da brauchts auch den Tod,
der das Leben beschließt.
So schufen die Götter
Zum Leben den Tod.
Die Sterbenden sah’n ihn
In Schwarz und in Rot.
Stets dann wenn ein Leben
Kam an sein End,
dann reichte der Schnitter
dem Wesen die Händ.
„ Des Schnitters Sense“ von Galfir Galbrandsson
Der Pfeil beschrieb einen flachen Bogen und durchschlug die vor einem Fenster aufgespannte Schweinsblase.
Mit langsamen schlurfenden Schritten näherte Siegoin sich den niedrigen Hütten und Zelten. Sein Blick hing wie gebannt an dem Monolithen, der aufgrund seiner Größe und seiner Präsenz die gesamte Lichtung beherrschte. Hatten zum Zeitpunkt von Siegoins Initiation noch Pflanzen in einigen Schritt Abstand zum Monolithen gestanden, so war jetzt ein Bereich von mehr als dreißig Schritten in jede Richtung völlig frei von jeder Pflanze und jedem Tier. Nicht einmal in der Erde lebten noch Würmer, Käfer oder andere unterirdische Bewohner. Der Monolith beherrschte den gesamten Bereich. In der Nähe hatten die Nekromanten einen festen Verschlag gebaut, hier hatten sie die Neulinge eingesperrt, bis der Monolith die Herrschaft über sie übernommen hatte. Einige waren dabei gestorben, die finstere Macht des Monolithen war zu viel für ihre schwachen Gemüter gewesen. Doch die meisten hatten sich der Macht hingegeben und waren jetzt willfährige Diener. Es gab inzwischen mehr als sechzig von ihnen, wobei viele noch keine Gelegenheit gehabt hatten, ihre Kräfte an einem höheren Wesen als einem Tier einzusetzen. Als die Brücke zerstört wurde, hatten etwa zwanzig von ihnen sich bereits der Nekromantie verschrieben und die anderen Bewohner der Insel entweder zu Untoten gemacht oder dem Monolithen zugeführt.
So schlecht vorbereitet würden sie keine große Hilfe sein, wenn es gegen kampfbereite Krieger oder willensstarke Opfer gehen würde. Siegoin hatte daher für sich gedacht, dass er einige von ihnen mit dem Drachen nach Iskandrien bringen wollte. Er würde sie dann absetzen und mit ihnen einsame Gehöfte oder kleine Lager überfallen. Allerdings konnte der Drache sicher nicht mehr als vier Leute tragen, eingebettet in seinen Rippen, nicht, wenn man auch noch Gebundene mit zurück nehmen wollte. Dabei mussten Siegoin und Rrordrak zwingend dabei sein, da nur durch ihre Kräfte der Drache überhaupt zu leiten war. So blieben nur zwei Plätze für Novizen. Zudem musste er darauf achten, an keiner Stelle zweimal seine Kräfte einzusetzen, da sich sonst schnell herumsprechen könnte, dass auf Iskandrien gezielt Nekromantie angewandt wurde. Und die Insel war klein, sie ließ den Kämpfern der Völker, die Arkadien befreit hatten die Möglichkeit in wenigen Tagen jeden Punkt der Insel zu erreichen und dort auf Siegoin zu warten.
Nur hierher konnten sie nicht kommen. Diese Insel war so sicher wie es nur möglich war. Auch wenn davon auszugehen war, dass man inzwischen wusste oder vermutete, wo das Lager der Nekromanten war, so hätte man doch keine Möglichkeit, die Insel zu erreichen.
Eigentlich Schade. Siegoin stellte sich vor, wie die Angreifer sich an einem langen Seil über die Kluft zur Insel hangelten. Sobald sie dann einen Fuß auf den Boden Monolithiens setzten, würde ein Nekromant sie empfangen und sie zu Kämpfern für den Sieg des Monolithen machen. Oder man würde sie auf die Lichtung locken und dem Monolithen damit neue Anhänger zuführen.
Dass sie sich durch die Erde wühlten war eher unwahrscheinlich. Und selbst wenn, sie würden dafür viele Tage brauchen und am Ende auch nur wie die Tropfen von einem undichten Strohdach auf der Insel landen. Auch dann konnte man sie mühelos für die Sache des Monolithen rekrutieren.
Aber das lag alles in der Zukunft, denn zunächst musste Siegoin wieder zu Kräften kommen. Die Nähe zum Monolithen ließ ihn schnell regenerieren, aber sicherlich würde er noch einige Tage brauchen, bis er wieder in voller Stärke seine Macht einsetzen konnte.
