Am folgenden Morgen begleitete ich Kapitän Cook zu einer Bucht, die unserer dortigen Verrichtung wegen die Gänsebucht genannt wird. Wir hatten nämlich noch fünf Gänse von den am Vorgebirge der Guten Hoffnung mitgenommenen übrig und hatten uns vorgenommen, sie auf Neuseeland zu lassen. Hierzu dünkte uns diese Bucht besonders geeignet, denn es gab dort keine Bewohner, dagegen reichliches Futter. Wir setzten sie also ans Ufer und sagten zum Besten künftiger Seefahrer und Bewohner von Neuseeland: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde!“ Sobald sie am Land waren, liefen sie auf die Futtersuche. Sie werden sich hoffentlich über das ganze Land ausbreiten. Zu Mittag liefen wir in eine kleine Bucht ein, um Fische zu fangen und Vögel zu schießen. Das Wasser wurde so seicht, dass wir landen und unser Quartier auf dem Strande aufschlagen mussten. Es deuchte uns, wir sähen hier Rauch, da sich aber nichts regte und auch kein Feuer zu sehen war, gingen wir daran, unser Nachtlager zu machen, wobei jeder sein Stück Arbeit bekam. Damit man sich nun einen Begriff machen kann, wie es dabei zuging, wird es dienlich sein, davon zu erzählen.
Sobald wir eine bequeme Landestelle gefunden hatten, wo Wasser und Holz in der Nähe waren, wurden zuerst die Ruder, Segel, Mäntel, Flinten usw. an Land geschafft. Ein Fässchen Sprossenbier und eine Flasche Branntwein wurden dabei nicht vergessen. Alsdann machten die Matrosen die Boote fest. Einige von uns suchten trockenes Holz, andere richteten ein Zelt oder einen Wetterschutz auf, und wieder andere machten ein Feuer, das mit Werg und Schießpulver angezündet wurde. Einige Matrosen nahmen die Fische aus, zogen den Wasservögeln die Haut ab, reinigten und brieten beides. Als Tisch diente eine Ruderbank, und statt Messer und Gabeln wurden oft nur die Finger und Zähne benutzt. Der gute Appetit, den wir der Arbeit und der guten Luft zu verdanken hatten, lehrte uns bald die Begriffe von Ekel und Unreinlichkeit überwinden, die dem gesitteten Leser bei dieser Beschreibung aufsteigen werden. Nach dem Essen hörte man eine Weile der originalen, komischen Laune der Matrosen zu, die ums Feuer herum lagen, ihr Abendbrot machten und manches lustige Geschichtchen mit Flüchen, Schwüren und schmutzigen Ausdrücken aufgestützt, selten aber ohne wirkliche Laune zum Besten gaben. Dann wurde das Zelt mit Farnkraut ausgelegt, man wickelte sich in die Bootsmäntel, mit Flinte und Schießtasche unter dem Kopfe statt des Kissens, und jeder legte sich zum Schlafen zurecht, so gut er konnte.
Bei Tagesanbruch gingen der Kapitän und mein Vater, von zwei Leuten begleitet, in einem kleinen Boote ab, um das äußerste Ende der Bucht zu untersuchen. Dort stiegen sie aus, indessen waren sie noch nicht weit gegangen, als einige Wildenten aufflogen, wovon sie eine schossen. Kaum aber hatten sie losgefeuert, als sich von mehreren Seiten um sie her ein fürchterliches Geschrei erhob. Sie beantworteten es auf die gleiche Weise und eilten zum Boot zurück. Die Wilden ließen sich noch immer hören, kamen aber nicht zum Vorschein.
Unterdessen waren wir übrigen nicht weit von unserem Lagerplatz ins Holz gegangen, um Pflanzen zu suchen. Sobald wir das Geschrei der Wilden hörten, warfen wir uns in das andere Boot und ruderten dem ersten nach, um dem Kapitän und meinem Vater zu helfen. Da wir sie aber wohlbehalten und bereits wieder in ihrem Boot antrafen, auch nirgends ein Feind zum Vorschein kam, liefen wir miteinander den Fluss hinauf und schossen Enten.
Endlich ließ sich ein Mann mit seinem Weib und einem Kinde auf dem linken Ufer sehen. Die Frau winkte mit einem weißen Vogelfell zum Zeichen des Friedens und der Freundschaft. Da das Boot, in dem ich mich befand, den Wilden am nächsten war, rief der Kapitän dem darin kommandierenden Offizier zu, er solle an Land gehen und die angebotene Freundschaft annehmen. Ob der Offizier den Befehl nicht verstand oder erpicht aufs Entenschießen war, will ich dahingestellt sein lassen, jedenfalls landeten wir nicht, und die armen Leute, die sich nichts Gutes versprachen, flohen eiligst in den Wald zurück. Der Kapitän war noch eine halbe Meile den Fluss hinaufgerudert, alsdann aber wegen der starken Strömung umgekehrt. Kaum war er zu uns gestoßen, als auf der anderen Seite des Flusses zwei Männer zum Vorschein kamen. Der Kapitän ruderte dem Ufer zu, aber bei Annäherung des Bootes wichen sie ins Gehölz zurück, und dies war hier so dick, dass man sie weder darin sehen, noch ihnen dahin folgen konnte. Wir kehrten deshalb nach unserem Lagerplatz zurück und setzten uns in die Boote, um nach dem Schiff zu eilen.
