gearbeiteten Handläufen versehen waren, welche Lotaras verwundert
betrachtete.
Ein Schatten legte sich über die Luke, und Kapitän Herolas blickte herein.
»Wegen des Seegangs«, merkte er beiläufig an. »Es kann unruhig werden,
wenn wir schlafen, und keiner möchte dann aus seiner Bettstatt fallen. Sie
mögen nicht bequem aussehen, aber glaube mir, Bruder des Waldes, wenn
man müde ist, so liegt man hier wie im Schoß seiner Mutter.«
Lotaras stampfte mit dem Fuß auf den Boden. »Habt ihr Gold hier
drunter?«
»Jede Menge.« Herolas lachte. »Der Mast ragt hoch auf, und so brauchen
wir ein starkes Gegengewicht, damit unsere feine ›Sturmschwinge‹ nicht
kippt. Der Rumpf ist über seinem Fuß teilweise mit massivem Gold
ausgegossen. Es ist schwer, wird nicht vom Wasser angegriffen und hält das
Schiff aufrecht.«
Der Kapitän machte mit der einen Hand eine unbestimmte Geste und hielt
sich mit der anderen am Handlauf der Treppe fest, als das Schiff ein wenig
überholte und sich stärker neigte. »Wenn du Durst oder Hunger hast, findest
du alles in den Kisten. Sie sind wasserdicht, damit nichts verderben kann,
falls wir Wasser aufnehmen.«
»Wasser aufnehmen?«
»Du brauchst nicht zu erblassen, Bruder des Waldes. Wenn wir besseren
Wind bekommen und die Fahrt schneller wird, kann ein wenig Wasser
hereinspritzen.«
Lotaras begann sich zu fragen, ob der Aufenthalt auf dem Schiffsdeck
nicht sicherer war. »Und wenn zu viel Wasser hereinspritzt?« Er wies auf das
glänzende Gold unter seinen Füßen. »Das Metall ist schwer.«
Herolas wies zu einer der Streben des Rumpfes. »Dort befindet sich eine
Pumpe, mit der man das Wasser herausbefördern kann. Das hält einen richtig
warm.«
Lotaras hielt sich wankend an einer Strebe fest und fluchte, als er sich
erneut den Kopf stieß. Sein Helm wurde nach vorne gedrückt und schob sich
über seine Augen. Er hörte das freundliche Lachen des Kapitäns und ärgerte
sich über dessen gutmütigen Spott. »Nach einer Weile bekommst du richtige
Seefüße, Bruder des Waldes. Man gewöhnt sich an die Bewegungen des
Schiffes. Oh, man beginnt sie sogar zu lieben.«
»Aha.« Lotaras konnte sich das kaum vorstellen. Er liebte diese
Bewegungen jedenfalls nicht und sein Magen hasste sie sogar. Er hatte lieber
die Kontrolle über seine Beine und nicht gerne das Gefühl, der Willkür eines
schaukelnden Schiffes ausgesetzt zu sein.
Die See wurde spürbar unruhiger. Kapitän Herolas nickte Lotaras zu und
trat wieder neben seinen Steuermann. »Steuere weiter auf das Meer hinaus«,
sagte er zu Gendrion. »Falls wirklich ein Sturm kommt, will ich nicht von
ihm an die Küste gedrückt werden.«
»Sei gewiss, der Sturm kommt«, brummte Gendrion.
Das Schiff begann nun auch seitlich zu schwingen. Eine unregelmäßige
Folge von Auf- und Abbewegungen und seitlichen Neigungen, die seinem
Magen immer weniger behagte, ließ Lotaras erneut nach Halt suchen, als er
wieder auf Deck trat. Er versuchte, seinen Blick auf einen Teil des Schiffes zu
fixieren, denn immer, wenn er auf das wallende Meer sah, schien sein Magen
das Bestreben zu haben, den Bewegungen des Wassers zu folgen.
»Ist es nicht eintönig, so lange Jahre über das Meer zu fahren?«, fragte er
den See-Elfen neben sich. »Hier gibt es doch nichts außer Wind und Wellen,
Wellen und Wind.«
»Meinst du?« Der See-Elf lachte. »Beuge dich ein wenig über den
Handlauf und schaue ins Wasser hinab, Bruder des Waldes. Dann siehst du,
wie sehr das Meer lebt.«
Lotaras verzichtete darauf, denn er bemerkte gerade, wie sehr sein Magen
zu leben begann.
