„Dieser junge Mann heißt „Herkules“ und kommt vom Planeten der Löwen. Du hast sicher von dem Tiertransport gehört, der vor ein paar Tagen verunglückt ist. Wie auch immer hat es der kleine Herkules hier her ins Kino geschafft und jetzt ist er hier“, argumentiere ich.
„Hm? Das ist ein gutes Argument. Kommt mal rein mit ihm, so ein Herkules braucht sicher Futter“, sagt der Verrückte.
Der aller größte Megaseufzer der Erleichterung verlässt uns nicht.
Total erleichtert folgen Bernadette und ich mit unserem lieben kleinen Löwen dem Verrückten ins Kino.
Kapitel 5: Amerika oder Afrika? Wo würdet ihr Ferien machen?
Mein Dad kann NICHT zuhören. Zerknautsch nach einer langen Nacht im Kino erscheine ich am Frühstückstisch. Dad, ganz der Bulle vom Dienst, kommt gleich zur Sache.
„Was höre ich da für Geschichten?“
„Was denn für Geschichten?“
„Nicht klugscheißen, Baby, wo ist der Löwe?“
„Was für ein Löwe?“
„Bitte hör sofort mit dem kindischen Theater auf und rück den kleinen Löwen raus. Wo hast du ihn versteckt?“
Darf denn das wahr sein? Hat uns der Verrückte doch glatt verpfiffen!
„Ich weiß nicht, wie und wo ich einen Löwen verstecken sollte? Nähere Infos wären schon nötig!“
„Darf ich auch mal wissen, worum es geht?“ meldet sich Mom.
„Ein Blick ins Netz genügt und du weißt alles.“ Mein Vater trinkt unbeeindruckt seinen Frühstückskaffee. „Also zum letzten Mal, wo ist der Löwe?“
„Ja was für ein Löwe? Monica, was hast du mit der Sache zu tun?“
„Sie ist wieder mal der Star im Netz. Angeblich haben sie und ihre Weiber einen kleinen Löwen irgendwo aufgegabelt und versteckt. Man muss nicht von vorgestern sein, um zu wissen, dass es sich um den letzten Überlebenden aus dem Tiertransporter handelt, den ein Oberlump vor ein paar Tagen in den Strassengraben gesetzt hat. Es stand in der Zeitung“, lustvoll faselt Dad sein Bürokartendeutsch.
„Hast du den Löwen im Kino versteckt?“ fragt Mom.
Aha, scheinbar hat der Verrückte Dad doch nicht informiert.
„Wie auch immer, ich gebe den kleinen Herkules nicht her!“
„Ach, Herkules, heißt er. Das wird ja immer besser. Einen Namen hat er also auch schon“, feixt mein Vater.
„Ja selbstverständlich! Jede kleine Katze hat einen Namen. Mich habt ihr ja auch Monica genannt! Schon vergessen?“
„Mom, bitte unternimm etwas gegen deine Tochter!“, bestimmt Dad und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
Soviel Ignoranz muss bestraft werden. Ich lege mit einem meiner berüchtigten Supermarcati los.
Dad ignoriert mein Geschrei und Gekeife völlig. Mom kann sich das Lachen kaum verbeißen.
„Was hat die denn? Spinnt die?“ fragt Dad und frühstückt unbeeindruckt weiter.
„Das sind nur die Nerven. Das gibt sich wieder. Typisch, siebzehnjähriges Mädchen“, antwortet Mom spitzbübisch.
„Na wenn das so ist, dann ist ja alles in Ordnung“, sagt Dad und trinkt seinen Kaffee.
Na mehr brauchen die beiden alten Schwerenöter nicht.
„Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiih!“ kreische ich los. „Kann mir denn einmal jemand in diesem Haus zuhören! Hier handelt es sich um ein ganz kleines, wehrloses Tierchen, das ganz allein ist und dringend Unterstützung braucht! Euer ignorantes Geschwätz bringt nichts! Absolut nichts! Davon wird der kleine Herkules auch kein großer!“ donnere ich los.
„Nicht dieser Ton!“ mahnt Mom mich ein.
