Hubert Ettl - Abenteuer des Glaubens

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Hubert Ettl nimmt die Leserinnen und Leser in 24 Texten mit auf die Suche nach einer undogmatischen christlichen Spiritualität, in deren Mittelpunkt die individuelle Erfahrung jedes Einzelnen stehen soll. Der Autor geht dabei Fragen nach wie «Könnte der Glaube an einen göttlichen Geist helfen, die Menschheit aus der ökologischen Krise zu führen?» oder «Wie kann in der heutigen Zeit von Gott gesprochen werden?»
Glauben heute ist für den Autor ein Abenteuer in einer Zeit, die vom wissenschaftlich-technischen Blick und Zugriff auf die Welt geprägt ist: ein Abenteuer der menschlichen Freiheit und des menschlichen Geistes, das mehr vom Staunen und Ahnen angesichts des großen Geheimnisses lebt als von den Lehrsätzen der Kirchen.

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Hubert Ettl

Abenteuer des Glaubens

Erkundungen in unwegsamem Gelände

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche - фото 1

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

© 2020 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 |93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | verlag@pustet.de

ISBN 978-3-7917-3190-2

Einbandgestaltung: Martin Veicht, Regensburg

Satz: Hubert Ettl, Viechtach

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2020

eISBN 978-3-7917-6191-6 (epub)

Unser gesamtes Programm finden Sie im Webshop unter

www.verlag-pustet.de

Für Paula und Vinzent, Fanny und Alma

Inhalt

Wege in die Zukunft

Staunen und glauben

Erfahrungen, die hinüberweisen

Still werden

Die Auseinandersetzung suchen

Das Sinn-Tier als Ebenbild

Ein altes Bild Gottes

Die Frohbotschaft Jesu

Eine unheile Interpretation

Weder Scheiterhaufen noch Galgen

Aufbruch ins Heute

Das mechanische Weltbild

Am Scheideweg

Die Freiheit zum Overkill

Ein christlicher Aufruf

Hoffnung und Verantwortung

Neuer Mensch und neue Religion?

Fingerzeige

Urknall ohne Schöpfergeist?

Gott suchen und von Gott reden

Der Tod und danach

Beten – sich einlassen

Ach, die Kirchen!

Das Abenteuer des Glaubens

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Der Autor

Wege in die Zukunft

„Mögen hät’ ich schon wollen, aber dürfen hab’ ich mich nicht getraut.“ Diese „Sprachpraline“ stammt von Karl Valentin (1882–1948), dem unvergessenen Münchner Volkssänger, Schauspieler, grotesken Clown und Sprachakrobaten. Mit dem Satz hatte Valentin nicht die katholische Kirche im Blick, aber seine Diagnose der Mitmenschen und seiner selbst gilt so treffend auch für meine Kirche. Endlich herauskommen aus der Krise, notwendige Reformen wagen, umfassend gesunden – mögen und wollen, ja das schon, aber wie wenig traut man sich. Und dies schon seit vielen Jahren.

Die Krise sitzt tief. Nicht nur in der katholischen Kirche, auch in der evangelischen. Von welchem Gott reden sie denn eigentlich? Schleppen sie nicht einen Ballast mit, der die Leute heute mehr abstößt als einlädt, ihre Sinnsuche und ihr Bedürfnis nach Spiritualität in den christlichen Kirchen zu leben? In der angeblich wissenschaftlich entzauberten, extrem technisierten Welt hat ein Glaube an einen jenseitigen Geist, an etwas Göttliches, an einen Gott von Haus aus einen schweren Stand. Aber wenn die Kirche festhält an Dogmen und Lehren, die in den zurückliegenden Jahrhunderten der Auseinandersetzung mit vielfältigen Meinungen einmal festgezurrt wurden, schaut es nicht gut aus für die Zukunft.

„Die Zukunft war früher auch besser“, noch ein Bonmot Karl Valentins. Ob freilich die früheren „Zukünfte“ besser waren als die heutige, möchte ich, zumindest was Religion und Glauben betrifft, bezweifeln. Die Macht der Kirche, der Kirchen war groß. Gut für die da oben, den Glauben als Gehorsamsglauben zu verkünden, den Gläubigen mit Hölle, Fegfeuer und ewigem Verderben zu drohen, die Angst vor einem strafenden Gott zu verbreiten. Ein Glaube in Freiheit war es nicht. Den Glauben als alleinseligmachenden Besitz zu verkünden, dieser Glaube der Vergangenheit hat heute keine Zukunft.

