Diese Wassersäule trifft auf ein vorstehendes Felsstück und schießt dann in einer etwa 75 Fuß breiten Wasserwand über einen flachen Felsenrücken hinweg. Das Wasser schäumt und bricht sich an den Klippen, bis es in ein Becken stürzt, das an drei Seiten von übereinander gestürzten Felsmassen eingeschlossen ist. Zwischen diesen drängt es hinaus und fällt schäumend in die See hinab. Die Luft war so dicht mit Wasserdunst angefüllt, dass unsere Kleider in wenigen Minuten durchnässt waren. Wir ließen uns jedoch nicht im Geringsten davon abhalten, dies schöne Schauspiel von mehreren Seiten her zu betrachten.
Als wir uns umwandten, sahen wir die weite Bai mit kleinen waldigen Inseln besät und darüber hinaus an der einen Seite das feste Land, dessen hohe, mit Schnee bedeckte Berge bis in die Wolken reichten, an der anderen Seite aber begrenzte der weite Ozean die Aussicht. Gegen Abend kehrten wir überaus zufrieden an Bord zurück, wo man uns erzählte, dass die indianische Familie sich mit größter Behutsamkeit dem Schiffe genähert habe. Kapitän Cook war ihnen in einem Boot entgegengefahren, hatte sie aber nicht bewegen können, an Bord zu kommen, und musste sie daher ihrem eigenen Willen überlassen. Dieser führte sie in eine kleine Bucht, wo sie sich ans Ufer setzten. Der Kapitän ließ die Querpfeife und den Dudelsack spielen, aber dies konnte sie nicht heranlocken. Nun ruderten einige Offiziere und Seeleute zu ihnen hinüber. Die Wilden nahmen sie mit treuherzigem Wesen auf, aber alle Versuche, durch Zeichen mit ihnen zu reden, waren vergebens. Das Mädchen hatte anfänglich eine besondere Neigung zu einem jungen Matrosen gezeigt, den sie für eine Person ihres Geschlechts zu halten schien. Ob er sich aber in der Folge unschickliche Freiheiten genommen oder ob sie eine andere Ursache zur Unzufriedenheit mit ihm gehabt hatte, wissen wir nicht, genug, sie wollte ihm nachher nie erlauben, ihr wieder nahezukommen. Nach einiger Zeit machten sie ein Feuer an und bereiteten sich einige Fische zum Abendbrot, blieben auch die ganze Nacht über an dieser Stelle, was uns als ein deutliches Zeichen ihres Vertrauens nicht wenig gefiel.
Am folgenden Morgen fuhr Kapitän Cook in Begleitung meines Vaters nach der Mündung der Bai, um die dort gelegenen Klippen und Inseln aufzunehmen. Sie trafen eine Menge Seehunde, von denen sie vierzehn schossen und mit an Bord brachten. Die Seehunde in dieser Bai sind alle von der Art, die man Seebären nennt und die Professor Steller auf der Bering-Insel bei Kamtschatka zuerst ausfindig gemacht und beschrieben hat.
Foto: OTFW, Berlin
Das Fleisch dieser Tiere ist fast schwarz und nicht zu genießen. Herz und Leber hingegen lassen sich essen, nur musste alles Fett sorgfältig weggeschnitten werden, sonst hatte es einen unerträglich tranigen Geschmack. Der Kapitän machte sich dies zunutze und ließ aus dem Fett einen Vorrat von Brennöl kochen, auch die Felle sorgfältig aufbewahren, weil sie gut zum Ausflicken des Takelwerks zu gebrauchen waren.
Am 15. klärte sich das Wetter etwas auf, und der Kapitän fuhr von neuem aus, um mit der Aufnahme der Bucht fortzufahren. Auf der Hinfahrt kamen wir an dem Fischerboot vorbei, das alle Morgen ausfuhr, um das Schiff mit einer Mittagsmahlzeit zu versorgen. Wir wunderten uns nicht wenig, darin den jungen schwarzen Hund zu sehen, der uns entlaufen war. Die Leute erzählten uns, dass sie bei Tagesanbruch ein jämmerliches Heulen auf der nächsten Landspitze gehört hätten, und als sie sich dort umgesehen, sei ihnen der Hund entgegengelaufen und sofort ins Boot gesprungen. Ob er nun vierzehn Tage im Walde gewesen, war er doch keineswegs ausgehungert, sondern im Gegenteil gut bei Leibe und schön glatt. Vermutlich hatte er sich von einer großen Art von Wachtelkönigen, vielleicht auch von Seemuscheln und toten Fischen genährt.
