Und der Angriff kam. Nach ein paar Wochen. Eine große Flotte Entarr-Schiffe landete vor der Fabrik. Die schiere Übermacht des Feindes sollte sie vor Angst erstarren lassen. Aus den Schiffen sprangen hunderte, möglicherweise tausende von Soldaten. Es würde ein kurzes Gefecht werden, sie würden die Fabrik und die irdischen Verteidiger überrennen… doch dann erschienen sie, die Supersoldaten. Schneller, beweglicher, brutaler. Sie schienen nicht einmal Waffen zu brauchen. Ungebremst rasten sie durch die Reihen und massakrierten die Entarr zu hunderten, bevor die wussten, wie ihnen geschah. Sie stürmten die Schiffe des Feindes und sprengten sie. Sie ließen niemanden am Leben. Als sich ein paar Stunden später der Rauch legte, war das Gelände vor der Fabrik übersät mit Leichen. Die meisten waren Entarr, aber es waren auch ein paar Menschen darunter.
Hansen wollte gerade auf das Schlachtfeld hinaustreten, als eine weitere Angriffswelle der Entarr auftauchte. Sie beschossen das Feld mit Raketen und viele der Supersoldaten wurden getötet. Aber nicht alle. Als die Schiffe niedergingen, sprangen einige der Männer auf und sprangen hinauf in die Luft. Sie klammerten sich an den Außenseiten der Schiffe fest und warfen Granaten in die Öffnungen der Antriebe. Die Schiffe explodierten und stürzten auf den Boden. Wenige Entarr schafften es, die Wracks ihrer Schiffe zu verlassen. Sie wurden gnadenlos niedergemetzelt. In den Truppen der Menschen weckte das neuen Mut und sie stürmten hinaus, um Seite an Seite mit ihren zu Supersoldaten gemachten Kameraden zu kämpfen. Die Supersoldaten mähten sie nieder. Sie kannten weder Freund noch Feind, konnten nicht unterscheiden, wer auf ihrer Seite war und wer gegen sie. Nachdem sie sichergegangen waren, dass alle Entarr tot waren, liefen sie zurück zu den Schiffen, mit denen sie gekommen waren. Die Schiffe hoben ab und stoben davon.
„Haben wir noch eine Sonde mit Überlichtkapazität?“ fragte Hansen.
Vingst nickte.
„Schicken Sie sie denen hinterher. Ich will wissen, wo die hinwollen.“
Doch seine Ahnung bestätigte sich wenig später. Die Schiffe der Supersoldaten nahmen Kurs auf die Kolonie der Entarr. Als die Sonde den Planeten erreichte, fand sie nur noch ein Bild der Verwüstung vor. Die Supersoldaten hatten alle Kolonisten niedergemetzelt. Kein Leben war verschont worden. Die Überlebenden von ihnen, kaum mehr als hundert, saßen auf den rauchenden Trümmern und freuten sich ihres Sieges oder warteten auf weitere Befehle, Hansen wusste es nicht.
„Wir haben gewonnen, oder?“ fragte Vingst unsicher.
„ Das Bankenkonsortium hat gewonnen. Wir haben verloren. Und ‚wir’ deckt dabei die Begriffe ‚Imperium’ oder ‚Menschheit’ allgemein ab. Die Entarr haben verloren, aber ein Sieg ist das nicht.“
„Was machen wir jetzt?“
„Hoffen, dass wir bald abgeholt werden. Ich glaube nicht, dass New Detroit uns jetzt noch lange hier duldet.“
Er sollte recht behalten. Der Kriegsrat hatte seine Armee, eine unschlagbare Armee, wie es schien. Es würde neue Verhandlungen mit dem Imperium geben, kündigte man an. Das Imperium sollte New Detroit von nun an als autonome Kolonie betrachten, als einen Ort außerhalb des Imperiums. Das Imperium dürfe eine Botschaft einrichten, aber eine Garnison verbitte man sich.
„Sind Sie sicher, dass Sie es so haben wollen?“ fragte Hansen, den man gerade zum Captain befördert hatte. Er stand dem Rat gegenüber, der sich inzwischen nur noch als Kriegsrat bezeichnete, ein letztes Mal, wie er hoffte. Eine kleine Armada von Imperialen Kreuzern hatte den Planeten erreicht, aber ihre Aufgabe war es nur noch, die Imperialen Offiziere, die die Schlacht überlebt hatten, abzuholen. Die Island hatte man in Schlepp genommen. Sie würde auf der nächsten Basis ins Trockendock kommen, um zu sehen, was man noch retten konnte.
„Dass wir uns vom Imperium lösen?“
„Oh, ich meinte eher das Problem, das Sie sich erschaffen haben.“
„Ich weiß nicht, welches Problem Sie meinen“, sagte Teuer von oben herab.
„Ich bin sicher, Sie werden es feststellen. Sie haben sich die besten Kämpfer der Galaxis geschaffen…“
„Meine Worte“, rief Teuer stolz.
