Peter Mittag
Ago
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Inhaltsverzeichnis
Titel Peter Mittag Ago Dieses ebook wurde erstellt bei
1 . Kapitel Die Ankunft
2. Amalgunde
3. Das Zeichen
4. Die Falle
5. Bertram
7.Die Verfolger
8.Die Befreiung
9. Flucht aus dem Lager
10. Die Befreiung des Vaters
Impressum neobooks
Die Tür zur Waffenkammer stand weit offen. Ago war erleichtert. Dietrich, der Waffenmeister, wird also da sein. Wo sollte er auch sonst sein, dachte er. Er betrat den Raum. Es dauerte einige Augenblicke, ehe er sich an das schlechte Licht gewöhnt hatte. Das Dreibein, das unter der Bank hervor lugte, sah er trotzdem nicht. Er blieb mit dem Fuß hängen, schlug der Länge nach hin. Dabei riss er die Schilde um, die an der Wand lehnten. Ago lag am Boden, strich sich mit einer fahrigen Geste ein paar rote Strähnen aus seinem Gesicht.
„Was ist da los, was soll das Gepolter,“ dröhnte die Stimme des Waffenmeisters aus dem Dunkel der Kammer. Während Ago sich aufrappelte und sich den Staub aus der Tunika klopfte, kam der Waffenmeister näher.
„Was treibst du hier, du Nichtsnutz. Wenn du dich mal wieder vor dem Unterricht drücken willst, musst du hier nicht gleich alles durcheinander bringen.“
Ago blickte in das zornige Gesicht des Alten. Er wusste, dass er nicht wirklich wütend war, denn Gottfried war der Meinung, dass ein alter Kämpe wie er, sein weiches Herz nicht zeigen durfte. Trotzdem ärgerte Ago sich über die grobe Abfuhr. Nachdem er beim Aufräumen der Waffenkammer geholfen hatte und den ersten Schritt vor die Tür machte, prallte er fast mit Arnulf, dem Hauptmann der Burgwache zusammen.
„Ago, was machst du für ein Gesicht?“
„Ich habe versehentlich ein wenig Unordnung in der Waffenkammer gemacht. Dietrich meinte mal wieder wütend sein zu müssen. Obwohl er genau weiß, dass ich nicht darauf herein falle,“ lachte Ago, wobei seine eisgrauen Augen blitzten.
„Ich fürchte, ich muss dir deine gute Laune verderben. Pater Bertram schickt mich. Er will sich bei deiner Mutter beschweren, wenn du seinen Unterricht weiterhin so oft versäumst.“
Ago bemerkte den leisen Spott in der Stimme des Hauptmannes. Noch ehe er zu einer Antwort ansetzen konnte, ertönte ein Signalhorn. Im nächsten Augenblick stand Ago allein im Innenhof. Aber er konnte Arnulf hören, der mit befehlsgewohnter Stimme seine Anweisungen gab.
„Bogenschützen auf die Zinnen, Wehrgänge besetzen. Fallgitter runter. Tor schließen, Öl heiß machen!“
Schwere Ketten rasselten. Die mit Eisen beschlagenen Torflügel schlossen sich mit einem dumpfen Schlag.
Ago rannte quer über den Hof, nahm die Treppe zum Wehrgang mit ein paar Sätzen, machte aber sofort Platz für die nachdrängenden Wachsoldaten. In Windeseile war die Burg verteidigungsbereit. Zwischen den Zinnen, die sich oberhalb des Tores befanden, blieb er stehen.
Er sah die Staubwolke, die Senkrecht in den Himmel stieg. Sie war noch weit, fast am Ende des Tales. Was sie verbarg, konnte er nicht sehen. Aber ihm schien, als würde in der Ferne Stahl blinken.
Drohte ein Angriff? Nein, sagte er zu sich selbst, dafür sind es zu wenig. Es müssen Kreuzfahrer sein, die auf dem Heimweg sind. Er hoffte, dass er die Gesichter der Menschen erkennen konnte, wenn sie erst einmal nahe genug heran gekommen waren. Er spürte eine Bewegung neben sich. Arnulf gesellte sich zu ihm.
„Das kann nur ein großer Heerhaufen sein “, hörte Ago ihn sagen. Allmählich konnte er mehr sehen. Schemenhafte Schatten tauchten in dem Dunst auf.
Der Heerhaufen kam näher und Ago konnte, wenn auch nur schemenhaft, einzelne Reiter erkennen.
Volker von Reims, der Herold, trat zu ihm.
„Volker, wirst du mir die Namen zu den Wappen auf den Schilden nennen können?“, fragte Ago.
