Gehrich, der Scherzbold der Kammer, hatte ihr darauf geantwortet, dass das zutreffend sei. Doch die Männer hätten nicht diese Frauen gepoppt, sondern die Mägde.
Die Beisitzerin war von dieser Äußerung so echauffiert, dass sie die Beratung unter Protest verlassen hatte und beim Herausgehen zu Gehrich sagte: „Herr Kollege, wo bleibt die aura academia?“
„Mir fehlt nicht nur meine kluge Helene, sondern auch das lose Mundwerk des Kollegen Gehrich“, dachte ich und schlief ein, ohne Doris noch einmal angesehen und ohne ihr eine gute Nacht gewünscht zu haben.
Am nächsten Tag, dem Sonntag, war genügend Zeit, weil es bis Marseille eigentlich gar nicht
Doris ließ sich überreden, nur bis Salon-de-Provence zu fahren und auch dort nur in einem ähnlichen Hotel wie in Montélimar zu übernachten.
Ich hatte ihr erklären können, erst am Montag bis zum Ende der A7 in Marseille, im Stadtteil Saint-Lazare, zu fahren; dort das Auto in einem Parkhaus abzustellen und dann ein Taxi bis zur Anlegestelle des Kreuzfahrtschiffes, der Môle Léon Gourret, zu nehmen.
II.
Am Check-in-Schalter des Kreuzfahrtschiffes übernahm Doris die Regie.
Zum Glück hatte sie bereits vieles online erledigt.
„Wo ist Dein Koffer?“, fragte sie mich.
Dabei hatte ich meinen Koffer doch in der Hand und ihre zwei Koffer standen neben uns.
Nach langem Hin und Her stellte sie entsetzt fest, dass ich meine Sachen für eine Kreuzfahrt niemals in meinem kleinen Koffer verstaut haben könnte.
Die Koffer wurden mit Namensschildern und der Nummer unserer Kabine versehen. Irgendwelche Arbeiter nahmen das Gepäck entgegen und nun wurden unsere Reisepapiere wie an einem Flughafen kontrolliert.
Doris und auch ich bekamen je eine Cruise-Card und konnten nun auf das Schiff.
Erstaunlicherweise fand sich Doris sofort zurecht; ich hingegen hatte Orientierungsschwierigkeiten. Die engen langen Gänge mit den vielen Kabinentüren erinnerten mich an die modernen Riesenhotels in Berlin.
Gut, dass wir eine Außenkabine mit Balkon gebucht hatten.
Ohne Balkon hätte ich bestimmt Platzangst bekommen. Zwei Betten, ein Sofa und ein Sessel mit Tisch auf vielleicht 20 qm Kabinenfläche waren gewöhnungsbedürftig. Der Balkon vermittelte aber das Gefühl, in einem größeren Käfig zu sein.
Mein Beisitzer Ernst Gehrich hatte mir vor meinem Urlaub den Rat gegeben, nicht mit einem deutschen Kreuzfahrtschiff zu fahren.
Er war ein ganz brillanter Zivilrechtler und der Witzbold in der Kammer. Er wusste nicht nur auf juristischem Gebiet sehr viel, sondern behauptete, auch sonst alles zu kennen und zu wissen. Wenn man jedoch nachfragte, gab es alsbald ein riesiges Gelächter.
So behauptete dieser Gehrich auch, dass man in Deutschland eine Kreuzfahrt nur „all-inclusive“ buchen könne. Es gäbe lediglich die Möglichkeit, ein bestimmtes Getränkepaket zu wählen. Französische Anbieter hingegen würden eine Art Individualkreuzfahrt verkaufen.
Auf meine Frage, ob er denn schon einmal eine Kreuzfahrt unternommen hätte, erklärte er in der ihm eigenen Art, dass dies zwar nicht der Fall sei, er aber einen kennen würde, der einen kenne, der das ganz genau wisse.
