Mittlerweile kam auch Kapitän Furneaux an Bord, und um seine Freude über unsere Wiedervereinigung zu zeigen, ließ er uns mit dreizehn Kanonenschüssen begrüßen, die unsere Leute mit Freuden erwiderten.
Die „ADVENTURE“ hatte, nachdem sie uns aus dem Gesicht verloren, ihren Lauf nach Norden genommen und ständig Stürme aus Westen gehabt. Am 28. Februar hielt Kapitän Furneaux es für ratsam, bis Van-Diemens-Land, der von Abel Jansen Tasman 1642 entdeckten Südspitze von Neu-Holland, hinaufzugehen. Am 9. März geriet er an die Südwestküste und lief um das Südende der Ostseite des Landes herum, wo er am 11. in einer Bai vor Anker ging, die seinem Schiff zu Ehren Adventure-Bai genannt wurde. Das Schiff lag nur fünf Tage in dieser Bai, und Kapitän Furneaux nahm dort frisches Wasser ein und sammelte auch einige merkwürdige Tiere, worunter eine neue Marderart und ein schöner weißer Habicht waren. Sie sahen keine Bewohner, glaubten aber tief im Lande Rauch wahrgenommen zu haben.
Am 15. abends segelten sie aus der Adventure-Bai wieder ab und steuerten nach Norden längs der Küste hin, die hier sandig und bergig war. Die „ADVENTURE“ brachte auf der Fahrt von Van-Diemens- Land nach Neuseeland wegen des widrigen Windes fünfzehn Tage zu und kam am 7. April im Charlotten-Sund glücklich vor Anker. Sie fanden die auf der südlichen Spitze von Motu-Aro gelegene Hippah oder Festung der Eingeborenen verlassen, und der Astronom schlug dort sein Observatorium auf. Die Eingeborenen, die aus einigen hundert Köpfen bestehen mögen und verschiedene Parteien ausmachen, die untereinander oft Krieg führen, hatten mit ihnen zu handeln angefangen. Auch aus dem Inneren des Landes waren Leute zu ihnen gekommen, und da sie freundlich aufgenommen wurden, hatten sie keine Bedenken, an Bord zu gehen, sondern hatten im Gegenteil bei den Matrosen ganz unbesorgt und mit großem Appetit geschmaust, vornehmlich aber am Schiffszwieback und an der Erbsensuppe großen Geschmack gefunden. Kleidungsstücke, Werkzeug und Waffen, die sie in großer Menge mitbrachten, hatten sie gern und eifrig gegen Nägel, Beile und Zeug eingetauscht.
Wir kamen in Charlotten-Sund an, als die Leute der „ADVENTURE“ schon alle Hoffnung, uns jemals wiederzufinden, aufgegeben und sich bereits darauf eingerichtet hatten, den Winter in diesem Hafen zu verbringen. Kapitän Cook hingegen war keineswegs gewillt, hier so viele Monate untätig liegen zu bleiben. Er wusste, dass auf den Gesellschaftsinseln, die er auf der vorigen Reise besucht hatte, gute Erfrischungen zu haben wären. Er befahl also, beide Schiffe in segelfertigen Zustand zu setzen, und da es dem unsrigen an nichts fehlte, half unsere Mannschaft den Leuten von der „ADVENTURE“, das Werk zu fördern. Wir unsererseits fingen gleich an, das Land zu untersuchen und fanden an Bäumen und Kräutern ungefähr das, was wir in der Dusky-Bai angetroffen hatten, doch gab es hier antiskorbutische Pflanzen, die uns in Dusky-Bai gefehlt hatten. Wir brachten bald einen großen Vorrat von Wilder Sellerie und Löffelkraut zusammen, und beides wurde hernach in einer Suppe von Habermehl oder reichlich in der Erbsensuppe gegeben. Die Leute von der „ADVENTURE“, die bisher nicht gewusst hatten, dass diese Kräuter zu genießen wären, wussten sich diese bald wie wir zunutze zu machen.
Am folgenden Tage gingen wir nach der Hippah, wo der Astronom Baley seine Sternwarte aufgeschlagen hatte. Sie liegt auf einem steilen Felsen und ist nur vermittels eines Fußsteiges zugänglich. Der Gipfel war ehedem mit Palisaden umgeben, die Matrosen hatten sie aber als Brennholz verbraucht. Innerhalb dieser Schutzwehr standen die Wohnungen der Bewohner. Die Leute erzählten uns, dass die Hütten voll von Ungeziefer, besonders von Flöhen, gewesen seien. Zu dem Ungeziefer gehörten auch Ratten, die unsere Leute in so großer Zahl vorfanden, dass sie große Töpfe in den Boden gruben, in welchen die Tiere sich häufig fingen.
Am 23. morgens kamen fünf Indianer in zwei kleinen Kanus zu uns, die die ersten waren, die sich hier sehen ließen. Wir kauften ihnen Fische ab und machten ihnen kleine Geschenke. So wenig sie Bedenken trugen, aufs Schiff zu kommen, ebenso wenige Umstände machten sie, uns in die Kajüte zu folgen. Sie aßen mit von unsren Speisen, im Trinken wollten sie uns aber nicht Gesellschaft leisten, sondern sie tranken nichts als Wasser. Glasflaschen mussten ihnen besonders schätzbar sein, aus Korallen, Bändern, weißem Papier und ähnlichen Kleinigkeiten machten sie sich nichts, aber Nägel, Beile und Eisen waren ihnen sehr genehm. Einige von unseren Leuten hatten sich ihrer Kanus bedient, um an Land zu fahren, allein die Indianer kamen gleich in die Kajüte, um sich beim Kapitän zu beschweren, und da ihnen gleich Gerechtigkeit widerfuhr und die Kanus zurückgegeben wurden, kehrten sie vergnügt ans Land zurück.
