos allmächtiges Wirken des hochsubjektiv empfundenen Ichs „vor allen Anderen“, - in geradezu göttlicher Außerordentlichkeit! Es ging darum - wie von Emerson unterstellt! - ausschließlich dem eigenen Gedanken Glauben zu schenken und nichts sonst gelten zu lassen.
Dass das alles - wie auch „die Feuerbläser der Inspiration“ EE.48- in der absoluten Subjektivität von Ns Sein verankert blieb, zeigt, wie sehr von ihm die Beziehung seiner besonderen Seele zum von göttlicher Gnade vermittelten Geist und all der damit verbundenen Macht und Heiligkeit - ernsthaft und nie selbstkritisch ! - wahrgenommen wurde. Dazu lebte er zu eingeschränkt in sich und nur aus sich - ohne die Position eines Andren wahrzunehmen. Er forderte ein neues „Bewusstsein“, neue Wertungen und Gesetze und das Aufgehen aller Dinge im hochgelobten Einen, - der letztlich aber nur er selber war! Das waren fortwährende Fluchten aus der mit „den Anderen“ vergleichbaren Gewöhnlichkeit in auf hochgestochene Weise übertriebene Ideale, wie man den „Weg der Größe“ 4.194beschreitet, sich selbst ausreichend wichtig nimmt und immer wieder gegen die triste, so leicht durchschaubare, unverzauberte, durch keine hohlen Phrasen überhöhte Wirklichkeit anrennt - bis hin zu den zuletzt gemachten Erkenntnissen der „höheren Seele“ die Emerson N in herrlichster Überhöhung vorgeführt hatte. Sie wiederholen sich, ergänzen und übertrumpfen einander, aber es blieb immer beim Selben: Bei unkonkret auf nichts Realistischem fußendem Geschwafel von Größe und Besonderheit in tausenderlei Facetten. Dabei sind für Ns seelische Abhängigkeit von Emerson erst Beispiele aus der ersten Hälfte von Emersons „Essays“ vorgeführt. Einige müssen noch folgen. Es ist inzwischen bekannt, worum es N immer wieder ging. Die folgenden Beispiele mögen als bestätigende Zugaben gelten:
Denn wenn die Seele uns mit einer Wahrheit bekannt macht von etwas [das hieß für N: wenn Er sich selbst entschloss, etwas für wahr zu halten, weil es seinen Empfindungen entsprach!], so ist dies das höchste Ereignis in der Natur, denn sie gibt dann nicht etwas von sich, sondern sie gibt [in allzu enger Identifikation!] sich oder wird zu dem Menschen, den sie erleuchtet; oder sie bemächtigt sich seiner, im Verhältnis zu der Wahrheit die er empfängt EE.206[der dann - aber woran ? - unterscheiden kann, ob es sich nicht doch um einen Irrtum handelt? Von Emerson her war diese Aussage von einem christlich Gläubigen gemacht worden, aber N kümmerte diese Art von Moralität nicht! Er benutzte in seiner selektiven Art wahrzunehmen, was er gebrauchen konnte und änderte bzw. korrigierte je nach Bedarf - dabei sich als das Maß aller Dinge und aller Moral nehmend! - wie bereits als Pfortaer Schüler, wo er anderer Meinung war.
All die von Emerson angeführten Elemente des „höchsten Ereignisses in der Natur“, der „Erleuchtung“, der „empfangenen Wahrheit“, waren N wesensmäßig bekannt und von daher problemlos aus selbstmittelpunktlicher Perspektive als Ausdrücke für das eigne Befinden zu benutzen und sich selbst auf diese Weise zu erklären.
Wir bezeichnen die Verkündigung der Seele, ihre Kundgebung von ihrer eignen Natur mit dem Ausdruck Offenbarung [diese abergläubische und geradezu mittelalterliche Vorstellung leuchtete N ein weil sie seinem Wesen entsprach!]. Diese sind immer von erhabenen Wallungen [auf die N geradezu versessen war!] begleitet. Denn eine solche Mitteilung ist das Einströmen des göttlichen Geistes in unseren Geist. Es ist die Ebbe des individuellen Baches vor den flutenden Wogen der See des Lebens. Jede klare Vorstellung von diesem zentralen Gebot erfüllt die Menschen mit Ehrfurcht und Entzücken. Ein Wonne-Schauer durchbebt Alle bei der Empfängnis einer neuen Wahrheit, oder bei dem Vollbringen einer großen Handlung, die aus dem Herzen der Natur hervorgeht. EE.207[Wozu aber ein - woran gemessenes? - Bewusstsein von der „Größe dieses Momentes“ gehört! Und dieses „Bewusstsein“ hing bei N von nicht viel anderem ab, als von seinen eignen, für sich selber durchaus nicht unparteiischen Gefühlen !]
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