Dann, von einem Moment auf den anderen, sei er unter unbeschreiblichen Schmerzen in einem Krankenhauszimmer mit einem Laken über dem Gesicht aufgewacht. Gabriel glaubte ihm kein Wort.
Obwohl sein rationaler Verstand die Geschichte von Chad zweifelsohne als Märchen abtat, begann er, sich von diesem Tag an unterbewusst mit dem Thema „Leben nach dem Tod“ zu beschäftigen. Nur sechs Monate später besuchte Gabriel eine Kundin, um ihr einige Modelle der neuen Haushaltsgeräte-Linie vorzustellen. Nach der Präsentation entwickelte sich ein persönliches Gespräch bei Kaffee und Kuchen, in dem Gabriel der Frau die Geschichte von Chad erzählte.
In diesem Moment brach sie in Tränen aus und sagte mit zittriger Stimme: „Sie können diese Geschichte glauben, Gabriel, denn auch ich war dort, wo ihr Freund war!“ Und so erzählte sie, dass vor zehn Jahren ihr 8-jähriger Sohn Jaden ums Leben gekommen war, als in ihrem Haus durch einen elektrischen Kurzschluss ein Feuer ausbrach und das ganze Haus nach wenigen Minuten lichterloh in Flammen stand.
Sie konnte den Tod ihres über alles geliebten Sohnes nie überwinden und litt die Jahre danach unter schwersten Depressionen – bis zu dem Tag, an dem sie selbst gestorben war. Sie wurde wegen eines geplatzten Blinddarms ins Krankenhaus eingeliefert und starb kurz darauf im Operationssaal.
In dem Moment, als ihr Herz aufhörte zu schlagen, war sie augenblicklich von einem gleißend hellen Licht umgeben, und kurz darauf fand sie sich am Ufer eines kristallklaren Flusses wieder und erblickte etwa zehn Meter entfernt ein Kind, das unter einem Baum stand. Sie trat näher und erkannte Jaden, ihren Sohn.
Ihr Glücksgefühl war so überwältigend, dass sie keine Worte dafür fand. Ihr Sohn kam mit einem strahlenden Lächeln auf sie zu und umarmte sie. Er erzählte ihr, wie gut es ihm gehe, dort wo er jetzt lebe und dass sie nicht mehr traurig sein solle. Er sei sehr, sehr oft während ihres Alltags bei ihr, auch wenn sie ihn mit ihren Augen nicht sehen könne. Und es bedrücke ihn jedes Mal so sehr, wenn sie traurig und deprimiert sei.
Nach sechzehn Minuten habe ihr Herz wieder zu schlagen begonnen und sie sei zurück in ihrem Körper auf dem Operationstisch gewesen. Von dieser Minute an sei die ganze Trauer in ihrem Herzen verflogen und Freude sei zurückgekehrt in ihr Leben. „Wissen Sie, Gabriel, jetzt kann ich meinen Jaden manchmal sogar fühlen, wenn er bei mir ist. Wir unterhalten uns dann mittels Gedankenübertragung und danach bin ich immer der glücklichste Mensch auf dieser Erde.“
Dieser Tag war der Wendepunkt im Leben von Gabriel Toscani, und das Thema „Nahtoderfahrungen“ ließ ihn fortan nicht mehr los. Jetzt wusste er, es muss eine Existenz nach diesem Leben geben, denn weshalb sonst sollte ihm eine Frau, die auf so schreckliche Weise ihr Kind verloren hat, eine solche Geschichte erzählen?
In den darauf folgenden zwei Jahren besuchte Gabriel verschiedene Treffen von Menschen mit Nahtodererfahrungen in den USA. Dort wurden auch die Interviews für dieses Buch aufgenommen. Weitere Gespräche führte er auf einer ausgedehnten Weltreise, die einerseits der kulturellen Weiterbildung, andererseits auch der Vertiefung des vorliegenden Themas diente.
Es ist geplant, ab 2016 auch in Deutschland, der Schweiz und Österreich Treffen für Menschen mit Nahtoderfahrungen zu organisieren, damit diese eine Möglichkeit haben, über das Unglaubliche, Unfassbare zu sprechen, ohne von der Gesellschaft ausgestoßen oder für verrückt erklärt zu werden.
Wenn auch nur ein Menschenleben durch die Erkenntnisse, die in diesem Buch vermittelt werden, eine bessere Qualität erhält, ist der Zweck erfüllt, das Ziel erreicht.
1. Phineas: Glasklarer Fluss
Was ich Ihnen jetzt erzähle, hört sich an wie ein Märchen, aber es ist wahr. Ich bin so dankbar für dieses Erlebnis, denn es hat einen vollkommen neuen Menschen aus mir gemacht. Die Augen wurden mir geöffnet, und dieser Moment war einfach unbeschreiblich.
