Sie schloss ihre Augen und schlief irgendwann ein.
Schweißgebadet erwachte Maria am nächsten Morgen. Sie hatte einen Albtraum gehabt. Alles, an das sie sich erinnern konnte, war, dass sie etwas von Paolo geträumt hatte.
Das kann doch nicht sein, dachte sie.
»Schatz, was ist denn los?«, fragte Alessandro, der durch ihr hastiges Aufschrecken geweckt worden war.
»Nichts, ich hab wohl nur schlecht geträumt. Schlaf weiter. Es geht schon wieder«, sagte sie immer noch schnell atmend.
»Es muss ja etwas Beunruhigendes gewesen sein, denn du bist ganz schön fertig.«
»Hm, mir ist übel. Ich bin gleich wieder da. Ich brauche ein Glas Wasser«, sagte Maria, stieg aus dem Bett und machte sich hastigen Schrittes auf in die Küche.
Dort angekommen musste sie das Fenster öffnen, da sie das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen. Sie trank ein Glas Wasser und machte sich wieder auf den Weg ins Schlafzimmer.
»Ich muss wohl etwas Falsches gegessen haben gestern Abend. Es geht schon wieder.«
»Wirklich?«
»Ja, ich denke schon.«
»Dann ist es ja gut. Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
»Schlaf noch ein bisschen, Alessandro.«
»Komm her«, sagte er und zog sie an sich.
Maria genoss seine Nähe, kuschelte sich an ihn und schlief wieder ein.
Alessandro betrachtete sie. Er war hellwach und konnte nicht wieder einschlafen. Er hielt sie in seinem Arm und sah sie an.
Wie hübsch sie ist. Hinreißend, aber so ganz anders als Sophia. Kein Wunder, dass ich mich in sie verliebt hab. Ich weiß, es war nicht richtig, sie gestern am Telefon so abzuwürgen, aber ich hatte keine Lust auf eine stundenlange Diskussion.
Außerdem hat sie mich total überrannt. Ich will nicht ständig darüber nachdenken, Sophia noch einmal wehtun zu müssen, indem wir es ihr sagen. Wie stellt sie sich das bloß vor?
Vielleicht können wir noch ein bisschen damit warten. Eventuell muss sie es gar nicht erfahren. Wer weiß, wie sich die Dinge entwickeln. Es könnte aber auch sein, dass wir von hier weggehen, denn wir können uns nicht ewig verstecken.
Manchmal ist Maria ganz schön launisch und zickig. Dann würde ich sie am liebsten gar nicht sehen wollen. Dann würde ich einfach nur meine Ruhe genießen. Aber ich hab mich doch in sie verliebt. Oder war das nur eine Schwärmerei?
Nein, es ist mehr. Ich hab schließlich meine Beziehung zu Sophia für sie aufgegeben. Oder hat Marcello recht und es war ein Fehler und ich war vielleicht doch zu voreilig?
Oh Mann, im Moment herrscht totales Gefühlschaos. Warum musste Sophia auch einfach nicht weiter auf unsere Trennung reagieren?! Sie hat es so hingenommen. Hat sie etwa jemanden kennengelernt? Ich muss herausfinden, was mit ihr los ist. Tausend Fragen geistern durch meinen Kopf – alle unbeantwortet.
Verworren das Ganze. In ein paar Wochen ist nun endlich die Spielzeit am Theater für diese Saison vorbei und ich kann mir eine kleine Auszeit gönnen.
Außerdem muss ich mir nun langsam mal darüber klar werden, mit wem ich mein Leben verbringen möchte und ob ich Sophia alles sage oder nicht. Oder ob Maria und ich vielleicht von hier weggehen.
»Oh, schon so spät. Schatz, wir sollten jetzt aufstehen, wenn wir noch zusammen frühstücken wollen«, weckte Alessandro Maria und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Mhh …«, rekelte sich Maria und machte langsam ihre Augen auf.
»Wie spät ist es denn?«, fragte sie »Okay, dann los«, und setzte sich auf, um etwas umständlich aufzustehen.
Alessandro musste sich ein Lachen verkneifen. Sie sah lustig aus so verpeilt und mit verwuschelten Haaren. Das mochte er sehr an ihr.
»Was ist denn? Was guckst du denn so?«, fragte sie, als sie mitbekam, dass er Mühe hatte, sich ein Lachen zu verkneifen.
»Nichts. Du siehst umwerfend komisch aus«, lächelte er sie an.
Sie rollte mit den Augen und lief ins Bad, wo sie zuerst einmal versuchte, ihre Haare einigermaßen zu bändigen. Nach mehreren Versuchen gelang es ihr auch.
