1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 »Und was ist mit Thomas? Den haben die auch um die Ecke gebracht!«, rief Olli aufgebracht.
»Von wem reden Sie und wer sind ›die‹?« Der Kommissar sah jetzt misstrauisch aus. Es wurde Zeit, dass Marko eingriff.
»Mein Freund hier, Herr Vogt, hat in kürzester Zeit zwei Kollegen durch tragische Unfälle verloren«, sagte er schnell, bevor Olli antworten konnte. Der Kommissar nickte Marko verständnisvoll zu. Da konnte jemand schon mal auf merkwürdige Gedanken kommen.
»Haltet ihr mich jetzt für verrückt, oder was? Die beiden hatten etwas herausgefunden und deshalb haben die sie um die Ecke gebracht!« Olli gestikulierte aufgeregt.
»Was haben sie herausgefunden?«, fragte Kommissar Werner.
»Irgendetwas mit Computer-Netzwerken«, erklärte Marko schnell, bevor Olli antworten konnte. »Die drei arbeiten im IT-Bereich. Irgendwas mit Computer-Sicherheit.«
»Computer! Meiner stürzt auch ständig ab!«, knurrte der Kommissar böse. »Aber wegen so etwas bringt doch keiner einen anderen um, obwohl ich manchmal nicht schlecht Lust hätte, meine Kiste aus dem Fenster zu schmeißen. Wer sind denn nun ›die‹?«
»Das weiß ich doch nicht. Ich weiß doch nicht, was die beiden herausgefunden haben«, gab Olli unglücklich zu.
Der Kommissar und Marko sahen sich vielsagend an. Kommissar Werner schüttelte den Kopf und steckte sein Notizbuch wieder ein.
Markos Aufmerksamkeit wurde von einer kleinen Gruppe von Leuten in Anspruch genommen, die am Rande der Ruine standen. Eine Gestalt löste sich aus der Gruppe und ging auf sie zu. Es handelte sich um eine Frau Anfang dreißig. Ihre dunkelblonden Haare waren streng nach hinten gebunden und dort von einem Zopfgummi achtlos zu einem Dutt zusammengeknotet. Mit müden Schritten kam sie auf sie zu. Trotz ihrer offensichtlichen Erschöpfung wirkte ihr Körper gut trainiert. Ihr Gesicht sah abgespannt und blass aus. Marko registrierte automatisch, dass es nicht seinem Schönheitsideal entsprach. Die Züge waren zu kantig, die Nase etwas zu groß und der Mund zu breit. Das leicht vorgestreckte Kinn verriet Entschlossenheit.
»Wie es aussieht, habt ihr wohl nichts für mich«, begrüßte sie die Gruppe. Dabei ließ sie ihren Blick abschätzend über Olli und Marko wandern. Kommissar Werner kannte sie offensichtlich.
»Nach jetziger Erkenntnis: Ein Unfall, kein Fremdverschulden«, antwortete Kommissar Werner.
»Das wird meinem Auftraggeber gar nicht gefallen«, stöhnte die junge Frau. »Das Haus war gut versichert. Dann werden die wohl zahlen müssen.«
»Du tust ja gerade so, als ob es dein Geld wäre. Lass die Versicherungen ruhig blechen«, meinte der Kommissar lächelnd.
»Was die bezahlen müssen, ist mir doch egal. Aber wenn ich nicht bald mal einen Erfolg vorweisen kann, kommen die sicher auf die Idee, dass sie sich mich sparen können. Der Job ist verhältnismäßig gut bezahlt und ich kann es mir im Moment nicht leisten, meinen Hauptauftraggeber zu verlieren.«
»Du weißt, was ich darüber denke. Wenn du nicht so starrköpfig wärst und mit diesem Privatdetektiv-Unsinn aufhören würdest, könnte ich versuchen, was für dich zu tun. Du bist eine gute Ermittlerin gewesen. Das sage nicht nur ich. Ich denke, dass ich es schon hinkriegen würde, dass du wieder eingestellt wirst.« Der Kommissar klang im Gegensatz zu vorher direkt engagiert.
Bevor Marko fragen konnte, was ihm auf der Zunge lag, hatte sich ein junger Mann in einem dieser weißen Schutzanzüge zu ihnen gestellt.
»Wir haben jetzt ein erstes, allerdings noch sehr oberflächliches Ergebnis. Könnte ich kurz mit Ihnen sprechen?«, fragte er den Kommissar.
»Natürlich, also was ist?«, entgegnete der, ohne sich von der Stelle zu rühren.
Der Kriminaltechniker sah vielsagend in die Runde.
»Nun sagen Sie schon. Ein Staatsgeheimnis wird es schon nicht sein«, blaffte der Kommissar. Besonderes Interesse schien er für diesen Fall nicht zu entwickeln.
