1 ...6 7 8 10 11 12 ...44 Da er ständig in der Welt unterwegs war, hatte er sich in Bremen lediglich eine kleine Wohnung angemietet.
Wann immer er konnte, büxte er aus nach Düsseldorf.
Heute Abend war er mit Norbert Schmehling verabredet.
Schmehling kam direkt aus Berlin. Sie hatten für ihr Treffen das Restaurant `La Terrazza` an der Königsallee ausgewählt. Graf, der hier bekannt war, hatte einen Tisch abseits vom üblichen Getümmel erbeten.
Als Graf etwas vor der vereinbarten Zeit dort eintraf, saß Schmehling bereits am Tisch und grinste ihn an.
„Ich hatte Hunger, da hab´ ich mir schon mal die Vorspeise kommen lassen. Die Flusskrebse auf Spargelsalat sind sehr zu empfehlen. Ich nehme noch eine zweite Portion.“
Nachdem sie ihr Essen bestellt hatten und nachdem Norbert Schmehling genüsslich sein Brot in das mit süßem Balsamico verfeinerte Olivenöl getunkt hatte, fragte er Graf mit vollem Mund:
„Wie hat Ihnen mein Freund Mahmut gefallen?“
„Ein arrogantes Arschloch!“ sagte Graf, ebenfalls kauend.
„Naja, Sie sollen ihn ja nicht heiraten! Aber wenn Ihnen einer dieses Geschäft bringen kann, dann Mahmut!“
„Von einem Geschäft sind wir weit entfernt, Herr Schmehling.“
„Ach was! Die wollen Ihre Boote. Ich habe Mahmut, den ich seit vielen Jahren kenne, bearbeitet. Wenn Sie das richtig spielen, geht das Ratzfatz! Sogar mein Freund hat sich eingesetzt!“
„Die haben gar keine Leute, um die Dinger zu betreiben!“
„Das soll doch nicht Ihre Sorge sein.“ Schmehling kaute mit sichtlichem Genuss auf seinem Brot.
„Doch! Wenn die nach der ersten Tauchfahrt nicht mehr hoch kommen, heißt es, wir hätten Schund geliefert.“
„Die haben haufenweise Marineoffiziere aus anderen Ländern unter Vertrag. Außerdem können wir ein paar deutsche U-Bootfahrer als Ausbilder dorthin schicken. Ich habe das mit meinem Freund besprochen. Die werden von der Bundesmarine beurlaubt und gehen für ein, zwei Jahre dorthin. Doppeltes Gehalt, steuerfrei, Auslandszulage. Sie werden sich vor Angeboten kaum retten können. Sie müssen das lediglich bei Ihrer Preiskalkulation berücksichtigen!“ Schmehling grinste ihn an.
Graf wartete mit seiner Antwort, weil ein Kellner die Vorspeisen brachte.
„Es dürfte Heidentheater geben, wenn eines Tages herauskommt, dass bei einem Konflikt, in dem diese Boote eingesetzt waren, diese von deutschen Offizieren geführt worden sind,“ bemerkte er trocken. „Stellen Sie sich vor, die versenken ein israelisches Schiff! Selbst wenn es sich nur um einen Fischkutter oder ein Paddelboot handelt, wird Wehgeschrei losgehen, wieder würden Juden von Deutschen umgebracht! Nein, das geht nur, wenn wir ein umfassendes Ausbildungsprogramm durch die Deutsche Marine anbieten können. Grundausbildung, Training im Simulator, anschließend an Bord deutscher U-Boote. Erst danach ist zu verantworten, die Saudis mit eigenen Booten allein auf die Menschheit loszulassen.“
„Die Franzosen haben denen doch Fregatten geliefert! Also müssen die in der Saudischen Marine von Seefahrt was verstehen!“
„Es ist etwas anderes, ob Sie auf der Meeresoberfläche herum karriolen oder unter Wasser. Über Wasser ist es leicht, festzustellen, wo Sie sind. Unter Wasser nicht. Ich denke auch an die Amerikaner.“
„Was haben die denn damit zu tun?“
„Die haben eine ganze Flotte von Kriegsschiffen im Arabischen Golf. Ich werde prüfen, ob die bereit sind, Sonarsysteme zu liefern. Da drin haben die die Geräusche aller ihrer eigenen Schiffe gespeichert. Das vermindert das Risiko, das die Saudis aus Versehen eines der US-Schiffe aus dem Wasser pusten! Trotzdem bleibt das Problem der Ausbildung.“
Oberst Moishe Shaked war zufrieden.
Während er in seiner kleinen Wohnung in Tel Aviv saß, vor ihm ein flimmerndes Fernsehgerät, in dem seine Frau Sarah eine amerikanische Soap-Opera verfolgte, freute er sich auf den morgigen Sabbat. Nicht, dass er beabsichtigt hätte, in die Synagoge zu gehen. Moishe Shaked war kein frommer Mann. Er hatte selbstverständlich seine Bar Mizwa über sich ergehen lassen, aber danach hatte er seinen Fuß nur noch zu Hochzeiten oder zu Trauerfeiern in eine Synagoge gesetzt.
