Es ist Unglücks genug, dass alle unsere Entdeckungen so vielen unschuldigen Menschen das Leben gekostet haben. So hart dies für die kleinen, ungesitteten Völkerschaften der Fall sein mag, die von Europäern aufgesucht worden sind, so ist es wahrscheinlich doch nur eine Kleinigkeit im Vergleich mit dem unersetzlichen Schaden, den ihnen diese durch den Umsturz ihrer sittlichen Grundsätze zugefügt haben. Wäre dieses Übel gewissermaßen dadurch wiedergutgemacht, dass man sie wirklich nützliche Dinge gelehrt oder irgendeine unmoralische oder verderbliche Gewohnheit unter ihnen ausgerottet hätte, so könnten wir uns wenigstens mit dem Gedanken trösten, dass sie auf einer Seite wiedergewonnen hätten, was sie auf der anderen verloren haben mochten. So aber fürchte ich, dass unsere Bekanntschaft den Bewohnern der Südsee durchaus nachteilig gewesen ist, und ich bin der Meinung, dass gerade jene Völkerschaften am besten weggekommen sind, die sich immer von uns ferngehalten und unseren Seeleuten nie erlaubt haben, allzu vertraut mit ihnen zu werden. Hätten sie doch in den Mienen und Gesichtszügen der Seeleute den Leichtsinn lesen und sich vor der Liederlichkeit fürchten mögen, die ihnen mit Recht zur Last gelegt wird.
Nachdem sie ein paar Stunden an Bord gewesen waren, fingen die Neuseeländer an zu stehlen und alles auf die Seite zu bringen, was ihnen in die Hände fiel. Man ertappte einige, die gerade eine vierstündige Sanduhr, eine Lampe, etliche Schnupftücher und Messer fortschleppen wollten. Dieses Diebsstreichs wegen ließ sie der Kapitän zum Schiffe hinauswerfen und ihnen andeuten, dass sie nie wieder an Bord kommen sollten. Ihr hitziges Temperament, das keine Kränkung ertragen kann, geriet darüber in Feuer und Flammen, so dass einer sich nicht enthalten konnte, von seinem Kanu aus zu drohen, als wolle er zu Gewalttätigkeiten schreiten. Dazu kam es jedoch nicht, sondern am Abend gingen alle ruhig an Land und richteten dort aus Baumzweigen einige Hütten auf, um die Nacht darunter zu verbringen.
Am folgenden Nachmittag gab der Kapitän einigen Matrosen Erlaubnis, an Land zu gehen, wo sie von den Wilden allerhand Kuriositäten einhandelten und sich zu gleicher Zeit um die Gunst manches Mädchens bewarben, ohne sich an die ekelhafte Unreinlichkeit derselben zu kehren. Sie stanken dermaßen, dass man sie schon von weitem riechen konnte, und saßen so voll Ungeziefer, dass sie es oft von den Kleidern absuchten und zwischen den Zähnen knackten. Es ist erstaunlich, dass es Leute gab, die mit solchen ekelhaften Kreaturen sich abzugeben imstande waren, und dass weder ihr eigenes Gefühl noch die Reinlichkeit, die dem Engländer doch von Jugend auf beigebracht wird, in ihnen Abscheu erregte.
Ehe sie an Bord zurückkamen, hatte eine von diesen Schönen einem Matrosen die Jacke gestohlen und einem jungen Landsmann gegeben. Als der Eigentümer sie ihm wieder abnahm, versetzte dieser ihm ein paar Faustschläge, die der Engländer aber für Spaß aufnahm. Als er nun ins Boot steigen wollte, warf der Wilde mit großen Steinen nach ihm. Nun fing der Matrose Feuer und begann auf gut Englisch, ihn zusammen zu boxen. Im Augenblick hatte der Neuseeländer ein blaues Auge und eine blutige Nase weg und dem Anschein nach genug, denn er gab das Treffen auf und lief davon.
Am 1. Juni kamen verschiedene Kanus mit Wilden zu uns, die wir noch nicht gesehen hatten. Ihre Fahrzeuge waren von verschiedener Größe und drei davon mit Segeln versehen. Das Segel bestand aus einer großen dreieckigen Matte und war an einem Mast und einer Stange befestigt, die unten in einem spitzen Winkel zusammenstießen. Der Boden des Kanus bestand aus einem ausgehöhlten Baumstamm, die Seiten aber aus Brettern oder Planken. Von diesen hatten sie eine auf die andere gesetzt, vermittels kleiner Löcher durch Schnüre von Flachs fest zusammengebunden und hernach die Fugen mit Wolle von Rohrkolben dicht verstopft. Es gab einige Doppelkanus darunter, die mit Querhölzern und Stricken aneinander befestigt waren, die übrigen hatten einen Ausleger, ein schmales Brett, das an Querhölzern befestigt war. Die Kanus waren alt und schienen beinahe ausgedient zu haben, keins war auch so reich mit Schnitzwerk geziert wie jene, die Kapitän Cook auf seiner ersten Reise am nördlichen Ende dieser Insel angetroffen hat, doch waren sie im ganzen ebenso gebaut und hatten ein unförmig geschnitztes Menschengesicht am Vorderteil, hohe Hinterteile und spitze Ruderschaufeln.
Die Neuseeländer brachten uns verschiedene Zierraten zum Verkauf, die meist aus grünem Lapis nephriticus geschnitten waren. Einige waren flach und hatten eine scharfe Schneide als Beil- oder Axtklingen. Andere waren lang und dünn und dienten als Ohrgehänge, wieder andere waren zu kleinen Meißeln mit hölzernen Griffen und auch zu hockenden Figuren geschnitzt, mit großen Augen von Perlmutter, die sowohl Männer als Weiber an einer Halsschnur trugen. Mancher von ihnen trug auch Schnüre mit aufgereihten Menschenzähnen.
