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Das Regal mit den Büchern faszinierte ihn, so etwas hatte er am allerwenigsten erwartet, vielleicht konnte er etwas über seine Entführer erfahren. Er ging zu dem Regal und betrachtete es. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sie ihn beobachteten. Sie waren wohl neugierig, was er tun würde. Er sah sich die Buchrücken an. Was sollte er mit den Büchern anfangen? Lesen konnte er nichts, er kannte weder die Sprache, noch die Schrift. Es waren natürlich fremdartige Schriftzeichen auf den Buchrücken, sie sahen irgendwie aus wie chinesisch, aber er hatte den Eindruck, dass es nicht chinesisch war, das wäre noch etwas gewesen, Besucher aus dem Weltraum, die chinesisch schrieben, nein, das wäre gar zu fantastisch. Aber es hätte ihm auch nicht geholfen, er konnte kein Chinesisch.
Was für eine Sprache hatten sie überhaupt? War es ein Gezwitscher, wie in manchen Filmen? Oder hatten sie tiefe Bassstimmen? Und was für eine grammatische Struktur hatte die Sprache? War es eine synthetische mit vielen Flexionen, so wie Latein oder Russisch? Oder war sie ohne diese Flexionen, so wie Englisch oder Chinesisch, ohne eigentliche grammatische Strukturen? In den meisten Geschichten wurde das nicht behandelt, vielleicht auch weil die Autoren keine Ahnung von Sprachen hatten. Vielleicht würde er es erfahren, er musste also erst einmal warten. Aber es würde sicher nicht einfach werden. Aber er hatte es aufgegeben, mit ihnen in Kontakt zu kommen, sie hatten ja überhaupt keinen Kontakt zu ihm aufgenommen und auf keine Fragen geantwortet. Er musste daher wohl einfach warten, bis sie mit ihm Kontakt aufnahmen.
Ein Buch fiel ihm auf, es war dunkelblau, hatte lauter kleine helle Punkte darauf, es sah aus, wie der Sternenhimmel. Er nahm das Buch heraus, es war nur der unleserliche Titel darauf zu sehen und ein kleiner roter Pfeil, der auf ein kaum sichtbares Pünktchen wies und an dem ein kurzer Text war. Er schlug es auf, er blätterte es durch, es war nur unleserlicher Text darin zu sehen, enttäuscht schob er es zurück.
Er sah sich die anderen Bücher an, wie üblich, nichts Besonderes. Es gab eine Reihe von Büchern, die ihn interessierten. Es waren mehrere Bücher, die jeweils eine Kugel, die irgendwie bunt war, auf dem Rücken trugen. Sie waren unterschiedlich dick. Es waren neun Stück. Eines war besonders dünn. Er zog es heraus, blätterte darin, es war wohl eine Beschreibung eines unbewohnten Planeten, es war an den Bildern zu sehen. Es fiel ihm auf, es waren neun Bücher, also waren es vielleicht die Bücher über das Sonnensystem, es musste also auch ein Buch über die Erde geben.
Wieder gab es das summende Geräusch, sein Entführer ging zur Eingangstür, öffnete sie. Es stand einer davor, er ließ ihn herein, der Ankömmling kam auf ihn zu, er legte das Buch weg. Der Ankömmling hatte etwas dabei, das aussah wie eine Kamera mit zwei Objektiven. Sie wollten wohl 3-D Aufnahmen von ihm machen. Zwei ergriffen seine Hände, stellten ihn in die Mitte des Raumes, jetzt wurden Fotos von ihm gemacht. Erstaunlich, dass sich die Technik kaum unterschied. Vielleicht für das Archiv, oder wofür sonst, vielleicht für den Metzger, aber dann hätten sie keine Extra-Liege ins „Schlafzimmer“ getragen. Die Fotos waren fertig, der mit der Kamera ging wieder. Er wandte sich wieder den Büchern zu, eins fiel ihm auf, es war wohl das dickste. Es war eine blaue Kugel darauf, das musste der Band über die Erde sein. Er nahm ihn heraus, schlug ihn auf, fing an zu blättern, Bilder von Meeren, Gebirgen, einiges kam ihm bekannt vor von Reiseprospekten. Plötzlich sah er ein Bild, war total erstaunt.
