1 ...8 9 10 12 13 14 ...31 Siegoin nickte zustimmend, dann schlurfte er mit müden Schritten davon. Heißer, schwefelgelber Dampf zog durch die kleine Senke. Ein beißender Gestank breitete sich aus. Knacken und Blubbern waren zu hören und ein Geräusch, wie ein gedämpftes hohes Pfeifen.
Die Farbe des Dampfes änderte sich, ein fahles Rot, immer mehr verblassend, sich zu Rauch auflösend, der immer dünner wurde und verflog.
Dann war Ruhe.
Der Gestank verflüchtigte sich.
Ein leises Geräusch.
Ein vorsichtiger Schritt. Leises Rieseln von Sand.
Über den Rand der Senke schob sich ein Schatten, ein Kopf. Blicke irrten durch die Senke. Verharrten auf einer Stelle.
Ein enttäuschtes Seufzen.
„Verdammt, verdammt, verdammt. Weg, einfach weg. Aufgelöst, weggeflossen. Also gut, dreiundsiebzig … gescheitert.“
Ein Stein wurde gehoben, klatschte in den Sand.
„Irgendwann, … irgendwann kriege ich dich. Das ist schon mal sicher. Also von vorne anfangen. Vierundsiebzig. Alles neu.“
Der Schatten entfernte sich und ließ die kleine Senke, still und friedlich zurück.
Stille.
Dann näherte sich ein Vogel. Ein altes Tier, zerzaust, das Federkleid zerrupft und von Maden bevölkert.
Mit letzter Kraft landete er in der Senke, pickte nach den schimmernden Sandkörner, die gerade noch stinkend und qualmend die Luft vergiftet hatten. Er legte den Kopf in den Nacken und schluckte die Körner hinunter. Dem ersten Schnabel folgte ein zweiter und ein dritter.
Einen Moment lang stand er völlig unbewegt. Dann fiel er um, ein letztes Heben der Brust, dann völlige Ruhe.
Keine Bewegung.
Stille.
Mit einer fauchenden Lohe verbrannte der Körper des alten Vogels. Als die Flamme verlosch, stand an der Stelle, wo der Vogel gestorben war ein etwa handtellergroßer junger Vogel. Flammen umtanzten einen Moment seinen Körper. Orangerote Funken fielen zu Boden und verglühten im Sand.
Der Schnabel des Vogels öffnete sich wie zu einem langen Ruf, doch stattdessen schlug eine kleine Stichflamme heraus.
Das Feuer erlosch, die Flammen fielen in sich zusammen.
Ihnen entstieg der kleine Vogel, der munter durch die Senke hüpfte. Dann erhob er sich in die Luft und flog mit schnellen Flügelschlägen davon.
Zurück blieb eine leere, mit dunklem Sand gefüllte Senke.
Und Stille.
Vollkommene Stille.“ Ich habe keinen Zweifel an den Worten unserer Freunde, der Zwerge. Wenn sie sagen, dass es keinen Weg mehr gibt, von der Insel zu kommen, dann wird es so sein.“ Verärgert schüttelte Kalistan den Kopf. „Aber mit diesem Wissen dürfen wir uns nicht zufrieden geben. Der Nekromant verfügt jetzt über ein Flugtier, das ihn jederzeit nach Iskandrien bringen kann. Außerdem wissen wir nicht, wie viele Nekromanten es auf der Insel gibt. Vielleicht stehen wir plötzlich in unseren eigenen Ländern einer kleinen Armee von Nekromanten gegenüber. Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen. Wir müssen vorher versuchen, die Insel anzugreifen.“
Er wandte sich Thibold Eisenhammer zu.
„Ihr spracht davon, dass es eine Brücke gab, die die Zwerge gebaut hatten. Wie lange würde es dauern, eine solche Brücke erneut zu bauen?“
Schulterzuckend blickte der Anführer der Zwerge ihn an.
„Wir müssten zunächst die Steine entwerfen, weil es sich um sehr besondere Formen handelt, die ineinander greifen und sich gegenseitig halten. Es gab alte Aufzeichnungen, doch die sind bei einem Brand vernichtet worden. Dann müssten diese Steine geschlagen werden. Auch wenn wir alle Zwerge darauf ansetzen, die nicht für den Wiederaufbau gebraucht werden, würde alleine das viele Umläufe dauern. Und es gibt zu bedenken, dass man sich nur sehr langsam und vereinzelt der Insel nähert. Damit gibt man den Nekromanten die besten Möglichkeiten weitere Angehörige meines Volkes in ihre untote Finsternis zu zerren.“
„Was wäre mit Seilbrücken“, meldete Thorbeil Armstark sich zu Wort.