Es war im Sommer 2003. Ich versuchte schon seit mehr als einem Jahr, mein Haus zu verkaufen, und fuhr an diesem sonnigen Samstagmorgen nochmals hin, um den Rasen zu mähen und ein paar kleinere Reparaturen auszuführen. Als ich in der Garage den Boden wischte, sah ich ein Wespennest hinter der Zugvorrichtung des Garagentors. Es war ein großes Nest, und die Wespen waren alle ausgeflogen. Deshalb beschloss ich, die Gelegenheit zu nutzen und das Nest mit einem Wespenspray zu „behandeln”, damit sie nicht zurückkehren konnten. Ich spürte, wie das Spray langsam meine Hand herunterlief, leerte aber trotzdem die ganze Dose, denn ich wollte sicher sein, dass das Nest danach nicht mehr bewohnbar ist.
Dann ging ich hinauf ins Haus und trocknete meine Hände mit einem Lappen ab. Da die Leitungen im Haus schon abgestellt waren, konnte ich kein Wasser benutzen. Danach aß ich ein Sandwich und verbrachte noch etwa drei weitere Stunden mit der Reinigung des Hauses.
Ich erinnere mich noch, wie bitter das Sandwich schmeckte, dachte mir aber nichts weiter dabei. Gegen 17 Uhr fuhr ich dann zurück nach Hause. Während des Abends begann ich, mich ein wenig unwohl zu fühlen. Ich hatte leichtes Fieber und glaubte, dass es sich vielleicht um eine Grippe handelte. Also beschloss ich, noch ein warmes Bad zu nehmen und dann früh ins Bett zu gehen.
Das Fieber stieg jedoch in den folgenden zwei Stunden permanent an und mitten in der Nacht fühlte ich mich dann richtig elend. Ich hatte Schüttelfrost, kalter Schweiß lief mir von der Stirn und es fiel mir schwer, die Augen offen zu halten. Erst jetzt realisierte ich, dass ich dringend einen Arzt brauchte, und wollte zum Telefon gehen, konnte mich jedoch nicht aus dem Bett bewegen. Ich war wie paralysiert und hatte keine Kontrolle mehr über meine Beine und Arme.
Ich versuchte, meine Frau, die im Zimmer nebenan schlief, zu rufen, aber auch meine Stimme versagte. Mit letzter Kraft konnte ich mich irgendwie auf den Boden fallen lassen, wobei die Nachttischlampe herunterfiel und zu Bruch ging. Durch das Geräusch aufgeschreckt, kam meine Frau ins Zimmer gerannt und fragte, was passiert sei. Als sie sah, wie ich mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden lag und nicht mehr sprechen konnte, rief sie sofort den Notarzt.
Ich registrierte noch schwach, wie nach etwa fünfzehn Minuten zwei Ärzte eintrafen und sich an mir zu schaffen machten. Danach nahm ich alles nur noch verschwommen wahr, und ich spürte, wie ich langsam das Bewusstsein verlor. Plötzlich war ich eingehüllt in einen grauen Nebel, und ich empfand ein Gefühl von Leichtigkeit. Ja, ich fühlte mich leicht wie eine Feder und es kam mir vor, als schwebe ich. Meine Stimmung war so friedlich und das Allerbeste war, meine Schmerzen waren weg.
„Bin ich jetzt bewusstlos? Die Spritze vom Arzt wirkt aber sehr schnell”, dachte ich zuerst. Doch im gleichen Moment realisierte ich, dass ich eigentlich gar nicht denken konnte, wenn ich bewusstlos war. „Irgendetwas stimmt hier nicht”, schoss es mir sofort durch den Kopf.
Dann wurde aus dem Grau ein helles, intensives Licht, das mich vollkommen umgab. Je länger ich in diesem Licht war, desto mehr spürte ich, dass ich nicht alleine war, dass noch andere Wesen oder andere Energien präsent waren. Ich konnte zwar niemanden sehen, aber ich wusste ganz genau, dass ich nicht alleine war.
Es ist sehr schwierig, dies mit „irdischen” Worten auszudrücken, aber ich fühlte mich vollkommen frei, sorglos und eingebettet in ein harmonisches, friedvolles Sein. Und ich war bei vollem Bewusstsein. Ich versuchte, etwas zu sehen, irgendeinen Orientierungspunkt zu finden, aber da war nichts; es war einfach nur hell, unbeschreiblich hell.
„Was ist los? Wo bin ich? Wo ist meine Frau? Wo ist der Arzt? Ich hatte doch noch vor ein paar Sekunden diese höllischen Schmerzen und jetzt fühle ich mich wie neugeboren und bin umgeben von diesem Licht”, fragte ich mich, immer noch völlig orientierungslos und überrascht. Dann hatte ich plötzlich das Gefühl, mich sehr schnell zu bewegen; es schien so, als würde ich rasend schnell an einen anderen Ort fliegen, aber ich wusste nicht, wohin.
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