Herbert Knopp - Die Bayernaffäre

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Der Roman wirft einen Blick hinter die Kulissen der Politik. Mit Witz und Ironie beschreibt er, wie aus einer kleinen, alltäglichen Situation eine politische Bewegung entsteht, die ein ganzes Land erfasst. Und er zeigt, wie mühelos es einem ehrgeizigen, geschickten und skrupellosen Politiker gelingt, einen gutgläubigen «Mann aus dem Volk»
vor seinen Karren zu spannen und Ressentiments und Vorurteile für seine Karriere, die nach ganz oben führt, auszunutzen.

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Herbert Knopp

Die Bayernaffäre

Ein Polit-Märchen aus der Wirklichkeit

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Inhaltsverzeichnis Titel Herbert Knopp Die Bayernaffäre Ein PolitMärchen aus - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Herbert Knopp Die Bayernaffäre Ein Polit-Märchen aus der Wirklichkeit Dieses ebook wurde erstellt bei

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Impressum neobooks

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„Kerzen? Zum Frühstück?“, fragte Ludwig. „Und warum zehn?“ Sonst aßen sie im Stehen in der Küche, Charlotte trank ihren Tee, Ludwig seinen Kaffee, beide aßen ein Brot, Ludwig mit Honig, Charlotte mit Quark, und Kerzen brannten schon gar nicht, die gab es nur zu Weihnachten. Also musste heute ein besonderer Tag sein.

Das war es auch, und Ludwig wusste es. Er tat so, als ob er überrascht wäre, wollte es genießen, Charlottes Gesicht, ihren fragenden Blick, ein wenig ungläubig, dann enttäuscht, weil Ludwig sich tatsächlich nicht daran zu erinnern schien, was heute für ein Tag war. Dann würde er hervorholen, was er ausgesucht hatte, mit großer Sorgfalt und es ihr überreichen. Charlotte würde erleichtert sein, versöhnt, würde kurz die Verärgerte spielen, weil er sie aufs Glatteis geführt hatte und sie darauf hereingefallen war.

Heute war der zehnte Hochzeitstag der beiden. Charlotte hatte damals ein blaues Kostüm getragen, Ludwig erinnerte sich genau, sie hatten es beide ausgesucht, im gleichen Modehaus in München, in dem er auch seinen Anzug gekauft hatte, ebenfalls dunkelblau, mit Nadelstreifen. Er hatte den Anzug heute noch, benutzte ihn allerdings selten, das letzte mal bei der Beerdigung seines Onkels Edmund, der an Leberzirrhose gestorben war, totgesoffen, wie seine Schwester Maria, Ludwigs Mutter, gesagt hatte.

Die Hochzeitsfeier von Charlotte und Ludwig hatte im Hinterzimmer des „Goldenen Schwan“ stattgefunden, der teuersten Gastwirtschaft in Loisach, einer kleinen Stadt in Oberbayern, wo Charlotte und Ludwig auch heute noch wohnten. Seine Eltern waren damals nicht erschienen, für sie zählte nur eine Heirat in der Kirche, mit allem Drum und Dran. Die wurde ein paar Wochen später nachgeholt, nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Ludwig und Charlotte, die zwar ebenfalls katholisch war, der jedoch der Glaube an das, was man ihr im Religionsunterricht beigebracht, was sie von der Kanzel gehört und im Katechismus und anderen Büchern gelesen hatte, abhanden gekommen war, nicht von heute auf morgen, sondern er war langsam versickert.

Sie hatte der Zeremonie unter der Bedingung zugestimmt, dass ihre gemeinsamen Kinder nicht getauft werden würden, vorerst nicht. Heute ist heute und morgen ist morgen, hatte Ludwig gedacht, Hauptsache, die Trauung fand statt, in der Dorfkirche von Reitham. Dort war er getauft worden, vor siebenunddreißig Jahren, und dort war er als Bub am Sonntag um Neun zur Messe und einmal im Monat zur Beichte gegangen. Hauptsache auch, dass seine Eltern sich mit Charlotte abgefunden hatten und mit der Tatsache, dass er den Hof nicht übernehmen, keine Frau aus dem Dorf oder der Umgebung heiraten und sie nicht als stolze Großeltern von zahlreichen Enkeln, die allesamt in Reitham lebten, ihren Lebensabend verbringen würden. Sie hatten zwar Enkelkinder, ein Bub und ein Mädchen, von ihrer Tochter, die zwei Jahre jünger war als Ludwig, aber die lebte am Ende der Welt, irgendwo in Norddeutschland.