„Dafür ist der Abstand zwischen den beiden Küsten zu groß. Man könnte mit einem guten Pfeilschuss oder einer Balliste das andere Ufer erreichen, doch die wären nicht stark genug, um über diese Strecke ein Tau hinter sich her zu ziehen, das sich dann auch noch fest auf der Insel verfängt. Das ist keine Möglichkeit.“
„Ein Schiff?“ Für Tally, als erfahrene Captrecce gab es eigentlich fast immer eine Möglichkeit mit einem Schiff in die Nähe einer Küste zu gelangen. Dann konnte man sehen, ob man nicht mit Booten auf die Insel gelangen konnte.
„Ich denke nicht.“ Mit einer abwehrenden Handbewegung schüttelte der Zwerg den Kopf.
„Ich kann das nicht so gut erklären. Ich bin kein Seemann … .“ Er schauderte innerlich bei dem Gedanken. „ … aber diese Insel ist wie … ich finde kein passendes Wort dafür. Um diese Insel herum tobt seit einigen Umläufen das Meer, als wäre gerade ein gigantischer Sturm. Es mag an der Küste das laueste Lüftchen wehen, dass sich gerade ein Blatt am Baum bewegt, aber das Wasser um die Insel ist aufgewühlt und umströmt die Insel mit unglaublicher Heftigkeit.“
Tally nickte verstehend.
„Ich weiß, was ihr sagen wollt. Wir sollten versuchen, die Insel zu umrunden, um nach einer Möglichkeit zu suchen. Aber wir dürfen nicht zu dicht heran, weil das für ein Schiff viel zu gefährlich wäre.“
Thibold Eisenhammer sah sie prüfend an, aber als er merkte, dass ihre Worte aufrichtig ernst gemeint waren, grunzte er zustimmend.
Die Runde schwieg. In allen Köpfen arbeitete es, bei dem Versuch eine Lösung für das Problem zu finden.
Zögernd meldete Nat sich zu Wort.
„Also, das heißt für mich, wir haben fünf Aufgaben.“ Er blickte in die Runde, in gespannte Gesichter.
„Wir müssen die Bewohner Iskandriens informieren, dass sie die Augen offen halten, falls Nekromantie eingesetzt wird und uns unverzüglich darüber unterrichten. Dann müssen wir eine Einsatzarmee bereithalten, die sofort dorthin gehen kann, wo die Nekromanten möglicherweise versuchen auf Iskandrien Fuß zu fassen.“
Thorbeil Armstark setzte zu einer Entgegnung an, aber Jorina legte ihm die Hand auf den Arm.
„Die dritte Aufgabe ist, die Zerstörungen in Arkadien wieder zu beheben und in den anderen Städten und Dörfern, in denen Rrordraks Männer gewütet haben. Als viertes müssen wir die Küste von Borgkarst erreichen und nach einer Möglichkeit für den Weg auf die Insel suchen. Und als letzte Aufgabe sehe ich, mit einem Schiff um Iskandrien herum zu segeln und die Insel vom Meer aus zu erkunden.“ Ein kurzes Zögern. „Oder?“
„Du hast Recht, Sohn.“ Nat rieselte ein warmer Schauer über den Rücken, als er dieses Wort hörte. Bis gestern hatte er geglaubt, dass sein Vater tot wäre. Jetzt wusste er, dass sein Vater lebte und noch dazu einer der größten Helden der Menschen war und der Kanzler von Arkadien.
„Aber die zweite Aufgabe, die du benanntest ist nicht so einfach, wie sie klingt. Parlass wird dir bestätigen können, dass das mit diesen Meldungen nicht so leicht ist. Die Zwerge, die Elfen und die Barbaren werden niemals einer Armee, nicht einmal einer gemeinsamen, Bescheid geben, wenn in ihrem Land eine nekromantische Gefahr auftaucht. Jeder wird das alleine erledigen wollen und sich nicht in die Schuld der Anderen begeben wollen. Wir Menschen aber, werden jede Kleinigkeit melden und auch versuchen, eine solche Armee für unsere Zwecke einzusetzen.“
Mit verstellter Stimme fuhr er fort.
„… aber wenn ihr schon mal hier seid. Mein Nachbar, der … . Könnt ihr ihm auf dem Weg nicht schnell mal den Kopf abschlagen. Ich kümmere mich auch um sein Land, sein Vieh und seine Frau.“
Nat kicherte. Auch die Anderen konnten ein Grinsen nicht verkneifen. Parlass Walgardsson bestätigte die Worte seines Freundes mit schwerem Nicken. Wenn er nur an die letzten Stunden zurück dachte und die unüberschaubaren Forderungen, mit denen die Stadtbewohner Hilfe erflehten. Und die Hintergründe, die ihm dann von Pangratius und Baldun erläutert wurden. Er hätte schreien können. Ja, so waren die Menschen nun mal.
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