Am 23. früh gingen einige Offiziere mit Dr. Sparman nach der Kaskadebucht, um dort einen der höchsten Berge zu besteigen. Um zwei Uhr erreichten sie den Gipfel und gaben dies durch ein großes Feuer zu erkennen. Wir hätten sie gerne begleitet, allein Durchfall und Kolik hielten uns an Bord zurück. Beides kam von der Sorglosigkeit des Kochs her, der unser kupfernes Küchengeschirr ganz von Grünspan hatte anlaufen lassen. Doch befanden wir uns am Abend wieder so gut, dass wir den Ausflüglern bis zur Kaskadebucht entgegengehen konnten, und wir kamen hernach mit Pflanzen und Vögeln beladen in ihrer Gesellschaft zurück.
Das schöne Wetter war am 25. zu Ende. Wir hatten diese Zeit zur Ergänzung des Vorrats an Holz und Wasser genutzt und das Schiff in segelfertigen Zustand gesetzt. Die Brücke wurde abgebrochen, und wir gingen mitten in der Bucht vor Anker, um mit dem ersten guten Winde abzusegeln. Die Vorzüge eines zivilisierten über den rohen Zustand des Menschen fielen durch nichts mehr auf als durch die Veränderungen, die an dieser Stelle vorgenommen worden waren. In wenigen Tagen hatten einige unserer Leute das Holz von mehr als einem Morgen Landes weggeschafft, was fünfzig Neuseeländer mit ihren steinernen Werkzeugen nicht in drei Monaten geschafft hätten. Den öden, wilden Fleck hatten wir zu einer lebendigen Gegend umgewandelt, wo hundertzwanzig Mann unablässig beschäftigt waren.
Wir fällten Holzstämme, die ohne uns mit der Zeit umgefallen und verfault wären. Unsere Brettschneider sägten Planken daraus, oder es wurde zu Brennholz gehauen. An einem Bach stand die Arbeit unserer Böttcher: ganze Reihen von neuen oder ausgebesserten Fässern. Hier dampfte ein großer Kessel, in dem ein gesundes und wohlschmeckendes Getränk gebraut wurde. Nahebei kochten unsere Leute vortreffliche Fische für ihre Kameraden, die an den Außenseiten und Masten des Schiffes arbeiteten. So verschiedene Arbeiten belebten die Szene und waren in mannigfachen Geräuschen zu hören, indes der benachbarte Berg von den lauten Schlägen der Schmiedehämmer widerhallte. Selbst die schönen Künste blühten in dieser neuen Kolonie auf. Ein Anfänger in der Kunst (Georg Forster selber!) zeichnete die Tiere und Pflanzen dieser Wälder. Die romantischen Ansichten des wilden, rauen Landes hingegen standen mit den glühenden Farben der Schöpfung da, und die Natur wunderte sich gleichsam, auf des Künstlers (Hodges) Staffelei so vorzüglich nachgeahmt zu erscheinen.
Auch die höheren Wissenschaften hatten diese wilde Einöde mit ihrer Gegenwart beehrt. Mitten auf dem Platze ragte die Sternwarte empor, die mit den besten Instrumenten versehen war. Die Pflanzen und die Wunder des Tierreiches beschäftigten die Weltweisen. Kurz, überall sah man die Künste aufblühen, und die Wissenschaften tagten in einem Lande, das bis jetzt von einer langen Nacht der Unwissenheit und Barbarei bedeckt war. Dieses schöne Bild war indes von keiner langen Dauer. Gleich einem Meteor verschwand es fast so geschwind, wie es entstanden war. Wir brachten unsere Instrumente und Werkzeuge wieder aufs Schiff und ließen kein Zeichen unseres Hierseins als ein Stück Land, das von Holz entblößt war. Zwar hatten wir eine Menge europäischen Gartensamens von der besten Art ausgesät, allein das Unkraut wird jede nützliche Pflanze bald ersticken, und in wenigen Jahren wird der Ort unseres Aufenthaltes wieder zum ursprünglichen, chaosgleichen Zustand herabgesunken sein. Sic transit gloria mundi!
Am 27. war ein neuer Ausgang der Bucht in die See entdeckt worden, der bequemer zu passieren war, so hoben wir am 29. nachmittags die Anker. Aber es wurde mit einem Mal windstill, weshalb wir nach zwei Meilen wieder vor Anker gehen mussten. Am folgenden Tage fuhren wir bei einem gelinden Lüftchen wieder aus, aber wir konnten wenig gegen den Strom ausrichten. Obschon uns alle unsere Boote bugsierten, hatten wir um sechs Uhr abends nicht mehr als fünf Meilen gewonnen. Bei Anbruch des nächsten Tages versuchten wir gegen den Wind zu lavieren, aber da es bald gänzlich windstill wurde, trieb uns die Strömung des Wassers rückwärts, und wir gerieten mit dem Hinterteil des Schiffes an einen senkrechten Felsen, so nahe am Ufer, dass der Flaggenstock sich in die Baumäste verwickelte. Wir wurden jedoch mit Hilfe unserer Boote ohne Schaden wegbugsiert und ließen in einer kleinen Bucht die Anker fallen.
