Hügelgrabkultur und Urnenfelder
Sesshaftigkeit führt auch zu neuen Kulturformen, in der Bronzezeit setzen sich die Bestattungen in Stein- und Hügelgräbern (Erd- und Feuerbestattung) durch und werden dann in der Eisenzeit von großen Urnenfeldern so auch bei Tinsdal ( 400 Grabstellen) und Sülldorf ( 250 Grabstellen) abgelöst.
Hünengrab Groß-Flottbek – zerstört (Helms Museum)
Viele der Stein- und Hügelgräber aus der Region sind verschwunden oder zerstört worden, so beim Bau des kaiserlichen Altonaer Exerzierplatzes in Groß-Flottbek (heute: Desy), in der Suurheide beim Bau der Kaserne in Rissen (heute: Krankenhaus) und beim Bau der Eisenbahn.
Bronzezeitliches Hügelgrab in Rissen: Ringbettung – zerstört
Gräber und Friedhöfe der Vorzeit im Bereich des heutigen Rissen
Rissen, Wittenbergen, Tinsdal und Sülldorf stellen ein lohnenswertes vorgeschichtliches Siedlungsgebiet dar, das – trotz vieler Plünderungen und Zerstörungen – auch heute noch unser Interesse verdient, denn wer weiß schon, was sich unter dem Dünensand, in den Feldern, an den Ufern der Au oder im abstürzenden Gemergel des Elbhochufers noch finden lässt.
Lilienberg
Zwei Grabhügel können in Rissen heute noch erkannt werden. Der Lilienberg – ein flacher kreisrunder Hügel mit schönem Baumbestand - liegt zwischen dem Marschweg und dem Feldweg 77 bei den Anlagen des Rissener Sportvereins; und unweit vom Lilienberg auf dem ehemaligen Grundstück Tannenhof an der Ecke Gudrunstraße / Grot Sahl liegt der Kaffeeberg .
Kaffeeberg
Der Kaffeeberg – einst im Dünengelände – befindet sich heute in einem Vorgarten von Bäumen umgeben, bei Sonnenschein bildschön – wenn man ihn bemerkt. H. Sch. aus der Nachbarschaft hat 1934 bei der Ausgrabung und Untersuchung des Hügels als Jugendlicher mitgeholfen. Er erzählt, dass zuerst von dem Gärtner in geringer Tiefe rund dreißig Meter vom Hügel entfernt 15 teils braune, teils tiefschwarze Urnen entdeckt und freigelegt wurden, die jeweils von einer Steinpackung umgeben waren. Es wurden auch eine Nadel und eine Spange aus Eisen gefunden.
In dem Hügelgrab hat vermutlich eine Familie über Generationen ihre Toten beerdigt. Diese Grabstelle verfügt neben dem Basisgrab über mehrere spätere Grabeintiefungen aus der Bronze- und Eisenzeit. An den Schäden der Steinpackungen war gut erkennbar, dass die Gräber schon vor langer Zeit geöffnet und geplündert worden waren: Gefunden wurden nur Feuersteinstücke und Tonscherben. An den Stempel-Ornamenten auf einer rotgelben Trinkbecherscherbe erkannten Experten spanische Einflüsse.
Urnen Tinsdal / Sülldorf
Die großen Urnenfelder von Tinsdal und Sülldorf aus der Eisenzeit (Nordeuropa: 100 – 400 n. Chr.) legen beredtes Zeugnis davon ab, wie die Besiedlungsdichte zunimmt. Der Dorfschullehrer Caspar Hinrichs Fuhlendorf (1844-1903) hat – mit Hilfe von Schülern – in Sülldorf einen ganzen Friedhof von Urnen mit und ohne Grabhügel ausgegraben.
Bronzenadeln aus Tinsdal und Sülldorf (aus: Beuche)
Er hat die Grabstätten kartographiert und die Urnen, Urnenscherben und Beigaben aus der Bronze- und Eisenzeit – Nadeln, Fibeln, Ketten, Schnallen – nach Kiel ins Museum verbracht. Fuhlendorf hat sich um die Entdeckung und Sicherung prähistorischer Funde aus den Elbgemeinden große Verdienste erworben.
Das Elbhochufer bei Tinsdal war vor seiner Befestigung in den 1960er Jahren eine wahre Fundgrube für Flintstein- und Feuersteinwerkzeuge: Klingen, Beile, Pfeilspitzen. Aber bearbeitete Feuersteine wurden auch an der Au, auf den Feldern, in den Dünen gefunden. Hier soll nun noch von Funden am Elbhochufer von Rissen erzählt werden.
Elbhang Wittenbergen 19. Jahrhundert
Bearbeitete Feuersteine – gefunden von Jürgen Zimmern an der Au in Rissen
Luusbarg in Wittenbergen
Der Luusbarg in Wittenbergen ist ein attraktiver baum- und heidebewachsener Abschnitt des Elbhochufers. Das Gelände gehörte Ende des 19. Jahrhunderts dem Bauern E. Ladiges aus Tinsdal. Auf diesem Gelände brach eines Tages unter dem Tinsdaler Schäfer die Erde ein, und er landete in einer Grabstelle mit Steinrahmung, Skelettknochen und kleinen Beilagen. An der Nordseite des Luusbargs wurde dann ein weiteres Grab, dieses Mal ein Kinder-Doppelgrab zusammen mit einem Tongefäß und den Resten eines bronzenen Vollgriffmessers : „ beidseitig verziert, mit rhombischen, glatt abschließendem Knauf “ (Prüssing, S. 61) gefunden. Kein Wunder, dass der Luusbarg nun das Interesse auf sich zog.
Ab 1880 ließ Bauer Ladiges „ fast alle Hügel und Berge an der Elbe gegen Vergütung bis zu einer Tiefe von 2-3 m nach Steinen durchgraben. Fuhlendorf gegenüber hatte er sich verpflichtet, alle Funde für das Kieler Museum herzugeben “ (Krahn 1981).
Bauer Ladiges war ausschließlich kommerziell an den Steinen interessiert und nicht an den ärmlich ausgestatteten Grabstätten, ihren Knochen und Tonscherben. Die Findlinge, die in der Eiszeit an die Elbe verbracht worden waren oder schon in der Vorzeit beim Grabbau gebraucht worden sind, wurden im 19. Jahrhundert als Grenzsteine, Pflastersteine und erneut als Grabsteine gern verwendet und waren im Baugewerbe begehrt für Stadtmauern, Fundamente, Fußböden und beim ländlichen Brunnenbau.
Der Verwahrfund vom Luusbarg
und die Geschichte seiner Entdeckung
Bei den Grabungen auf dem Gelände Ladiges kommt es 1885 zu einer kleinen Sensation, Steinsucher finden eine größere Urne gefüllt mit Bersteinperlen, Schmuck und Jagdwaffen aus Bronze: Ösenhalsringe, Ohrringe, Nadeln, Armringe, ein Randleistenbeil und eine Lanzenspitze von 15 cm Länge .
Bei dem „Schatz“ handelt es sich um einen Verwahrfund , den sein Besitzer nur für eine gewisse Zeit vergraben wollte, aber der „Schatz“ bleibt über 3.500 Jahre in der Erde verborgen.
Verwahrfund
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