Der elfische Seemann wies um sich. »Nirgends sonst wirst du solche
Schönheit finden. Sonne und Wolken, ja, selbst ein Sturm verzaubern das
Wasser. Immer neue Formen und Reflexe entstehen. Die Wellen bäumen sich
auf und fließen ineinander.«
In Lotaras Magen begann sich Ähnliches abzuspielen, aber der See-Elf
fuhr ungerührt fort. »In der Nähe des Landes findet man Unmengen von
Seevögeln, die auf der Jagd nach Fischen sind, und im Wasser wimmelt es
von Leben. Zahllose Fische in den schönsten Farben und Formen. Pflanzen
wachsen auf dem Meeresgrund in atemberaubender Vielfalt.« Der See-Elf
lächelte verträumt. »Ihr Elfen des Waldes bekommt ja nur die kleinen Fische
zu Gesicht. Aber es gibt auch Wasserbewohner, die weitaus größer sind als
unser Schiff, ja, sogar noch größer als die Transporter. Einige besitzen Zähne,
andere haben lange Tentakel an ihren Köpfen. Nicht immer geht es unter
Wasser friedlich zu, Bruder des Waldes. Auch dort gibt es Jäger und Gejagte.
Doch die Schönheit und Vielfalt unter Wasser kann sich sehr wohl mit der des
Landes messen. Ja, auf dem Meer findet man alles, was es zum Leben
braucht, Bruder des Waldes.«
»Korsaren«, sagte eines der anderen Besatzungsmitglieder.
Lotaras Gesprächspartner nickte. »Ja, gelegentlich auch Korsaren.«
»Das meine ich nicht«, sagte der andere und blickte zum Ruder zurück, wo
Leoryn bei Herolas und Gendrion stand. »Korsaren steuerbord voraus«, rief
er.
Lotaras Übelkeit verschwand mit einem Schlag. Er blickte in die Richtung,
in die der See-Elf gewiesen hatte, und erkannte rechts vor ihnen am Horizont
die Silhouette eines Schiffes. Hinter ihm ertönte Kapitän Herolas Stimme.
»Rodas, hinauf auf den Mast, ich will wissen, welchen Kurs er nimmt.«
»Welchen wird er wohl nehmen!«, brummte Lotaras’ Gesprächspartner.
»Natürlich nimmt er Kurs auf uns. Sie finden nicht mehr oft Beute, diese
Bastarde.«
Rodas wetzte indes den Mast hinauf. Seine schwieligen und verhornten
Füße schienen die ins Holz eingearbeiteten Steigkerben kaum zu berühren.
Oben angelangt, ergriff er den Rand der kleinen Aussichtsplattform und
schwang sich hinauf. Lotaras folgte ihm mit den Blicken und erbleichte, als er
sah, wie sehr der Mast zu schwanken begann. Die kleine Plattform dort oben
schien weit überzuholen und befand sich oft genug direkt über dem Meer.
Nein, eine Seefahrt war nicht nach seinem Geschmack, da bevorzugte er
schon eine fröhliche Metzelei mit ein paar orkischen Rundohren oder
Spitzohren. Hauptsache, er hatte guten und festen Boden unter seinen Füßen.
»Zweimaster«, rief Rodas zum Deck hinunter.
»Eines der kleinen Jagdschiffe der Schwarzen Korsaren«, erläuterte
Kapitän Herolas, den die Begegnung mit dem Feind nicht sehr zu
beunruhigen schien. »Sehr schnell, aber wir sind schneller.«
»Der kriegt uns nie«, stimmte Steuermann Gendrion zu. Er hielt das lange
Führungsholz des Steuerruders eher nachlässig zwischen Arm und Körper
geklemmt. Beinahe schien es, als döse er dabei, aber Lotaras ahnte, welche
Kraft es erforderte, das Steuer so zu handhaben, denn das lange Ruderblatt am
Ende des Ruders tauchte tief ins Wasser, und Gendrion musste die Masse des
Schiffes durch die Kraft des Segeldrucks und des Ruders auf Kurs halten.
Lotaras blickte wieder zu der dunklen Silhouette hinüber, die am fernen
Horizont sichtbar war. Viel konnte er nicht erkennen. Der See-Elf neben ihm
schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Wenn du willst, Bruder des
Waldes, kannst du ruhig zu Rodas hinaufsteigen. Es ist Platz genug dort
oben.«
Die Festigkeit des Schiffes erschien Lotaras bereits zweifelhaft genug, und
er hatte nicht unbedingt Sehnsucht danach, sich auf eine winzige Plattform zu
zwängen, die so weit über das Wasser hinausschwang, wenn das Schiff sich
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