Der Kapitän wurde von einem Fieber mit heftigen Rückenschmerzen und einer Geschwulst des rechten Fußes befallen. Da er deswegen die Kajüte nicht verlassen durfte, schickte er einen Offizier aus, einen neuen Durchlass zu suchen, und mein Vater und ich nahmen an dieser Expedition teil. Wir fanden überall gute Ankerplätze und Fische und Vögel die Menge. Um 2 Uhr lenkten wir in eine kleine Bucht ein, um ein Mittagessen zu bereiten. Dann ruderten wir weiter, um am Ende der Bucht auf dem flachen Ufer das Nachtlager aufzuschlagen. Am folgenden Morgen fingen wir bereits an, nach der „RESOLUTION“ zurückzukehren, als das schöne Wetter plötzlich umschlug und ein Sturm aus Nordwesten mit heftigem Regen losbrach. Wir ruderten deshalb in großer Eile bis an die Einfahrt der Bucht, in der das Schiff vor Anker lag. Wir teilten den Rest einer Rumflasche mit unseren Leuten, um ihnen Mut zu machen, denn von hier bis zum Schiff war noch das schwerste Stück Arbeit zu tun.
Der Wind war so heftig, dass er uns trotz aller Mühen innerhalb weniger Minuten eine halbe Meile vor sich hertrieb. Wir mussten alle Augenblicke gewärtig sein, dass unser Boot umschlagen und versinken würde, wenn wir nicht wieder in die Bucht gelangen würden, die wir so dreist verlassen hatten. Mit unsäglicher Mühe gelang uns dies endlich, und um 2 Uhr nachmittags liefen wir in eine kleine Bucht ein. Wir kletterten einen Felsen hinauf, um Fische zu braten. Allein, obschon wir völlig durchnässt waren und wegen des schneidenden Windes jämmerlich froren, konnten wir doch nicht nahe beim Feuer bleiben, denn der Sturm wirbelte die Flammen umher und zwang uns, ständig die Stelle zu wechseln, um nicht verbrannt zu werden. Wir beschlossen schließlich, mit dem Boot zum anderen Ufer der Bucht zu fahren und dort im Walde ein Nachtquartier aufzuschlagen. Wir ergriffen jeder einen Feuerbrand und eilten zum Boot. Zu unserer größten Überraschung fanden wir es aber im Gehölz fast noch ärger als auf dem Felsen, denn hier war es so nass, dass wir kaum das Feuer brennend erhalten konnten. Der Regen goss von den Bäumen doppelt auf uns herab, und der Rauch erstickte uns fast. An Wärme und Abendbrot war nicht zu denken, und wir mussten uns hungrig und halberfroren, in unsre nassen Mäntel gehüllt, auf den feuchten Boden niederlegen. So erbärmlich aber diese Lage auch war, so waren wir doch dermaßen ermattet, dass wir für einige Augenblicke in Schlaf fielen.
Gegen 2 Uhr nachts wurden wir durch einen harten Donnerschlag wieder auf die Beine gebracht. Der Sturm war zu einem Orkan geworden. Er warf um uns die größten Bäume mit einem fürchterlichen Krachen zu Boden und brauste so laut, dass das schreckliche Getöse der Wellen dagegen kaum zu hören war. Aus Sorge um unser Boot wagten wir uns in die Finsternis zum Strand hin, als ein flammender Blitz die ganze Bucht erhellte und uns die aufgetürmten Fluten sehen ließ, die in schäumenden Bergen übereinander stürzten. Auf den Blitz folgte der heftigste Donnerschlag, den wir jemals gehört und dessen rollender Donner von den Felsen rundum siebenfach widerhallte. Das Herz erbebte uns bei dem Gedanken, dass Sturm und Blitz das Schiff vernichten könnten und dass wir in diesem öden Teil der Welt zurückbleiben und umkommen würden.
Um 6 Uhr morgens ließ der Sturm endlich nach, und sobald der Tag graute, begaben wir uns wieder ins Boot und erreichten nicht lange darauf das Schiff, das glücklicherweise unbeschädigt war. Die Bucht wurde wegen der abscheulichen Nacht, die wir darin ausgestanden, und wegen der nassen Jacken, die wir uns da geholt hatten, Wet-jakettarm genannt. Nun war nur noch ein einziger Seekanal zu untersuchen, und da der Kapitän sich ziemlich erholt hatte, ging er gleich nach unserer Rückkehr ab, um diese Arbeit zu übernehmen. Ungefähr zehn Meilen weit von der Mündung konnte man bereits das äußerste Ende des Arms sehen, und es fanden sich hier gute Häfen, frisches Wasser, Holz, Fische und Federwild.
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