„Ganz recht. Ein Löwe gehört nach Afrika in die Savanne und nicht in ein Kino. Ist das logisch? Und da wir nicht in Afrika sind, sondern in der EU, ist der Herr Herkules sicher aus einem Drittland und kommt a) ins Tierheim und wird b) wieder dorthin abgeschoben wo er hergekommen ist. Natürlich nicht bevor er c) etwas auf Kosten der Steuerzahler aufgepäppelt worden ist“, macht sich der Oberbulle wichtig.
„Ich werde dir was sagen! Mein Herkules wird bestimmt nicht im Tierheim landen und wie die armen Kids mit ausgelaufenem Schülervisum abgeschoben! Soll er etwa auch zur IS gehen? Willst du das?!“ brülle ich meinen Vater an.
Dad haut die flache Hand auf den Tisch. „Still jetzt! Noch ein Wort und es setzt was!“
Das sind keine leeren Drohungen. Zwölfte Klasse hin, Maturajahrgang her, jetzt heißt es die Klappe halten, oh meine Schwestern und Brüder.
„Schon mal nachgedacht, was die Aufzucht von so einem Löwen kostet? Ganz abgesehen davon, dass wir hier weder den Platz, noch den geeigneten Ort haben, um einen Löwen artgerecht zu halten? Hinterstübchen einschalten, Baby!“
Jetzt kommt das „guter Polizist, böser Polizist“-Spiel, das kenne ich bis zur Genüge.
Mom spielt die gute Bullenrolle. Sie nimmt meine Hand. „Ach Baby, du bist jetzt in der Maturaklasse, so ein kleiner Löwe lenkt dich doch nur vom Lernen ab und die Vorbereitungen für die Matura sind umfangreich, das weißt du doch.“
„Hör auf deine Mutter, die ist vom Fach!“ stimmt Dad zu.
Mir bleibt die Spucke weg. Da wollen mir die beiden Oberschlauen doch glatt mit der dummen Penne den kleinen Herkules abspenstig machen. Niemals!
„Ich pfeife auf die Matura!“ schreie ich.
Autsch! Fettnäpfchen. Ganz dickes, tiefes Megafettnäpfchen.
Mom und Dad tauschen bestätigende Blicke aus, das kommt ja nun wirklich nicht in die Tüte.
Die Anführungszeichen werden bemüht.
„Na, wenn das so ist, dann ist jede Diskussion sofort beendet“, sagt meine Mutter.
Dad sagt nichts, brummt nur zustimmend und zeigt auf meine Mutter.
„Sofort wird der Löwe abgegeben und von Dad ins Tierheim gebracht“, legt Mom unvorsichtig nach.
Dad räuspert sich.
Merke: dem alten Bullenfuchs ist es gar nicht recht, dass die Polizei die Schutzarbeit erledigen muss.
„Nur nichts überstürzen, das muss von uns gemeinsam erledigt werden“, rudert Dad zurück.
Das ist meine Chance!
„Also, wenn es nur um den schnöden Mammon geht, dann sehe ich da gar kein Problem. Was kann die Aufzucht von so einem kleinen Löwen für ein Jahr kosten? Mehr als 5000 Euro bestimmt nicht, oder?“, lege ich los.
„Spinnst du? Das ist eine schöne Stange Geld!“ fährt Dad mich an.
„Schon vergessen, dass ich liquid bin? Ich habe 20.000 Euro auf der hohen Kante“, belle ich zurück.
„Die du bei deinem zweifelhaften Sommerjob zusammengeschnorrt hast, bei dem ich dich dann rausboxen musste!“ setzt mein Vater nach.
„Dad!“ schreie ich.
Dad rührt kräftig weiter in meiner unrühmlichen Vergangenheit: „Wie war das doch noch mal? 5 Euro der Kuss? Bis zu 300 Euro für das ganze Service, Extras inbegriffen …“
So nicht! So wirklich nicht! So lasse ich wirklich nicht mit mir reden.
Huhuhuhuhuhuhuhuh, heule ich wie die Sirene los. „Sag doch gleich, dass ich eine Nutte bin“, schluchze ich und heule herzzerreißend wie der größte Schlosshund von Schloss Neuschwanstein.
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