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Es war ein Bild von der Akropolis, auf dem sie völlig unversehrt war! Er sah das Bild genau an, es konnte ja eine Rekonstruktion sein, aber es waren Menschen zu sehen. Das ist meistens die Klippe bei Animation, aber vielleicht waren sie einfach nur weiter in der Entwicklung. Er blätterte weiter, Bilder von Rom, von Jerusalem, er hatte den Eindruck, sie wären echt, das hieße ja, dass sie damals schon mal dagewesen waren, und dass ihre Kultur schon mindestens dreitausend Jahre alt war. Ihm fiel eine Textstelle in der Bibel bei Hesekiel ein, in der eine Erscheinung beschrieben war, die sehr stark an einen Hubschrauber erinnerte, mit zwei Rotoren, oben war eine Glaskanzel, an den Seiten etwas, das an senkrechte Triebwerke erinnerte. Die Flügel der Rotoren bogen sich nach unten, wie bei allen Hubschraubern. Außerdem hatte es eine Art Fahrwerk aus vier kugelartigen Gebilden.
Es gab ja viele Berichte über UFO-Sichtungen, viele davon Spinnereien oder Täuschungen. Es blieben nur ein paar übrig, die nicht so ohne weiteres zu erklären waren. Es gab auch eine ganze Menge von Beschreibungen von Entführungen durch UFOs. Er hatte ein Buch darüber gelesen, die Beschreibungen waren sehr seltsam gewesen, jedenfalls nicht so konkret, wie das, was er jetzt hier erlebte. Der Autor interpretierte diese Geschichten als schamanistische Zustände, weil die Beschreibungen überhaupt nicht konkret waren. Nach seiner Meinung war es eine Form von „Gesichten“ gewesen, vergleichbar mit z. B. Marienerscheinungen. Meistens wurden die „Opfer“ in irgendeiner Form schmerzhaft untersucht, es wurde Gewebe entnommen, teilweise gab es sexuelle Interaktionen. Im Grunde das, was zu einer normalen Forschung gehörte. Hatte er so etwas auch zu erwarten?
Er konnte seine Entführer nicht fragen, und Zeichensprache? Das ging auch nur, wenn eine gewisse Übereinkunft über die Bedeutung der Gesten bestand, und das war unklar. Das ging ja schon auf der Erde los, in einer Gegend bedeutet Kopfnicken Zustimmung und Kopfschütteln verneinen, es gab Gegenden, da war es umgekehrt. Es würde jedenfalls sehr schwierig werden.
Er sah sich in dem Raum um, eigentlich nichts Besonderes, bis auf das Aquarium mit den kleinen gelben Fischen.
Wieder gab es das summende Geräusch, sein Entführer ging zur Eingangstür, öffnete sie. Es stand einer davor, der hatte offensichtlich – Kleidungsstücke – über dem Arm. Vielleicht gab es eine Wäscherei und jetzt wurde etwas zurück gebracht, aber sie hatten ja alle die Raumanzüge an, wo ist die Kleidung? Wahrscheinlich als Unterzeug. Sein Entführer brachte die Kleidung ins „Schlafzimmer“ und – legte sie auf die Extra-Liege, sollte das alles für ihn sein? Die Fotos vorhin waren also zum Maßnehmen gewesen.
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Er war jetzt schon einige Stunden in der Gewalt seiner Entführer, es rührte sich wieder das normale, er verspürte plötzlich Hunger und Durst. Wie sollte es überhaupt mit dem Essen sein? Es war ja die Frage, was aßen sie? Vielleicht war alles künstlich. Egal, was es war, essen musste er. Er sah auf seine Uhr, im Prinzip war ja die Abendessenszeit schon lange vorbei.
Wieder gab es das summende Geräusch, sein Entführer ging zur Eingangstür, öffnete sie. Es stand einer davor, der hatte ein Tablett mit irgendwas, das aussah wie etwas Essbares, und einen Glaskrug mit einer gelblich bräunlichen Flüssigkeit darin, die perlte und eine Schaumkrone hatte, er dachte an Bier, aber das konnte wohl wirklich nicht sein. Am Ende gab es hier sogar auch noch Janxgeist. Das Tablett wurde auf den Tisch gestellt. Es war ein zylinderförmiges Glas dabei, auch wieder völlig normal, wie sollte so etwas auch sonst aussehen?
Er dachte, sein Gewinner hat ihn wohl wirklich als Sklaven gewonnen. Er nannte ihn bei sich seinen „Herrn“. Sein „Herr“ wies auf das Tablett und machte eine Geste, die nur bedeuten konnte, dass er essen und trinken sollte. Also sah er sich an, was auf dem Tablett sonst noch war. Es schien eine Schale mit so etwas, wie einer Suppe zu sein und dann gab es einen Teller mit etwas, das aussah, wie rosafarbene Quader. Ihm war es egal, also schlürfte er die Suppe, leicht säuerlich, könnten auch noch Kräuter drin sein. Dann wandte er sich den Stückchen zu, könnte Lachs sein, aber egal, es war nicht widerwärtig, also aß er alles auf, er hatte gewaltigen Hunger.
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