Ich muss gestehen: Wenn ich mich als Laie in die Debatte um die Zukunft des religiösen Glaubens und einer zeitgenössischen Spiritualität einmische, habe ich nicht so sehr die Kirchen im Auge, auch wenn mir ihre Zukunftsfähigkeit am Herzen liegt. In erster Linie wenden sich meine kleinen Erkundungen an die Suchenden und Gläubigen, auch an die Pfarrer und Seelsorger und Seelsorgerinnen in den Gemeinden. Sie zielen nicht auf theologisch-akademische Debatten im Elfenbeinturm. Was meine Kirche betrifft, ihr sich Nicht-trauen, bin ich oft der Resignation nahe. Eine Zuhörerin bei einer meiner Lesungen brachte ihr Verhältnis von persönlichem Glauben und Krise der Kirchen auf den Punkt: „Ich lasse mir meinen Glauben von dieser Krise nicht kaputt machen.“ Ja, das muss man wohl lernen: diesen Spagat aushalten als Element des katholischen Christseins heute.

Karl Valentin, der bald nach dem 2. Weltkrieg verarmt starb, konnte nicht ahnen, welche Zukunft sich bahnbrechen würde, eine Zukunft, welche das Überleben der Menschheit infrage stellt. Eine Situation, wie es sie bisher in der Menschheitsgeschichte nie gab. Die Menschen haben sich viel zu viel getraut. Das haben wir uns lange nicht eingestanden, und als es warnende Stimmen gab vor vierzig Jahren, hat man sie kaum ernstgenommen. Mögen hätten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut: Das trifft auf viele halbherzige politische und wirtschaftliche Entscheidungen und Maßnahmen zu, um der Menschheit am Scheideweg eine menschenwürdige Zukunft zu sichern. Aber das Nicht-trauen kennzeichnet auch das Bewusstsein und Handeln jedes Einzelnen von uns.

Das Christentum hat bei dieser Entwicklung kaum eine mäßigende Rolle gespielt. Manche Historiker und Gesellschaftsforscher sind sogar der Meinung, das Christentum sei der Nährboden für diesen Hochmut, diese menschliche Hybris gewesen. Die heutige Krise der Menschheit muss das Christentum ins Mark treffen: Inwieweit macht das Ebenbild Gottes, der Mensch, in seiner Freiheit der Schöpfung den Garaus?

Du Messias, dichtet Kurt Marti, der langjährige evangelische Pfarrer und einer der bedeutendsten Lyriker der Schweiz, „sollen wir die letzten / oder die vorletzten menschen gewesen sein / auf diesem planeten? // wozu dann aber / willst du noch wieder kommen? / wozu – wenn dein reich der freiheit der liebe / keine menschen vorfinden wird?“ Willst du dann ein Messias sein „der gebirge der meere der winde nur noch? / archäologe des himmels vielleicht / auf zu später suche / nach spuren / des dann erloschenen ebenbilds gottes?“ Kurt Marti (1921–2017) war ein empfindsamer Seismograph unserer Zeit, besinnlich und kämpferisch zugleich, ein Warner. Ein Christ, der seinen Glauben, seine Spiritualität immer wieder befragte vor dem Hintergrund schreiender Ungerechtigkeiten in unserer Welt des Unfriedens, der Gewalt und vor allem auch der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. In einem an das große christliche Gebet, dem „Vater unser“, angelehnten Gedicht bittet er: „und führe uns nicht / wohin wir wie blind / uns drängen / in die do-it-your-self-apokalypse / sondern erlöse uns / von fatalität und sachzwang / damit das leben / das du geschaffen / bleibe auf diesem kleinen / bisher unbegreiflich erwählten / planeten“. 1

Ob die Christen nicht nur als Einzelne, sondern in ihrer Mehrheit und vielleicht sogar als große Institutionen, also als Kirchen, dieser notwendigen Wende Antrieb und Hilfe, Denkanstoß und Licht sein können, wird sich zeigen müssen. Ich hoffe es. Aber wegen dieser Aufgabe, wegen dieser gesellschaftlichen Funktion allein werden die Wenigsten das Abenteuer des Glaubens eingehen. Für die Erhaltung der Lebensgrundlagen kann man sich auch als säkularer Humanist engagieren.

Im Kern sind es zwei andere Gründe, Erfahrungen, Motivationen, die einen bestärken, weiter oder wieder an eine geistige Kraft jenseits der materiellen Welt zu glauben. Neben den persönlichen Erfahrungen und mit ihnen verbunden ist die Gottsuche eine Sinn- und Wahrheitssuche, die einen immer wieder packt und nicht mehr loslässt.

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