»Wie Sie meinen«, entgegnete der Kriminaltechniker beleidigt. »Wie es aussieht, ist das Gas aus dem Ofen ausgetreten. Das Opfer betätigte den Lichtschalter, als der Raum schon mit einem Gasluftgemisch gefüllt war. Der Funken beim Schalten entzündete das Gas. Die Explosion breitete sich daraufhin vom Schalter in die Küche und in das dahinter liegende Zimmer aus. Die Leiche des Opfers wurde in den Raum hinter der Tür geschleudert.
Man kann die Ausbreitung der Druckwelle ganz gut aus den in der Küche geborgenen Gegenständen rekonstruieren, soweit sie in diesem Chaos zu bergen waren. Offensichtlich hatte das Opfer einen Kessel mit Wasser aufgesetzt. Der Ofen ist ausgegangen. Er kommt in die Küche, um den Tee aufzugießen, macht das Licht an und Bäng, der ganze Raum fliegt in die Luft.«
»Wieso Tee?«, rief Olli.
»Weil wir sogar noch Überreste einer Teekanne gefunden haben«, erwiderte der Techniker genervt.
»Seht ihr, es war Mord!«, rief Olli aufgeregt. Er zappelte dabei so, dass kein einziges Körperteil ruhig blieb. »Ihr kennt Frank nicht! Der war Kaffeetrinker. Der hat Tee verabscheut. Der hätte sich nie einen Tee gekocht!«
»Nun mal ganz ruhig, junger Mann«, redete der Kommissar mitfühlend auf ihn ein. »Was wissen Sie, was in dem Kopf Ihres Kollegen vorging. Vielleicht hatte er einfach Halsweh und wollte sich einen Erkältungstee machen.«
»Erkältungstee, Suizid? Das ist doch alles Unsinn! Der ist ermordet worden. Das ist so klar wie nur irgendwas!«, rief Olli.
»Komm, lass gut sein. Der Kommissar macht hier seine Arbeit. Du hast doch gehört, dass es keine Anzeichen für einen Mord gibt«, versuchte Marko Olli zu beruhigen.
»Und was ist mit Thomas? Das ist doch völlig unwahrscheinlich, dass zwei normale Unfälle so kurz hintereinander passieren«, rief Olli aufgebracht. »Dazu noch, nachdem sie dieses heiße Ding herausgefunden haben!«
»Sie sagten doch, Sie wissen nicht, was Ihre Kollegen herausgefunden haben?«, fragte Kommissar Werner skeptisch.
»Das weiß ich ja auch nicht, aber es war eine ganz große Nummer«, rief Olli verzweifelt.
»Sie behaupten also, bei den beiden Todesfällen Ihrer Kollegen handelt es sich nicht um Unfälle. Sie wurden stattdessen ermordet wegen einer Sache, von der Sie aber auch nicht wissen, was es ist?« Der Kommissar sah mittlerweile ärgerlich aus. Er schüttelte den Kopf und sah Marko an. »Hören Sie, Herr Geiger. Sie sollten Ihren Freund nach Hause bringen. Ich hoffe, seine Verwirrung wird sich legen, wenn er die Sache überschlafen hat. Ich muss jetzt jedenfalls ins Bett. Morgen, das heißt eher in ein paar Stunden, wartet ein harter Tag auf mich. Wir wollen doch schließlich diesen Fall aufklären.«
»Ich wollte die kleine Runde gerade auf ein Bier einladen«, erwiderte Marko lächelnd. Olli hatte den alten Kommissar wirklich verärgert und man sollte seine besten Quellen pflegen. Man wusste nie, wozu man sie noch einmal brauchen würde.
»Nichts für ungut, vielleicht ein andermal, aber für mich ist es heute wirklich zu spät«, erwiderte der Kommissar und verabschiedete sich mit einem gewunkenen Gruß. Der Kriminaltechniker schloss sich ihm wortlos an.
»Was ist mit Ihnen?«, fragte Marko die Privatdetektivin und setzte das Lächeln auf, das normalerweise für Frauen reserviert war, die ihn interessierten. »Kommen Sie noch mit auf ein Bier? Dahinten die Kneipe scheint noch auf zu sein.«
»Eigentlich müsste ich auch ins Bett, aber was soll's! Die Nacht ist soundso gelaufen«, erwiderte sie und lächelte müde zurück.
»Aber du kannst doch jetzt kein Bier trinken gehen nach allem, was passiert ist«, rief Olli.
»Was sollte ich denn sonst machen? Hier stehen bleiben und auf die Ruine starren?«, entgegnete Marko. »Mir ist kalt und ich habe Durst. Du kannst ja gerne hier bleiben, wenn du nicht mit willst.«
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