Ein paar Straßenzüge weiter war auch Sophia eben aus den Träumen erwacht, gerade aufgestanden und frisch geduscht aus dem Bad gekommen, als ihre Gedanken an Maria sie wieder übermannten.
Irgendetwas stimmt nicht mit Maria. Sie war so komisch gestern. Irgendwie so ganz anders als sonst. Warum weicht sie mir immer aus? Das geht nun schon eine ganze Weile so mit ihr, aber gestern Abend ist es mir extrem aufgefallen.
Sie hat krampfhaft versucht, etwas zu verbergen. Wenn ich nur wüsste, was sie versucht vor mir zu verheimlichen. Ständig weicht sie mir aus, wenn ich sie direkt darauf anspreche. Warum? Ich verstehe das nicht. Das hat sie sonst nie getan.
Irgendetwas hat sie auf dem Herzen. Wir haben immer über alles geredet, wieso jetzt auf einmal nicht mehr? Oder etwa doch nicht? Das ist schon sehr merkwürdig.
Vielleicht macht sie sich doch größere Sorgen, weil ich so lange nicht da bin. Oder hängt es vielleicht mit Paolo zusammen? Wieso will sie nicht, dass er solange hier ist?
Wieso mag sie das nicht? Sie hat nie mit mir darüber gesprochen, dass irgendetwas nicht stimmt. Ist etwas vorgefallen zwischen ihnen? Ich muss mit ihr reden. Vielleicht kann ich sie ein bisschen beruhigen. Er ist für sie wie ein rotes Tuch, hab ich die Vermutung. Warum?
Noch eine gute Stunde, dann muss ich ins Büro. Aber heute scheint es ein sehr schöner Tag zu werden. Die Sonne bahnt sich langsam den Weg am Himmel und zaubert ein wundervolles Licht. Alles ist noch still heute Morgen.
Es sind kaum Menschen auf den Straßen und in den Gassen. Ich mag es, wenn mein Tag so beginnt. Leider habe ich viel zu selten die Zeit dazu, ihn so zu genießen.
Mit einem Cappuccino in der Hand und etwas frischem Obst, welches sie sich aus der Schale auf dem Küchentisch genommen hatte, setzte sie sich auf den kleinen Balkon.
Hier konnte sie am besten über alles nachdenken und ein wenig in den Tag hineinträumen, ihren Gedanken nachhängen und die Straße überblicken. Sie schaute anderen Menschen gerne zu, wenn sie so durch die Gassen bummelten.
Alessandro bereitete das Frühstück vor, während Maria im Bad verschwunden war. Nach einer ganzen Weile kam sie kreidebleich heraus und setzte sich erst einmal zu ihm in die Küche.
»Du siehst ganz blass aus. Geht es dir nicht gut?«, wollte Alessandro wissen.
»Ich habe mich gerade übergeben. Nachdem mir schon heute Nacht so schlecht war, werde ich gestern wohl tatsächlich etwas Falsches gegessen haben. Kannst du mir bitte einen Tee kochen?«
»Aber ja, setz dich hin. Kommt sofort«, sagte Alessandro lächelnd und machte sich an die Arbeit.
Maria war gar nicht gut drauf, obwohl Alessandro sich alle erdenkliche Mühe gab, sie aufzumuntern. Alles schien ihr zu viel zu sein. Sie war genervt und launisch.
So kam es, dass sich Alessandro nach einer Weile verabschiedete, um zu arbeiten, wie er sagte, und die Wohnung verließ. Er konnte sie nicht aufmuntern und es schien ihm den Tag zu versalzen, wenn er blieb.
Kaum unten auf der Straße angekommen, kaufte er sich am Kiosk eine Zeitung und lief in Richtung Park, wo er sich ein wenig setzte, um den Vormittag zu genießen. Er hatte noch ein paar Stunden Zeit, bis er am Theater sein musste, konnte aber die dicke Luft zu Hause gerade nicht mehr ertragen.
Sein Weg führte ihn vorbei an Sophias Wohnung. Sie saß auf dem Balkon und trank gerade ihren Cappuccino, als sie ihn sah.
Wie er da so entlanglief mit der eingeklemmten Zeitung unter dem Arm, lässig wie immer. So ein ungestümer Charme.
Eine enge dunkelblaue Jeans und ein weißes, leichtes Hemd umspielten seine braune Haut. Die Haare lagen perfekt. Er sah aus wie einer dieser Typen aus den Männermagazinen – einfach nur heiß.
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