Sie hatten eine Menge Hunde in ihren Kanus und schienen viel auf diese Tiere zu halten, denn jeder hatte den seinigen mit einer Schnur mitten um den Leib angebunden. Sie werden mit nichts als Fischen gefüttert und leben in dieser Hinsicht so gut wie ihre Herren, dagegen muss ihr Fleisch diesen hinwieder zur Speise, die Felle müssen aber zu mancherlei Zierrat und zu Kleidungsstücken dienen. Wir kauften ihnen etliche ab, allein die alten Hunde wollten bei uns nicht gedeihen, sie grämten sich und wollten nicht fressen, die jungen hingegen gewöhnten sich bald an unsere Speisen.
Einige Neuseeländer wurden in die Kajüte geführt, wo man ihnen einige Geschenke machte, doch zeigte nicht ein einziger das Staunen, das wir an unseren Freunden in Dusky-Bai wahrgenommen hatten. Von allen unseren Waren tauschten sie am liebsten Hemden und Flaschen ein, letztere wahrscheinlich, weil sie keine Gefäße haben außer Kalebassen, die auf der nördlichen Insel wachsen, aber hier nur im Besitz weniger Leute waren. Da einige dieser Leute guter Laune waren, gaben sie uns auf dem Achterdeck einen Heiva oder Tanz zum Besten. Dazu legten sie ihre zottigen Oberkleider ab und stellten sich in eine Reihe. Dann stimmte einer ein Lied an, streckte dabei die Arme aus und stampfte gewaltig, ja fast wie rasend mit den Füßen dazu. Die anderen machten seine Bewegungen nach und wiederholten die letzten Worte seines Gesanges. Gegen Abend gingen sie alle nach dem oberen Ende des Sundes zurück.
Am folgenden Morgen begleiteten wir die Kapitäne nach der Ost-Bai, wo wir bereits allerlei europäisches Gemüse angepflanzt hatten. Nun wollten wir die Wildnis auch mit Tieren bereichern, die den Eingeborenen und auch künftigen Seefahrern zum Nutzen gereichen könnten. In dieser Absicht hatte Kapitän Furneaux bereits einen Eber und zwei Säue in Freiheit gesetzt, damit sie sich auf dem Lande vermehren sollten. Und auch wir ließen es uns einen Bock und eine Ziege kosten, die jetzt in Ost-Bai an Land gesetzt wurden.
Am 4. Juni ließen wir die St.-Georgs-Flagge, Fahnen und Wimpel wehen, um den Geburtstag Seiner Majestät des Königs mit den zur See gewohnten Feierlichkeiten zu begehen. Die indianische Familie, die ihren Wohnplatz in der Bucht unweit des Schiffes aufgeschlagen hatte, kam heute sehr zeitig an Bord. Als wir uns im Steuerraum zum Frühstück niedergesetzt hatten, meldete ein Offizier dem Kapitän, dass sich ein großes doppeltes und stark bemanntes Kanu nähere. Wir gingen also an Deck und fanden, dass es mit achtundzwanzig Mann besetzt war. Sie ruderten an der „ADVENTURE“ vorüber und auf unser Schiff zu. Die Indianer bei uns an Bord behaupteten, dass die Ankommenden feindliche Absichten gegen uns hätten und wir deshalb auf sie feuern sollten. Towahanga, das Oberhaupt dieser Familie, sprang sogar auf den Gewehrkasten, ergriff einen Prügel und fing an, in einem feierlichen Tone zu ihnen herabzureden, dabei schwenkte er herausfordernd ein großes Beil aus grünem Stein um den Kopf. Mittlerweile kam das Boot heran, und wir baten ihn, es gut sein zu lassen und zu schweigen. Zwei Leute standen aufrecht im Kanu, der eine auf dem Vorderteil, der andere in der Mitte. Ersterer hielt eine Flachspflanze in der Hand, der andere begann mit einer lauten, feierlichen Rede. Nach den Bewegungen, mit denen er seine Rede begleitete, und nach dem Ton schien er wechselweise zu fragen, zu prahlen, zu drohen und uns dann wieder gütlich zuzureden. Sobald er mit seiner Rede fertig war, nötigte ihn der Kapitän, an Bord zu kommen. Anfänglich schien er unschlüssig, doch dann gewann seine natürliche Dreistigkeit die Oberhand, und er kam zum Schiff herauf. Alle seine Leute machten es bald ebenso, und jeder grüßte die bei uns befindliche Familie durch Aneinanderreiben der Nasen, oder, wie unsere Matrosen es ausdrückten, sie naseten sich untereinander. Diese Ehre ließen sie uns nun auch widerfahren, und wir nötigten die beiden Sprecher in die Kajüte. Sie fragten sogleich nach Tupaya, und als man ihnen sagte, dass er nicht mehr am Leben sei, waren sie ganz betrübt darüber. So sehr hatte dieser Mann sich durch seine natürlichen Gaben und seine Leutseligkeit die Liebe und Achtung dieses unwissenden Volkes erworben. Vermutlich würde es ihm auch viel eher als uns gelungen sein, dieser Nation mehr Kultur zu geben, weil er nebst einer gründlichen Kenntnis der Landessprache mehr Analogie mit ihren Begriffen besaß als wir Europäer.
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