Morgen wollte er nach Jaffa, ein wenig mit Sarah am Strand entlang laufen, der um diese Jahreszeit nicht voll sein würde. Dann würden sie in der Altstadt zu Mittag essen, und am Sonntag fing die Arbeit wieder an.
Dass der Fernseher lief, störte Oberst Moishe Shaked nicht. Er war gewohnt, auch bei Lärm nachzudenken. Sein kleines Büro im Verteidigungsministerium hatte so dünne Wände, dass er Gespräche seiner unmittelbaren Büronachbarn ohne besondere Konzentration hätte mithören können.
Moishe Shaked dachte an das Gespräch mit Ezrah Goldstein aus der Deutschlandabteilung. Gemeinsam hatten sie die eingegangenen Nachrichten aus Riad und aus Cannes analysiert, die sie beunruhigend fanden. Ezrah hatte einen Kameraden aus der Marine hinzugerufen, Itzak Salomonowitz, der seinerzeit mit dem Beschaffungsprogramm der israelischen U-Boote beschäftigt gewesen war.
Auch Itzak fand den Gedanken an U-Boote in der Hand der Saudis nicht sonderlich sympathisch.
„Eigentlich halte ich die Araber für zu faul, um sich eingehend genug mit den Möglichkeiten zu befassen, die diese Waffengattung bietet. Denkt daran, was die sich in den vergangenen Jahren alles angeschafft haben! Fregatten, von denen unsere Marine nur träumen kann. Flugzeuge, die besser sind als unsere, Panzer, die besser sind als unsere. Mit nichts davon können sie richtig umgehen. In den Operationszentralen sitzen französische, englische oder amerikanische Offiziere. Die Saudis sitzen lediglich am Steuer. Die lenken und landen ihre AWACS-Flugzeuge, aber in die OPZ kommen sie nicht mal rein. Mit ihren Panzern fahren sie mit Höchstgeschwindigkeit durch die Wüste, aber taktische Übungen machen sie nicht. Mit ihren Schiffen fahren sie raus in den Golf oder ins Rote Meer, sind aber nach wenigen Tagen wieder zuhause. Trotzdem, diese U-Boote sind alles andere als gut!“
„Warum?“ hatte Goldstein gefragt.
„Über die Systeme, die sie aus Deutschland bekommen, können sie Einzelheiten über die Fähigkeiten unserer U-Boote ableiten. Im Roten Meer können sie uns nicht wirklich gefährlich werden, wenn sie sich wegen der zahlreichen Untiefen überhaupt dort hintrauen. Um ins Mittelmeer zu gelangen, müssten sie um ganz Afrika herum und wären monatelang unterwegs. Aber sie werden im Arabischen Golf und der Arabischen See unterwegs sein. Und genau dort stellen sie eine Bedrohung für Israel dar.“
„Im Golf? Was meinst du damit?“ fragte Goldstein.
„Nun, du weißt, dass ständig mindestens eines unserer Dolphin-U-Boote im Arabischen Golf vor der Küste des Iran kreuzt. Damit wir jederzeit einen Atomschlag gegen den Iran ausüben können. Auch wenn die Gefahr begrenzt sein dürfte: Die Saudis könnten herausfinden, wo sich unser Boot befindet. Sie könnten es schlimmstenfalls ausschalten.“
„Die Saudis haben selbst Angst vor dem Iran!“ warf Shaked ein.
„Trotzdem darf die Sicherheit Israels nicht davon abhängen, dass ein saudisches U-Boot unseren Dolphin erkennt!“
„Warum glaubst du, dass sie unser Boot mit ihren U-Booten eher erkennen als mit ihren Überwasserschiffen?“ fragte Shaked. „Die sind doch auch mit Unterwasserlauschgeräten ausgestattet.“
„Weil du von einer Plattform unter Wasser viel weiter hören kannst als von der Oberfläche aus!“
Moishe Shaked war auf seine Sorge zurückgekommen, die Saudis könnten eigene Erkenntnisse, gewonnen mit Booten, die denen der Israelischen Marine ähnlich wären, an andere arabische Marinen weitergeben.
Das hatte Itzak das nicht so tragisch genommen.
„Wem? Den Ägyptern? Deren alte Romeos hören wir schon, wenn sie noch im Hafen von Alexandria sind. Unsere Marine weiß jederzeit, wo sich jede dieser alten Schluffen befindet. Algerien? Marokko? Alle diese Boote sind so alt und so laut, dass wir sie jederzeit finden. Nein, neue leise saudische Boote sind eine Gefahr für unsere Dolphins im Golf! Und ausgerechnet aus Deutschland!“
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