Dad verteilt wütende Blicke, dass er eigentlich Recht hat, aber natürlich bei dem Affentheater, das ich abziehen, nichts sagen kann.
Mom nimmt mich in die Arme, ich helfe zusätzlich mit den wohl erprobten Armschlingen und noch lauterem Geheule nach.
„Aber nein, mein Baby, das hat Dad doch wirklich nicht so gemeint“, versucht Mom mich zu trösten.
Jetzt nur nicht lockerlassen, Eltern sind mit allen Wassern gewaschen und kennen jeden Trick.
Mom wirft Dad giftige Blicke zu, so von der Art: wir hätten sie im Sack gehabt und du vermasselst alles mit deiner dummen Schnauze .
Dad bleibt nichts weiter als ein Stoßgebet gegen den Himmel und ein Riesenseufzer in meine Richtung zu schicken.
„Na gut, hör bitte mit der Heulerei auf. Wir fahren ins Kino rüber und holen den Löwen her“, sagt Dad halbherzig.
Obacht: noch ist Dad nicht weichgeklopft.
„Und was machen wir dann? Darf ich ihn behalten?“ wimmere ich.
„Weiß nicht. Sag du was“, sagt Dad ziemlich entnervt zu Mom.
Mom straft ihren Mann mit dem bösen Blick.
„Also was ist, Mom“, bettle ich, mit dem treuherzigsten „kleines Entleinblick“.
„Also gut, aber nur übers Wochenende. Und dann ist Schluss mit dem Unfug, kapiert?“
„Darüber müssen wir noch verhandeln. Also was das Finanzielle betrifft, sind wir schon mal drei. Bernadette und Sarah sind auch dabei und wir legen bestimmt zusammen.“
„Sind die Ladies informiert?“ will Dad sofort wissen.
„Claro!“ fauche ich zurück.
„Na wer weiß? Wenn es ums Geld geht, sind Frauen oft ziemlich vergesslich.“
Bingo. Jetzt hat Dad sich total ins Abseits gekickt.
Mom drückt mich fester an sich und streichelt mich, ich schmiege mich an Mom.
„So ein Unsinn, die Mädels sind total okay“, gibt Mom zurück, „du solltest eher stolz sein, was für eine couragierte Tochter wir zu Hause haben und ihre Freundinnen sind es auch.“
„Na ja.“, Dad sagt nichts mehr.
Mom setzt noch einmal zur Moralpredigt an.
„Das mit dem Finanziellen ist ein echtes Problem, du darfst da nicht kneifen, wenn es ernst wird.“
„Ja, ja, so ein Löwe frisst dich arm, der verputzt fünf Kilo Fleisch am Tag. Lungenbraten und Steaks, also alles was gut und sehr teuer ist“, hakt Dad sofort nach, um seine Chancen in dieser absoluten Verlierergeschichte zu verbessern.
„Übers Wochenende kommen wir sicher mit etwas Milch, Holundersaft und Marillenkuchen durch“, meine ich.
„Verstehe, die Damen kennen sich schon aus“, sagt Dad.
„Auf Holundersaft und Marillenkuchen steht Herkules ganz schwer“, sage ich, gleich ein freches Lächeln nachschieben und die Locke aus dem verheulten Gesichtchen wischen, das wirkt immer.
„Nun gut, das Wochenende wird uns nicht gleich ins Armenhaus bringen. Aber was ist dann? Darf ich dich erinnern, dass du mit dem Ersparten eigentlich nach der Matura in die USA aufbrechen wolltest?“ moralapostelt Mom.
Hm? Tja, das stimmt natürlich. Die USA. Traumland Amerika. Dort ist es bekanntlich nicht gerade billig, besonders dann nicht, wenn man als gestandener Filmfreak das klassische Hollywood abklappert.
„Los Angeles, die Universalstudios, Hollywood, der american way of life“, flötet Dad. Vielleicht, vielleicht, vielleicht kann er mich doch noch in die Pfanne hauen! Man/frau/Dad/Mom muss es nur versuchen.