Er würde dann einen Ausflug zu den Barbaren machen. Er wusste, wie schwer es war, einen Zwerg zu einem untoten Diener zu machen und wie ungleich leichter es bei einem Menschen war. Ein Barbar musste da doch schon fast ein Kinderspiel sein, mit seinem einfachen Wesen. Aber ein Elf, ja wie wäre es wohl die Seele eines Elfen an sich zu binden. Siegoin musste zugeben, dass er etwas Angst davor hatte, die Seele eines Elfen zu übernehmen. Dabei war das alt überliefertes Denken, dass ihn schreckte. Das sollte er doch eigentlich hinter sich gelassen haben.
In seiner früheren Vorstellung waren Elfen so reine Wesen, mit ihrer besonderen Schönheit und Unnahbarkeit. Mit der Schönheit hatten die Götter es gut mit ihnen gemeint. Doch die Unnahbarkeit entstand aus ihrem unerträglichen Hochmut. Und dass auch der endlich war, hatte Siegoin bei den Elfen festgestellt, die sich Rrordraks Banden angeschlossen hatten. Auch in diesem ach so besonderen Volk gab es genug schwarze Schafe, die ihre Haine verließen, die mordeten und raubten, einfach weil sie es wollten.
Pirrdor hatte die größte dieser Banden begleitet und Siegoin und er hatten sich einmal auf Iskandrien getroffen. Dabei hatte Pirrdor berichtet, dass auch die Elfen der Bande genauso blutrünstig und derbe waren, wie alle anderen. Im Lager machten sie einen Eindruck von Hochmut und Unantastbarkeit, aber im Kampf verloren sie ihre Zurückhaltung und waren genau so brutal und schlecht wie die Zwerge und Barbaren neben ihnen. So viel also zu den reinen Seelen. Da war dem Nekromanten doch die unverfälschte Wildheit der Barbaren lieber. Niemand der sich mit einem Barbaren einließ erwartete Tiefschichtigkeit und schwer zu verstehendes Verhalten. Der Barbar nahm sich was er wollte und legte sich mit jedem an, der ihm dabei im Weg war. Manchmal auch mit einem, der in der Nähe stand. Es musste auch nicht die nächste Nähe sein. Es war auch egal, ob Mensch, Tier oder Ding. Hauptsache anlegen.
Siegoin verspürte fast so etwas wie Belustigung bei diesen Gedanken.
Langsam blickte er sich um. Es waren kaum Nekromanten in der Nähe des Monolithen, doch vereinzelt standen Untote herum. Auch das war ein Umstand, an den man sich erst gewöhnen musste. Wenn die Nekromanten den mit ihnen verbundenen Seelen keinen neuen Auftrag gegeben hatten, dann blieben sie dort stehen, wo der vorhergehende Gedankenbefehl endete. Daher standen sie teilweise willkürlich in der Gegend herum, ohne jeglichen Sinn oder Nutzen.
Siegoin dachte an einen anderen Nekromanten, der sich immer einen Spaß daraus machte, seine Untoten wie Tiere in einem Pferch zu halten. Jeder Gedankenbefehl, den er seinen Untoten gab, endete damit, dass der Untote wieder in den Pferch ging und dort stehen blieb. Siegoin gefiel die Ordnung und Einfachheit, die sich daraus ergab.
Er selber musste sich um solche Dinge keine Gedanken machen. Seine Kraft war inzwischen so groß, dass er mit einem Gedankenbefehl alle seine Helfer erreichen und sie zu sich befehlen konnte. Wozu brauchte man dann noch einen Pferch. Ärgerlich war nur, dass manchmal einer seiner Diener, den er vielleicht mit einem Auftrag an das hinterste Ende der Insel geschickt hatte, lange brauchte, um wieder in Siegoins Nähe zu kommen. Sehr störend.
Mit schweren Schritten ging Siegoin auf das Zelt zu, das dem Monolithen am nächsten stand. Hier würde er jetzt einige Stunden ruhen, würde seine Kräfte durch die Nähe zum Monolithen wieder auffüllen, aufbauen lassen.
Vielleicht wäre er dann schon heute Nacht wieder so weit bei Kräften, dass er mit zwei neuen Nekromanten in das Land der Barbaren fliegen konnte. Immer wieder blickte Tally mit einem leichten Lächeln auf Nat, in seiner Froschhaut.
„Warum grinst du, das Ding ist wirklich fantastisch.“
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