Am folgenden Morgen kamen sie schon bei Tagesanbruch wieder zu uns. Sie schienen des Handels wegen gekommen zu sein, wobei wir sie auch nicht stören wollten, sondern mit den beiden Kapitänen nach einem breiten Meeresarm ruderten, der auf der vorigen Reise West-Bai genannt worden war. Unterwegs begegneten wir einem Doppelkanu, das mit dreizehn Mann besetzt zu uns herankam.
Diese Leute schienen sich des Kapitäns Cook zu erinnern, denn sie fragten ihn nach Tupaya, dem Eingeborenen von Tahiti, den er auf seiner vorigen Reise bei sich gehabt hatte. Als sie hörten, dass er tot sei, schienen sie ganz betrübt darüber und sagten einige Worte in klagendem Ton. Wir machten ihnen Zeichen, dass sie an Bord des Schiffes gehen sollten, aber als sie sahen, dass wir nach einer anderen Gegend ruderten, kehrten sie in ihre Bucht zurück. Während unserer Abwesenheit war ein großes Boot mit zwölf Eingeborenen gekommen, die eine Menge Kleidungsstücke, Streitäxte, Keulen, Speere, ja sogar ihre Ruder verhandelt hatten. Das große Boot, das am Morgen ausgefahren war, um Gemüse und Gras zu holen, war bei unserer Rückkehr noch nicht wieder eingetroffen, und da es auch am folgenden Tage ausblieb, wurden wir sehr unruhig. Am 26. nachmittags kam das vermisste Boot endlich wieder, die Leute aber waren von Arbeit und Hunger völlig erschöpft. Der ganze Vorrat, den sie mitgenommen hatten, bestand aus drei Zwiebäcken und einer Flasche Branntwein, und des stürmischen Wetters wegen war auch nicht ein einziger Fisch gefangen worden. Sie hatten Zuflucht in einer Bucht genommen, wo sie in einigen verlassenen Hütten ein Obdach fanden. Ihr ganzer Unterhalt bestand nur aus einigen Muscheln, die hier und da an den Felsen klebten.
Am folgenden Morgen hatten wir verschiedene Kanus um uns her, in denen zusammen etwa dreißig Eingeborene sein mochten. Es befanden sich auch einige Weiber unter ihnen, die sich die Backen mit Rotstein und Öl geschminkt hatten, die Lippen dagegen sahen vom Punktieren oder Tätowieren, welches hierzulande sehr in Mode ist, schwärzlich blau aus. Sie waren von ziemlich heller Farbe, die zwischen oliven- bis mahagonifarbig liegt, dazu hatten sie pechschwarzes Haar, runde Gesichter und dicke, platte Nasen. Auch hatten sie schwarze Augen, lebhaft und nicht ohne Ausdruck.
Unsere Matrosen hatten seit der Abreise vom Kap keinen Umgang mit Frauen gehabt, sie waren also recht eifrig hinter ihnen her, und aus der Art, wie ihre Anträge aufgenommen wurden, sah man wohl, dass es hierzulande mit der Keuschheit nicht so genau genommen wurde und dass die Eroberungen nicht gerade schwer sein mussten. Doch hingen die Gunstbezeigungen dieser Schönen nicht nur von ihrer Neigung ab, sondern die Männer mussten als unumschränkte Herren zuerst darum befragt werden. War deren Einwilligung durch einen großen Nagel, ein Hemd oder dergleichen erkauft, so hatten die Frauen Freiheit und konnten alsdann zusehen, noch ein Geschenk für sich selbst zu erbitten. Ich muss indessen gestehen, dass einige von ihnen sich nicht anders als mit dem äußersten Widerwillen zu dem schändlichen Gewerbe gebrauchen ließen, und die Männer mussten oft ihre ganze Autorität aufbieten, ehe sie zu bewegen waren, sich den Begierden von Kerlen preiszugeben, die ohne Empfindung ihre Tränen sehen und ihr Wehklagen hören konnten. Ob unsere Leute, die zu einem gesitteten Volk gehören wollten und doch so viehisch sein konnten, oder jene Barbaren, die ihre eigenen Weibsleute zu solcher Schande zwangen, den größeren Abscheu verdienten, ist eine Frage, die ich nicht beantworten mag. Da die Neuseeländer fanden, dass sie nicht wohlfeiler und leichter zu eisernen Gerät kommen konnten als vermittels dieses niederträchtigen Gewerbes, so liefen sie bald im ganzen Schiff herum und boten ihre Schwestern und Töchter feil. Den verheirateten Weibern aber verstatten sie nie die Erlaubnis, sich mit unseren Matrosen abzugeben. Da sie sich solchergestalt aus der Enthaltsamkeit unverheirateter Frauen nichts machen, wird man vielleicht denken, dass die Bekanntschaft mit ausschweifenden Europäern die Moral dieses Volkes nicht verschlimmert haben könne, allein wir haben Grund zu vermuten, dass die Neuseeländer zu einem solchen schändlichen Mädchenhandel nur veranlasst worden waren, als durch das Eisengerät neue Bedürfnisse unter ihnen geweckt wurden.
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