„Wir sind alle sehr gut behandelt worden.“
„Okay.“ Hansen kratzte sich am Kinn. „Die Situation ist… ein bisschen knifflig“, meinte er dann. „Offiziell ist dieser Planet nicht dem Imperium unterstellt, was die Frage, ob ich hier offizielle Schritte unternehmen kann…“
„Wir sind Bürger des Imperiums!“ rief Treeman schnell. „Wir alle. Alle Menschen. Wir zahlen unsere Steuern, wir beliefern das Imperium, wir leben nur außerhalb. Wir sind Bürger des Imperiums“, wiederholte er.
„Gut“, meinte Hansen, „schön, dass das geklärt wäre.“
„Sie müssen uns befreien“, sagte Treeman nun eindringlich. „Bitte!“
„Ich werde sehen, was ich tun kann.“ Hansen sah nun wieder zu Plpptrt Wng. „Tja, dann wäre jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, dass Sie uns Ihre Forderungen nennen.“
„Es tut uns sehr leid“, begann Plpptrt Wng und Hansen hatte sofort ein mulmiges Gefühl. Eine solche Eröffnung verhieß selten etwas Gutes. „Wir haben leider keinen anderen Weg gesehen“, fuhr das käferartige Wesen fort, „wir haben versucht, mit unserer Regierung zu sprechen, aber die hat uns verkauft. Damit hatten wir keine Rechte mehr. Wir hatten kein Recht, mit Ihrer Regierung Verbindung aufzunehmen. Es ist uns untersagt. Deshalb… deshalb haben wir diesen Weg gewählt. Es tut uns sehr leid.“
„Sehr“, bestätigte Plpptrt Sgn, seine Lebensgefährtin.
„Ich fürchte, ich verstehe nicht“, meinte Hansen langsam. Für gewöhnlich war das der Zeitpunkt, wo die Terroristen anfingen, ihre Geiseln zu ermorden, sich selbst in die Luft zu sprengen und zu schreien, dass sie das für irgendeinen Gott tun würden. Jedenfalls in dem Hintergrundmaterial, das sich Hansen nach seinem ersten Kontakt mit Geiselnehmern beschafft hatte. Und dieses „Hintergrundmaterial“, wie es das Imperiale Archiv genannt hatte, bestand zu einem Großteil aus alten Filmen und Büchern. Da waren viele dieser Situationen eskaliert und schlecht geendet und er hatte das ungute Gefühl, dass man hier gerade auf einen derartigen Höhepunkt zusteuerte. Unsicher blickte er hinüber zum Waffenschaltpult. Er konnte das gesamte Anwesen mit ein paar Klicks zerstören – aber damit würden auch alle Geiseln tot sein und nichts war damit gewonnen.
„Wir sind hierher gekommen“, erklärte Plpptrt Wng nun, „um frei zu sein. Man sagte uns, wir würden auf Menschen treffen, eine Art, die wir nicht kannten. Man sagte uns, wir sollten friedlich mit den Menschen zusammenleben.“
„Was ist passiert?“
„Wir kamen hierher. Wir trafen die Menschen. Die Menschen zeigten uns, wie wir unsere Fähigkeiten einsetzen konnten.“
„Und wie konnten Sie das?“
„Wir sind gute Arbeiter. Wir haben alle Felder bestellt und geerntet. Wir haben aus der Ernte Stoffe gesponnen. Wir sind gute Arbeiter.“
Hansen hatte eine Idee.
„Hat man Sie dafür bezahlt?“
„Nein. Man hat uns Nahrung gegeben und Wasser. Sonst nichts.“
„Und Sie mussten arbeiten. Für die Menschen.“
„Ja. Es gibt hier keine Maschinen, denn sie sind nicht nötig. Wir machen alle Arbeit. Für die Menschen.“
„Wie Sklaven.“
„Als Sklaven. Wir waren Sklaven in unserer Welt. Wir wollten hierher, um frei zu sein. Man hat uns belogen.“
„Sie haben mit Ihrer Regierung gesprochen?“
Plpptrt Wng gluckste zustimmend. „Wir wollten nicht mehr ausgenutzt werden. Wir wollten fort. Auf eine andere Welt. Man hat es uns verboten.“
„Ihre Regierung hat es Ihnen verboten?“
„Erst die Menschen. Als wir gehen wollten. Sie haben es uns verboten. Wir haben uns an unsere Regierung gewandt. Sie hat es uns verboten. Sie sagte, wir gehören jetzt den Menschen.“
Hansen drehte sich zu seiner ersten Offizierin um. „Gab es da nicht irgendwelche Abschlagszahlungen, die an die Regierung der Duoga gezahlt werden?“
Sie rief kurz ein paar Akten auf, dann nickte sie. „Für alle Einnahmen werden Abschlagszahlungen an die Duoga geltend gemacht – die man steuerlich geltend gemacht hat.“
„Aha“, Hansen rieb sich das Kinn. „Also nicht nur für die Sklaven gezahlt, sondern sich das auch noch vom Finanzamt zurückerstatten lassen.“ Er wandte sich wieder an Plpptrt Wng. „Sie sind also Sklaven der menschlichen Gemeinde, weil Ihre Regierung Sie an diese Menschen verkauft hat?!“
„Ja“, bestätigte das Wesen.