Das gute Wetter veranlasste unsere Freunde, die Wilden, uns einen abermaligen Besuch zu machen. Sie schlugen ihr Quartier auf dem gleichen Platze wie vor acht Tagen auf, und als man sie abermals bat, an Bord zu kommen, versprachen sie es für den folgenden Tag. Mittlerweile aber zankten sie sich untereinander. Der Mann schlug die beiden Frauen, das Mädchen hingegen schlug ihn und fing darauf an zu heulen. Wir konnten die Ursache des Gezänks nicht ausfindig machen, wenn aber das Mädchen die Tochter des Mannes war, so muss man in Neuseeland sehr verworrene Begriffe von den Pflichten der Kinder haben, oder diese Familie handelte gar nicht nach Grundsätzen und überlegter Ordnung, die gemeiniglich nur das Werk gesitteter Gesellschaften sind, sondern sie folgen in allen Stücken der Stimme der Natur, die sich gegen jede Art von Unterdrückung empört.
Des Morgens schickte der Mann die beiden Weiber mit den Kindern im Kanu auf Fischfang aus, für seine Person aber machte er Anstalten, uns mit dem Mädchen zu besuchen. Sie kamen zu der Brücke, die vom Lande auf das Schiff führte, und von hier aus brachte man sie zuerst nach einem umzäunten Fleck auf dem Berge, um ihnen die Ziegen und Schafe zu zeigen. Sie schienen bei dem Anblick der Tiere sehr erstaunt und wünschten sie zu besitzen. Da wir aber wussten, dass es hier kein Futter gab, konnte man ihnen darin nicht willfahren. Als sie von dort zurückkamen, gingen ihnen Kapitän Cook und mein Vater auf der Brücke entgegen, und der Mann schenkte beiden, nachdem er sie wie gewöhnlich bei der Nase begrüßt hatte, ein Stück Zeug, das aus Fasern der Flachspflanze geflochten und mit Papageienfedern durchwebt war, dem Kapitän aber gab er noch ein Stück Lapis nephriticus oder Neuseeländischen Talkstein, der wie die Klinge eines Beils geschliffen war. Ehe er die Brücke betrat, ging er seitwärts und brach von einem Busch einen grünen Zweig ab. Mit diesem in der Hand ging er nun vorwärts, stand aber still und schlug mit dem Zweig an die Seitenwand des Schiffes und an das Tauwerk des Hauptmastes und fing an, eine Art Beschwörungsformel herzusagen. Während dieser Zeremonie blieb das Mädchen, das sonst immer lachte und tanzte, ganz still und ernsthaft stehen. Nach Beendigung der Rede schlug er die Seiten des Schiffes noch einmal, warf seinen Zweig zwischen die Wandketten und stieg an Bord.
Beide, der Mann und das Mädchen, hatten Speere in der Hand, als sie auf das Achterdeck gebracht wurden. Hier bewunderten sie alles, was ihnen vor Augen kam, besonders einige Gänse, die in einem Gatter eingesperrt waren. Sie machten sich mit der Katze zu schaffen, streichelten sie aber verkehrt, vermutlich um das schöne dichte Haar zu bewundern. Der Mann sah alles, was ihm neu war, mit Erstaunen an. Die vielfach übereinander gebauten Decks unseres Schiffes erregten seine Bewunderung mehr als alles Übrige.
Wir nötigten sie in die Kajüte, und nach langer Beratung ließen sie sich endlich bewegen, die Treppe hinunterzusteigen. Hier bewunderten sie nun alles und jedes, vornehmlich aber den Gebrauch der Stühle und dass diese von einer Stelle an die andere gebracht werden konnten. Der Kapitän und mein Vater schenkten ihnen Beile und andere Dinge von geringem Wert. Als sie sahen, dass wir uns zum Frühstück niederließen, setzten sie sich neben uns, waren aber nicht zu bewegen, das Geringste von unserem Essen zu kosten. Sie erkundigten sich, wo wir schliefen, und der Kapitän führte sie zu seiner Hängematte, die ihnen viel Freude machte. Nun zog der Mann ein ledernes Beutelchen hervor und steckte unter vielen Zeremonien die Finger hinein, um dem Kapitän mit Fett oder Öl den Kopf zu salben. Diese Ehre wurde aber verbeten, weil die Salbe unseren Nasen sehr zuwider war. Der schmutzige Beutel machte sie noch ekelhafter. Herr Hodges kam indessen nicht so gut weg, denn das Mädchen, das einen in Öl getauchten Federbusch am Halse hängen hatte, bestand darauf, ihn damit herauszuputzen, und aus Höflichkeit konnte er das wohlriechende Geschenk unmöglich von sich weisen. Wir überließen es ihnen nunmehr, sich in den übrigen Teilen des Schiffes umzusehen, und fuhren in zwei Booten aus, einen Meeresarm zu untersuchen, der im Osten vor uns lag.
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