„Ja, gewiss. Auf jeden Fall, wenn du dich im Sumpf verstecken willst. Da findet dich niemand.“
„Haha, unheimlich komisch. Ich kann doch nichts dafür, dass die Zwerge ihre tollen Rüstungen nicht aus Gold und Silber fertigen können. Die machen sie auch, aber da kannst du mit dem Holzschwert durch stechen. Dies aber … .“
Nat verstummte, als etwas gegen seine Brust schlug. Er blickte an sich herunter. Zu seinen Füßen lag ein Pfeil. Es dauerte noch einen kurzen Moment, dann hatte er begriffen, dass er soeben angegriffen worden war. Mit einem Aufschrei stieß er Tally zur Seite, so dass sie gegen die getünchte Wand eines Hauses taumelte. Der Pfeil, der sie ansonsten in den Oberkörper getroffen hätte, zischte vorbei und blieb zitternd im Holz einer Karre stecken.
Nat zog sein neues Schwert und stürmte vor. Dabei machte er immer wieder kurze Sprünge nach links und rechts, um dem auf ihn lauernden Schützen ein möglichst schlechtes Ziel zu bieten. Ein weiterer Pfeil surrte haarscharf an seinem Ohr vorbei. Nat sah sich drei Männern gegenüber, zwei mit Pfeil und Bogen bewaffnet, einer mit Schwert und Schild. Wer diese Männer waren und warum sie ihn angriffen, wusste Nat nicht, aber das war schließlich auch egal. Es galt, diese Gefahr für Tally und sich abzuwehren.
Hinter sich hörte er einen wütenden Aufschrei, doch er nahm sich nicht die Zeit, sich umzusehen. Noch drei lange Sätze, dann stand er vor den Angreifern. Einer der Bogenschützen hatte sich einige Schritte zurückgezogen und zog soeben einen neuen Pfeil aus dem Köcher an seiner Hüfte. Der andere hatte Pfeil und Bogen fallen lassen und griff nach dem kurzen Schwert, dass an seiner Hüfte hing.
Nat teilte zwei kurze und wuchtige Schläge nach links und rechts aus. Dem Bogenschützen wurde das Schwert aus der Hand geprellt und die Spitze von Nats Schwert schlitzte ihm den Oberschenkel auf. Mit einem Aufschrei fiel er auf die Knie. Der andere Angreifer hatte sein mit Eisen verstärktes Holzschild hochgerissen. Nats Elfenschwert schnitt durch das Schild wie die Sense durch das Korn. Die Wucht des Schlages ließ den Schildträger lang hinschlagen. Dadurch entging er knapp der Schwertspitze.
Mit einem weiteren Satz stand Nat vor dem Bogenschützen. Er rammte ihm aus vollem Lauf die Schwertfaust ins Gesicht. Mit einem Krachen brach die Nase des Mannes, er stürzte tonlos nach hinten und blieb ohnmächtig liegen. Sofort drehte Nat sich wieder um, sein Blick ging zu Tally. Die musste sich der Angriffe zweier Männer erwehren, einer mit einer kurzen Axt, der anderen mit einem Speer bewaffnet. Eine Falle, sie waren in eine gut aufgebaute Falle getappt. Ihr Glück, dass das Zwergenkettenhemd den ersten Angriff abgefangen hatte, sonst wäre es schwierig geworden.
So war die Situation schon entschärft, die beiden verbliebenen Angreifer auf Nats Seite rappelten sich mühsam auf, um sich ihm in den Weg zu stellen.
Um Tally machte Nat sich keine Sorgen. Sie war die beste Kämpferin, die er kannte und hatte ihm viel beigebracht, von dem was ihn in Kämpfen am Leben erhielt. Gegen zwei Männer, die von den Kampffähigkeiten höchstens Gossenniveau hatten, würde sie keine Schwierigkeiten haben.
Die beiden Angreifer versuchten, sich drohend aufzubauen, doch die Blicke des einen irrten bereits nach hinten, auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit.
Nat täuschte einen gewaltigen Angriff gegen den rechten Gegner an. Als der erschrocken zurück sprang, ging er blitzschnell in die Knie und trat dem anderen Angreifer mit einer langen Bewegung die Beine weg. Der Mann krachte zu Boden, der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen. In einer fließenden Bewegung sprang Nat wieder auf und stieß das Schwert in Richtung des zurückgewichenen Gegners. Der hatte sich mit hoch erhobener Waffe auf Nat stürzen wollen, doch plötzlich kitzelte ihn die Schwertspitze seines vermeintlichen Opfers am Kinn. Er erstarrte zur Salzsäule, spürte, wie die Schwertspitze die Haut durchdrang. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er auf den jungen Mann, der ihn von der anderen Seite des Schwertes aus kalt fixierte. Das Schwert fiel dem Angreifer aus der erhobenen Hand, Tränen schossen ihm in die Augen. Nats linke Faust, die ihn wuchtig am Kinn traf, sah er gar nicht kommen. Der Treffer schleuderte ihn herum, ließ ihn gegen die Wand prallen. Lautlos sank er zu Boden, schon ohnmächtig, bevor er den Boden berührte.