„Und Ihre Forderungen?“
„Wir wollen frei sein. Wir wollen diesen Menschen nicht mehr gehören. Wir haben gehofft, Sie könnten helfen. Deshalb tun wir dies.“
Hansen nickte nachdenklich. Dann fragte er: „Sind irgendwelche Geiseln zu Schaden gekommen?“
„Nein“, antwortete Plpptrt Wng.
„Gut.“ Hansen dachte nach.
Vingst trat neben ihn. „Sie sehen so aus, als planten Sie etwas, das Sie das Kommando kosten könnte.“
„Sie kennen mich einfach zu gut“, lächelte er. „Denn genau das habe ich vor.“ Er erhob sich und trat vor den Bildschirm. „Plpptrt Wng, ich sehe, dass Sie sich nicht an Ihre Regierung wenden können – denn Ihre Regierung ist offensichtlich nicht mehr für sie zuständig. Sie hat sie an die menschliche Gemeinde von New Xtrpwtz verkauft, an Bürger des Imperiums.“ Er machte eine kurze Pause. „Bürgern des Imperiums ist es aber nicht erlaubt, Sklaven zu haben. Sklaverei ist im Imperium verboten und Sie haben uns die Beweise erbracht, dass diese Menschen, die sich als Ihre Herren aufspielen, der Sklaverei und damit eines Verbrechens schuldig sind. Ich werde umgehend dafür sorgen, dass diese Angelegenheit eingehend untersucht wird und alle in diese Verbrechen involvierten Personen angezeigt und angeklagt werden.“
„Betrifft das nicht die komplette menschliche Bevölkerung von New Xtrpwtz?“ fragte Vingst leise.
„Klingt das so, als wäre das mein Problem?“
„Ich habe die Befürchtung, nein.“
„Und Sie haben absolut recht.“ Hansen lächelte. „Das bedeutet, Plpptrt Wng, da Ihre Regierung Sie verkauft hat und da Bürgern des Imperiums der Besitz von Sklaven verboten ist, dass Sie keinen Besitzer haben, also offensichtlich keine Sklaven und damit frei sind.“
Plpptrt Wng jauchzte auf und seine Gefährtin streichelte ihm freudig den Rücken.
„Das bedeutet auch, dass man Sie der Geiselnahme anzeigen wird, aber ich denke, angesichts der Situation wird man es bei einer Verwarnung belassen, solange keine der Geiseln zu Schaden kommt. Ist das eine Entscheidung, mit der Sie leben können?“
„Das ist es, Kapitän Hansen“, rief Plpptrt Wng.
„Gut.“ Hansen nickte. „Dann möchte ich Sie jetzt darum bitten, alle Geiseln freizulassen und sich für ein paar Befragungen zur Verfügung zu halten.“
„Wir lassen die Geiseln frei. Wir halten uns zur Verfügung. Wir danken Ihnen.“
Der Bildschirm erlosch und Hansen seufzte zufrieden. „Das hätte auch ganz anders ausgehen können“, meinte er.
„Sie meinen mit einem Blutbad?!“
„Sowas in der Art, ja.“
„Und was, wenn er uns belogen hat und sie in Wirklichkeit eine Bande von Terroristen sind, die nur darauf aus ist, über das Imperium herzufallen und uns alle zu töten?“
„Na, dann bekommen Sie Ihr Blutbad doch noch!“
Doch das Blutbad blieb aus. Als drei Schiffe des Imperialen Gerichtshofs New Xtrpwtz erreichten, stellte man fest, dass alle Vorwürfe, die Plpptrt Wng gegen die Menschen erhoben hatte, der Wahrheit entsprachen. Es dauerte einige Monate, bis man die Konditionen ausgearbeitet hatte, nach denen man die Duoga für ihre bereits geleisteten Tätigkeiten entschädigte. Es dauerte weniger lange, einen Großteil der menschlichen Gemeinde anzuklagen und auf eine nahe gelegene Welt des Imperiums auszufliegen, wo ihnen in den nächsten Jahren der Prozess gemacht werden würde. Ein Vertreter des Imperiums wurde eingesetzt, um dafür zu sorgen, dass die Produktion auf New Xtrpwtz nicht nachließ, aber dass diejenigen der Duoga, die sich entschieden hatten, auf dem Planeten zu bleiben, dafür auch angemessen entlohnt wurden.
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