Kaum waren wir vom Lande, als die beiden Wilden auf einem freien Platze hervorkamen und uns zuriefen. Der Kapitän ließ beide Boote hin rudern, und da das seinige an einer seichten Stelle auf Grund geriet, stieg er unbewaffnet mit einem weißen Bogen in der Hand aus und watete in Begleitung zweier Leute ans Land. Die beiden Wilden standen etwa hundert Schritte vom Ufer entfernt und waren beide mit einem Speer bewaffnet. Als der Kapitän sich ihnen näherte, wichen sie zurück. Er ließ seine Begleitung haltmachen und ging allein weiter, konnte aber doch nicht erreichen, dass die Wilden ihre Speere von sich legten. Endlich fasste der eine ein Herz, steckte die Lanze in die Erde und kam dem Kapitän mit einem Büschel Gras in der Hand entgegen. Ein Ende davon ließ er den Kapitän anfassen, das andere behielt er in den Händen und hielt mit lauter Stimme eine feierliche Ansprache, in der er einige Mal innehielt, wahrscheinlich um eine Antwort zu erhalten. Dann nahm der Neuseeländer einen neuen Mantel von seinen Schultern und machte ihn dem Kapitän zum Geschenk, wofür er ein Beil bekam. Nun stiegen mehrere von uns aus den Booten, und die Eingeborenen wurden keineswegs misstrauisch, sondern begrüßten jeden mit großer Treuherzigkeit. Sie luden uns durch Zeichen ein, mit zu ihren Häusern zu gehen, und gaben uns zu verstehen, dass wir dort auch zu essen bekommen sollten. Allein die Ebbe erlaubte uns nicht, von ihrer Einladung Gebrauch zu machen.
Sie halfen uns, die Boote wieder ins Wasser zu schieben, das wegen der Ebbe weit zurückgetreten war. Wir mussten indessen auf unsere Sachen achtgeben, denn es schien ihnen alles zu gefallen, was sie sahen, nur an das Schießgewehr wagten sie sich nicht heran, weil sie dessen tödliche Wirkung wohl gesehen hatten, als wir Enten jagten. Die Gesichtsbildung dieser Leute dünkte uns etwas wild, aber nicht hässlich. Sie hatten dickes Haar und krause Bärte, waren von mittlerer Statur und hatten dünne Beine, aber dicke Knie. Der Mut dieses Volkes ist von sonderbarer Art. Ihrer Schwäche und geringen Anzahl unerachtet scheinen sie den Gedanken nicht ertragen zu können, sich verkriechen zu müssen. Bei der Menge von Inseln und Buchten und der dichten Wälder wegen würde es uns unmöglich gewesen sein, die Familie ausfindig zu machen, wenn sie nicht selbst die ersten Schritte zur Bekanntschaft getan hätte.
Als wir wieder auf dem Schiffe anlangten, erzählte man uns, dass der Wilde mit dem Mädchen bis Mittag an Bord geblieben sei. Seitdem aber habe er sich nicht mehr sehen lassen, was umso verwunderlicher war, da wir ihnen neun oder zehn Beile und viele große Nägel nebst anderen Dingen geschenkt hatten. Da diese Dinge von ihnen als Reichtümer angesehen werden, musste dieser Mann der Reichste in ganz Neuseeland sein. Es hieß auch, der Wilde habe vor seinem Abzug durch Zeichen zu verstehen gegeben, er wolle aufs Totschlagen ausgehen und dazu die Beile brauchen. Hat man ihn recht verstanden, so war damit unsere Hoffnung, den Ackerbau und andere nützliche Arbeiten durch brauchbare Werkzeuge zu fördern und zu erleichtern, auf einmal vernichtet.
Ich darf hier nicht vergessen, ein ganz besonderes Merkmal von der Herzhaftigkeit des alten Mannes anzuführen, der jetzt von uns weggezogen war. Unsere Offiziere hatten in seiner Gegenwart mehrfach Schießgewehre abgefeuert. Eines Tages verlangte er es selbst zu versuchen, und man gab ihm ein Gewehr. Das Mädchen, das wir für seine Tochter hielten, bat ihn fußfällig, es nicht zu tun, aber er war von seinem Vorhaben nicht abzubringen und feuerte das Gewehr drei- oder viermal hintereinander ab. Diese kriegerische Neigung scheint diese einzelne Familie und die übrigen, die wir an dieser Bucht fanden, zur Trennung von ihren Landsleuten gezwungen zu haben. Wenn wilde Völker einander bekriegen, so ruht jede Partei nicht eher, als bis die andere gänzlich vertilgt ist, es sei denn, dass sich diese rechtzeitig durch die Flucht rettet. Dies kann der Fall bei den Anwohnern der Dusky-Bai sein, und so bedeutete ihr Abmarsch nichts anderes, als Rache an ihren Feinden nehmen zu wollen.
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