„…wenn die mal nichts mehr zu kämpfen haben, dann werden sie zu Ihnen kommen.“
„Und dann?“
„Dann rufen Sie um Hilfe!“
Genau so war es gekommen. Jahre nach der Auseinandersetzung mit den Entarr waren die Kriege beendet. Die Supersoldaten hatten ihre Aufgabe erfüllt. Und nun wollten sie das, was man ihnen versprochen hatte. Man verweigerte es ihnen… und nun hatten sie Geiseln genommen.
„Und was hab ich damit zu tun?“ fragte Hansen, der ziemlich genau wusste, was er damit zu tun hatte.
„Sie sind ein Kenner der Lage“, meinte Gouverneur Schlorick, der für diese Region des Imperiums verantwortlich war. Die Verbindung zu New Detroit war nach dem Entarr-Krieg ein wenig distanzierter geworden, doch sie war nie ganz abgebrochen.
„Meinen Sie damit Geiselnahmen oder den ‚Kriegsrat’?“ wollte Hansen wissen. Er kannte die Antwort bereits.
„Beides.“
„Na toll!“
Nachdem die Supersoldaten über die Kolonie der Entarr hergefallen waren, hatte deren Regierung natürlich eine offizielle Beschwerde gegen das Imperium und New Detroit eingereicht. Hier war dem gerade beförderten Kapitän Hansen noch einmal eine wichtige Rolle zugefallen, als er den anderen Völkern bewies, zu welcher Art von Kriegsverbrechen wiederum die Entarr fähig waren. Da bereits viele Völker mit ihnen aneinander geraten waren, nun aber endlich ein klarer Beweis für ihre Taktiken vorlag, wendete sich das Blatt und es waren die Entarr, die in Zukunft unter starker Beobachtung der anderen Völker stehen würden. Ihr bisheriges Verhalten, das machte man ihnen ganz deutlich klar, würde man sich nicht mehr bieten lassen.
Hansen bekam neue Aufgaben, ein eigenes Schiff und eine neue Crew. Ein paar Jahre später hatte er die Idee, wie man die inzwischen etwas bessere Zusammenarbeit mit den anderen Völkern der Galaxis für alle sinnvoll einsetzen konnte, ein Plan, der viel Herumreisen und eine Menge Zeit in Anspruch nahm, der sich aber als sehr erfolgreich erweisen sollte.
„Man hat Sie extra angefordert“, erklärte der Gouverneur.
„Schon wieder?“ Und dabei hatte man doch genau das verhindern wollen.
„Also nicht Sie persönlich“, stellte Schlorick klar, „aber den örtlichen Vertreter des Imperiums.“
„Warum?“
„Vielleicht, weil sie gemerkt haben, dass ihnen die Sache über den Kopf gewachsen ist?“
„Oder damit sie jemanden haben, auf den sie die Schuld schieben können.“
„Und da sind Sie doch perfekt für geeignet.“
„Das Gefühl habe ich allerdings auch“, murrte Hansen. Streng genommen wunderte es ihn, dass es so lange gedauert hatte. Also nicht, dass sich der Kriegsrat an das Imperium wandte, sondern dass die Supersoldaten zu einem Problem für ihn wurden. Offensichtlich hatte der Rat genug Konflikte gefunden – oder, wahrscheinlicher: geschaffen! –, in denen er die Supersoldaten einsetzen konnte, nicht, um die bei Laune, sondern um sie beschäftigt zu halten. Er konnte sich gut vorstellen, dass er sie auch an andere Völker „ausgeliehen“ hatte, so eine Art Söldnerarmee, die für gutes Geld für jeden kämpfte, der es sich leisten konnte. Doch nun schienen alle Schlachten geschlagen zu sein und die Soldaten forderten das ein, was man ihnen vor Jahren versprochen hatte.
Die Geschichte war so, wie er sie schon tausendmal gehört hatte, so, wie es mit Soldaten, ob sie nun Super- sein mochten oder nicht, fast immer zu enden schienen. Nach den Kriegen, für die man sie zu Kampfmaschinen, zu Mördern, zu Monstern gemacht hatte, kehrten sie in ihre Heimat zurück. Doch ihre Heimat dankte es ihnen nicht. Sie behandelte sie nicht wie Helden, wie Befreier, wie Könige. Sie behandelte sie wie Dreck. Es gab keine Arbeit für sie, keine Freude, kein Leben. Und es gab noch einen anderen Grund, warum sie kein normales Leben führen konnten, so wie früher: sie waren anders. Sie waren Killer. Darauf programmiert, zu kämpfen und zu töten. So kam es zu Toten. Sie waren nicht beabsichtigt, aber es gab sie, weil die Supersoldaten so reagierten, wie man es ihnen eingeimpft hatte. Unschuldige starben. Der Kriegsrat beschloss das, was derartige Räte in derartigen Situationen immer beschlossen: Verbannung! Die Supersoldaten waren auf New Detroit nicht mehr willkommen und sollte sich einer von ihnen dem Planeten nähern, hatte jeder Bürger von ND das Recht und die Pflicht, ihn zu töten. Bevor man den nächsten Schritt, nämlich Killerkommandos zu gründen, die die Supersoldaten gezielt jagen und töten sollten, einleiten konnte, nahmen die ein paar Geiseln und das war der Zeitpunkt, zu dem Hansen ins Spiel kam.
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