Volker nickte, ohne den Blick von dem Geschehen zu nehmen. Endlich erkannte Ago einzelne Reiter, denen Fußtruppen folgten, dazwischen immer wieder schwere Ochsengespanne.
Die ersten Ritter bogen auf den Fahrweg ein, der sie in weiten Schwüngen hinauf zur Schauenburg führte. Jetzt konnte Ago die Wappen auf den Schilden, den Bannern und Wimpeln unterscheiden. Unübersehbar leuchtete das Zeichen der Kreuzfahrer auf den Waffenröcken. Aufgeregt lief er hin und her, denn die Kreuzfahrer kamen tatsächlich aus den Heiligen Land, so wie er es sich gewünscht hatte.
„Es sind Kreuzfahrer. Der Vater wird dabei sein. Er muss unter ihnen sein“, flüsterte er. Ago, der in der Betrachtung der Ankommenden versunken war, zuckte zusammen, als der Herold mit lauter Stimme die Namen der Ritter rief, die er erkannte.
“Herr Wate von Stürmen, Graf Adhemar von Monteil, Markgraf Albert von Aachen Markgraf Agilhardt von Praunfalk.“
Dazwischen erklang immer wieder die Stimme Arnulfs, der seine Befehle erteilte. „Die Waffen runter, das Tor hoch!“
Nun waren die Männer auf ihren Pferden so nahe, dass Ago sie gut erkennen konnte. Verzweifelt huschten seine Augen über die Gesichter der Reiter.
Vater, wo bist du? rief er in Gedanken. Händeringend suchte er nach dem Ritter mit der breiten Narbe quer über der Stirn, nach blonden Haaren, die unter dem Helmrand hervor schauten. Er hielt Ausschau nach dem Wappen mit den goldenen Sonnen im Schildhaupt und dem roten Eberkopf darunter. Aber er konnte es nicht finden. Ein Karren mit Verwundeten näherte sich. Das Stöhnen und Wimmern der schwer verletzten drang bis zu ihm herauf. Fieberglänzende, weit aufgerissene Augen starrten ihm entgegen, der Gestank fauliger Gliedmaßen stieg ihm in die Nase. Einer der Ritter, der direkt an der Karrenwand hinter dem Gespannführer saß, hob den mit Schwären bedeckten Arm, als wolle er Ago grüßen. Aus den leeren Augenhöhlen lief Eiter herunter. Ago ertrug den Anblick nicht länger und wandte den Blick auf das Ende des Zuges.
Längst war der ganze Tross im Inneren der Burg verschwunden. Ago stand noch immer auf dem Wehrgang.
Sehnsüchtig starrte er zwischen den Zinnen hindurch in die Ferne, wartete auf die Nachzügler, die vielleicht noch kommen würden. Der Weg, der sich durch das weite Tal schlängelte, blieb leer. Nur feiner, gelber Staub lag noch in der Luft. Wieder hatte er vergebens gehofft und gewartet.
Schlimmer noch: Bohrender Zweifel breitete sich in ihm aus, er konnte nicht mehr so recht an die Rückkehr das Vaters glauben. In seinem Kummer sah er den lange Vermissten irgendwo im blutgetränkten Wüstensand liegen. Der Gedanke daran trieb ihm die Tränen in die Augen.
Auch die Markgräfin Burghild von der Schauenburg, Agos Mutter, hatte die fremden Reiter voller Spannung an sich vorüber ziehen lassen. Die Kreuzfahrer hatten auch sie in
Aufregung versetzt, denn wenn sie auch ihren Gatten nicht unter ihnen fand, so hoffte sie doch inständig auf gute Nachrichten von ihm. Sie sah aber auch, dass einige von ihnen dringend Hilfe benötigten. Die fremden Ritter wurden
mit ihren Knappen und Knechten eingeladen, solange auf der Schauenburg zu verweilen, bis alle wieder bei Kräften waren und an die Weiterreise denken konnten.
Burghild selbst war es dann auch, die sich zusammen mit ihren Kammerfrauen um die Verletzten kümmerte, Wunden versorgte, Trost spendete, Betten mit frischem Linnen bezog, um darauf die Verwundeten zu betten.
Dabei vergaß die Burgherrin nicht, auch für die Gesunden zu sorgen. Sie konnten sich den Reisestaub abwaschen und sich an sauberer, ihrem jeweiligen Stand entsprechender Kleidung bedienen. Währenddessen ließ Burghild die Feuer in der Küche anfachen. Brot wurde gebacken, allerlei Wild verschwand in den Töpfen, Hühner ließen ihr Leben auf dem Spieß. Bald zog ein verlockender Duft durch die Räume der Burg.
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