Nat wirbelte zu dem letzten Angreifer herum. Der hatte sich aufgerappelt und ergriff mit schnellen Sprüngen die Flucht. Nat griff nach Pfeil und Bogen, die auf dem Boden lagen, riss sie hoch, zielte und schoss. Der Pfeil beschrieb einen flachen Bogen und durchschlug die vor einem Fenster aufgespannte Schweinsblase.
Verdammt, mit Schwertern und Äxten hatten sie ihm alles Mögliche beigebracht. Aber Pfeil und Bogen? Da konnte er besser mit den Pfeilen werfen als sie zu schießen. Der Flüchtende hechtete um eine Ecke und war verschwunden.
Nat atmete tief durch, dann drehte er sich um zu Tally.
„Alles in Ordnung?“ Nat zuckte zurück, weil sie bereits direkt hinter ihm stand.
„Ja, alles klar.“ Er sah über ihre Schulter zu den am Boden liegenden Männern.
„Hast du sie am Leben gelassen?“
Tally zuckte die Schultern.
„Einen Moment lang habe ich darüber nachgedacht. Aber die Gefängnisse sind schon so voll, wir haben besseres zu tun, als uns mit solchem Gesindel abzugeben und vermissen wird die doch auch niemand.“
Sie verzog ihr Gesicht zu einem breiten Grinsen, als sie das entsetzte Gesicht ihres Geliebten sah.
„Natürlich hab ich sie am Leben gelassen, du Dummerchen. Zwei solch armselige Kämpfer zu töten wäre eine echte Schande.“
Sie blickte sich aufmerksam um. Als sie die Gasse entlang sah, wurde ihr Grinsen noch breiter.
„Na, wieder versucht mit Pfeil und Bogen zu schießen?“
Aus dem Haus, in das Nat den Pfeil geschossen hatte trat schimpfend eine Frau. In der Hand hielt sie einen großen Schinken in dem Nats Pfeil steckte.
Nat ließ den Bogen fallen, als hätte er sich die Finger verbrannt. Der wilde Blick der Frau schoss die Gasse hoch und runter. Dann drehte sie sich um und verschwand schimpfend wieder in ihrem Haus.
Tally und Nat sahen sich an, dann brachen sie in lautes Lachen aus. Als sie sich wieder beruhigt hatten, blickte Nat auf die regungslosen Männer um sich herum.
„Wir sollten sehen, dass die Kerle in Gewahrsam kommen. Und vielleicht könnte … mein … mein Vater veranlassen, dass sie verhört werden. Es würde mich doch brennend interessieren, wer glaubte, uns töten zu müssen.“
Er klopfte mit stolzem Grinsen auf seine Brust.
„Wenn meine Rüstung nicht gewesen wäre … .“
„Dann hättest du nicht ausgesehen wie ein Kampffrosch, als du auf die Männer los gestürmt bist.“ Tally lächelte den jungen Mann zuckersüß an. Dann strich sie über die Weste.
„Nein, du hast Recht. Ich bin deinem Vater sehr dankbar, dass er dir ein solches Geschenk gemacht hat. Dann muss ich nicht ganz so viel Angst um dich haben.“
Sie packte ihn bei den Haaren, zog ihn dicht an sich heran und küsste ihn fest auf den Mund.
Dann schob sie ihn von sich.
„Und bevor du jetzt auf dumme Gedanken kommst, wecken wir diese Mistkerle auf und treiben sie in das Notgefängnis zwei Straßen weiter.“
Sie beugte sich zu den Ohnmächtigen, holte sie mit kräftigen Ohrfeigen in die Wirklichkeit zurück und trieb sie dann, mit gezogenem Säbel vor sich her.“ Das ist gar nicht gut. “
Jorina starrte brütend auf den Tisch. Neben ihr saßen Parlass Walgardsson und Thorbeil Armstark.
Auch Walgardsson starrte in die Luft, während sein Freund beide Hände vors Gesicht geschlagen hatte.
„Das hat etwas zu bedeuten. Die Elfen verschwinden nicht so einfach, nur weil das Heimweh sie quält. Entweder hecken sie etwas aus oder sie haben Angst.“
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