„Also, wenn ich es mir recht überlebe, dann laufen 300 Millionen Amis nicht so schnell davon, aber einen kleinen Löwen hat man nur einmal im Leben. Ich will Herkules behalten“, sage ich mit der Gewissheit, wie bei einem Schwur auf die Bibel.
Mom und Dad bleibt nichts anderes übrig als die Sache abzuwinken.
„Na gut, bring den kleinen Kerl her, und zwar dalli!“ bestimmt mein Vater.
Ich freue mich riesig. Sofort werden dicke Bussis an meine Eltern verteilt und weg bin ich.
Ich rausche mit dem Fahrrad ins Kino hinüber, dort werde ich schon von Herkules sehnsüchtig erwartet. Mit den Pfoten steht er an der Glastür und schaut ganz erwartungsvoll auf die Hauptstrasse hinaus. Kaum bin ich im Foyer springt er auch schon hoch und schnurrt und leckt mir das Gesicht.
Ich packe ihn ins Körbchen und bringe ihn zu meinem Fahrrad hinüber. „So jetzt geht es ab nach Hause, mein Lieber“, sagte ich.
Ich stelle meine wertvolle Fracht in den Fahrradkorb am Gepäcksträger und los geht’s.
Natürlich lasse ich mir eine Hauptplatzrunde nicht nehmen, Herkules soll ja gleich wissen, wo in diesem Kuckucksnest von Kleinstadt der Bär brummt.
Die alten Hunde über zwanzig lassen das Maul hängen, die Kinder freuen sich und winken, ganz die alten Knacker halten Maulaffen feil.
Selbst Schuld, der Löwe gehört den Powergirls, ihr Halunken!
Schon bin ich zu Hause.
Ich weiß nicht ob es der Duft der Bratwürste ist, unserem üblichen Samstagsmenü, oder der Geruch der Bratkartoffeln, kaum steht das Fahrrad, springt der kleine Herkules, kühn wie sein großer Fetter in der fernen Antike, aus dem Körbchen und saust mit Siebenmeilenstiefel zur Haustür hinüber.
Mom, neugierig wie sie ist, hat natürlich hinter dem Küchenfenster Ausschau nach uns gehalten und stürmt aus dem Haus, der kleine Racker weiß, wie man Frauen bezirzt. Er springt an Mom hoch und ihr bleibt nichts weiter übrig, als den kleinen Löwen im Flug aufzufangen und an die Brust zu drücken. Sofort beginnt der Schwerenöter zu schnurren und die große Katzenmutti abzulecken.
Mom freut sich riesig. Keine Rede mehr von Moralpredigten der Art, so einen Löwen können wir uns gar nicht leisten, sie streichelt und knuddelt den kleinen Kerl, so, als wäre er schon immer bei uns gewesen.
Dad pantoffelt auch daher. Aufgepasst Genossen, jetzt wird es ganz heikel!
Ach was. Alle Sorge war vergeblich. Dad nimmt den kleinen Löwen seiner Frau ab und spielt mit ihm, wie ein kleiner Lauser aus der ersten Klasse, der sich bis über beide Ohren freut, dass er eine kleine Katze haben darf.
Wer von uns beiden wohl der/die kindischere ist?
„Monica, wieso hast du das süße Tierchen nicht früher hergebracht“, ist der elterliche Tenor.
Na super, jetzt bin ich natürlich wieder an allem schuld. Gerade vorhin wollten mich die beiden Komplizen des Kapitals nach Strich und Faden fertig machen und jetzt steht der neue Mitbewohner außer jeder Diskussion.
Wir drei, tut mir schrecklich leid, wir vier gehen ins Haus, die Bratwürste warten. Herkules bekommt seine Milch und einen guten Teller Katzenfutter.
Allen schmeckt es prima.
Bei Tisch nörgelt Dad herum, dass Mom die Biolehrerin rausschmeißen soll, weil es ihr offensichtlich nicht gelungen ist einem Teenager in der letzten Klasse beizubringen, dass Löwen in die Savanne gehören und in Österreich (noch) nicht heimisch sind.
Mom kontert, dass das eher ein Fall für die Zivilgesellschaft und nicht für das Gewaltmonopol des Staates ist.
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