Ludwig und Charlotte hatten keine Kinder, noch nicht, sagte Ludwig, wenn er danach gefragt wurde, anfangs häufig, in den letzten Jahren immer seltener. Sie galten als kinderloses Ehepaar, obwohl sie das gar nicht sein wollten. Schon vor der Hochzeit hatten sie sich Gedanken darüber gemacht, wie viele Kinder sie haben wollten, drei sollten es sein, und ob sie eine große Wohnung in der Stadt oder ein Haus auf dem Land kaufen sollten, aber das kam nicht infrage, dazu hätten Ludwigs Eltern ihren Hof verkaufen und ihm sein Erbteil auszahlen müssen, was sie nie und nimmer getan hätten, und Ludwig hätte es auch nicht gewollt. Charlotte hatte von ihren Eltern nichts zu erwarten, die lebten seit der Pensionierung ihres Vaters, eines Beamten mittlerer Laufbahn, in Spanien.

„Irgendwann klappt es“, sagte Charlottes Arzt jedes mal, wenn sie sich untersuchen ließ, zweimal im Jahr und er feststellte, dass nichts dem Kinderkriegen entgegenstand oder es erschwerte. Bei Ludwig war es genauso. „Es muss andere Gründe geben“, hatte sein Arzt gesagt. „Vielleicht wollen Sie gar keine Kinder, unbewusst, meine ich. Vielleicht stimmt etwas nicht in der Beziehung zu Ihrer Frau.“ Ludwig hatte, nach anfänglichem Kopfschütteln, lange darüber nachgedacht, über sein Unbewusstes und war zu keinem anderen Ergebnis gekommen als zu dem, was sein Bewusstes ihm auf diese Frage antwortete: Du liebst Charlotte und willst mit ihr Kinder haben.

An einem Winterabend vor zwei Jahren, als sie nach einem Abendessen bei einem französischen Rotwein zusammensaßen, er war aus dem Roussillon, Ludwig erinnerte sich genau an das Etikett und daran, dass es Boeflamotte, sein Lieblingsessen, gegeben hatte, war er, so nebenbei wie möglich, auf Charlottes Unbewusstes zu sprechen gekommen, hatte von Verdrängung geredet, von Abwehr und Neurose. Das hatte er ein paar Tage vorher in einem Buch gelesen, das ihm ein Kollege empfohlen hatte, der sich mit so etwas beschäftigte. Charlotte hatte ihm zugehört, ohne ihn zu unterbrechen, hin und wieder den Kopf geschüttelt und als er fertig war, nur gesagt, das sei alles Unsinn. Dann hatte sie ihm einen Kuss gegeben und die Teller abgeräumt.

Ludwig sah, dass Charlotte hinter ihrem Rücken etwas versteckt hielt, genauso wie er. Sie machte gar kein enttäuschtes Gesicht, sondern öffnete den Mund, holte tief Luft, um etwas zu sagen. Doch sie machte den Mund wieder zu, lächelte und zog einen Blumenstrauß hervor, Rosen, zehn rote und eine weiße.

„Alles Gute zum Hochzeitstag“, sagte sie. Ludwig tat überrascht und machte ein Gesicht, als ob er ein schlechtes Gewissen hätte, doch dann zog auch er hinter seinem Rücken einen Blumenstrauß hervor, ebenfalls rote Rosen, genau zehn, und sagte ebenfalls: „Alles Gute zum Hochzeitstag.“ Sie küssten sich. Dann nahm Charlotte Ludwigs Strauß, packte ihn mit ihrem zusammen, ging zur Vitrine, dunkelbraunes Holz mit Glastüren, ein Erbstück ihrer Großmutter, nahm eine Vase heraus und stellte die Rosen hinein. „Da hat sich eine dazwischen gemogelt, die da nicht hingehört“, sagte er und deutete auf die weiße Rose. Genau auf diesen Satz schien Charlotte gewartet zu haben. „Nicht gemogelt“, sagte sie sofort. „Sie gehört dazu, in sechs Monaten“ und sah ihn erwartungsvoll an.

Ludwig hatte zwar gehört, was Charlotte gesagt hatte und spürte auch, dass Charlotte auf eine Reaktion wartete, aber er schwieg und dachte nach. Bedeutete die weiße Rose, umgeben von zwanzig roten, die sie zu beschützen schienen, dass Charlotte schwanger war, dass in sechs Monaten ein Kind zur Welt kommen würde, ihr Kind, endlich, nach all den Jahren, in denen auf die Hoffnung stets die Enttäuschung gefolgt war? Vielleicht bedeutete die weiße Rose etwas ganz anderes, eine Beförderung zum Beispiel. Charlotte arbeitete als Altenpflegerin in einem Heim, das sich Seniorenresidenz Waldfrieden nannte, obwohl gar kein Wald in der Nähe war. Vielleicht hatte sie auch eine neue Stelle gefunden, würde in sechs Monaten dort anfangen und mehr verdienen als bisher, erheblich mehr, so dass sie sich eine eigene Wohnung leisten konnten oder eine Reise nach Brasilien, wo eine Cousine von Charlotte lebte oder sogar ein Haus in der Altstadt, klein, verwinkelt, das man umgestalten konnte, Charlottes Traum. Das wird es sein, dachte Ludwig, eine neue Stelle. Er zwang sich, das und nichts anderes zu vermuten – nicht schon wieder eine Enttäuschung!

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