Nach dem üblichen Gelächter dozierte er, dass sein Nachbar, der Horst Schindler, mehrmals im Jahr eine Kreuzfahrt unternehmen würde, weil ihn sein Reisebüro immer dann anriefe, wenn nicht alle Plätze verkauft worden seien, und er dann einen Sonderpreis bekäme. So sei er zwischenzeitlich der Experte für Kreuzfahrten geworden, und würde sogar manchmal vom Kapitän beim Einchecken persönlich begrüßt. Der Kapitän kenne zwar seinen Namen nicht, sage aber immer, dass er ihm bekannt vorkäme.
Also der Horst schwöre auf „all-inclusiv“, weil man sich um nichts zu kümmern brauche und alles vor den Arsch gemacht bekäme. Bei den Getränken sei es aber problematisch, weil es nur ein Billigpaket und ein Exclusivpaket gebe. Bei Letzterem bekäme man anstatt der Billigweine zum Beispiel ausgesuchte und sehr gute französische Landweine. Wenn man beim Personal jedoch bekannt sei oder dem Kellner außerplanmäßig einen Euro zustecke, bekäme man trotz der Buchung des billigen Getränkepaketes schon ab und zu einmal einen sehr teuren Landwein.
Schindler Horst würde auch nicht immer an den Büffets teilnehmen, sondern ab und zu in einem Restaurant des Schiffes essen. Dort würde man ganz individuell bedient, obwohl man das gleiche Essen wie am Büffet bekäme. Nur die Getränke müsse man extra bezahlen und vor allen Dingen rechtzeitig einen Tisch reservieren. Es ginge also auch ganz individuell.
„Ja, und was hat das nun mit einem französischen Kreuzfahrtschiff zu tun?“, fragte ich amüsiert den Beisitzer.
Der Horst, der kenne einen anderen Kreuzfahrer, der allerdings arm dran sei, weil er sich nicht unterordnen könne. Und dieser Kumpel hätte herausgefunden, dass man dann, wenn man die Reise über ein französisches Reisebüro und auf einem französischen Schiff buche, auch „nicht all-inclusive“ buchen könnte. Es sei dann zum Beispiel möglich, nur das Galadinner am ersten Tag und das Kapitänsdinner am letzten Tag mit zu buchen. An den restlichen Tagen nehme dieser arrogante und unmögliche Kumpel, der ja keine Ahnung hätte, sein individuell gestaltetes Menü in einem der Restaurants ein und ginge nicht zur Massenfütterung. Zu diesen wunderbaren Büffets sage dieser „Wichser“ Massenfütterung, was schon erkennen ließe, dass dieser Mensch überhaupt nicht wüsste, was eine richtige Kreuzfahrt sei. Das sei doch tatsächlich nur „halb-all-inclusive“ und ohne jeglichen Komfort.
Auf meine Frage, ob das auch alles stimme, antwortete mir mein Beisitzer Gehrich: „Aber Chef, habe ich Ihnen schon einmal etwas erzählt, ohne es zu überprüfen? Ich habe es im Internet kontrolliert und festgestellt, dass man in Deutschland tatsächlich nur „all-inclusive“ buchen kann, aber in Frankreich auch eine individuelle Kreuzfahrt angeboten wird.“
Da ich wusste, dass sich dieser Kollege niemals wagen würde, mich auf den Arm zu nehmen, habe ich auf ihn gehört und gegenüber Doris darauf bestanden, nur in Frankreich eine solche Kreuzfahrt zu buchen.
Bis zum Beginn des Galaabends im großen Saal waren es noch fast zwei Stunden.
Nachdem Doris ihre Utensilien im Badteil der Kabine verstaut hatte, duschte ich und legte mich danach auf mein Bett.
Nach kurzer Zeit musste ich eingeschlafen sein. Doris rüttelte mich nämlich kräftig und meinte, dass es Zeit sei, mich umzuziehen.
Sie hatte sich schon fertig bemalt und stand in einer Art Abendkleid, das ich noch nicht kannte, vor mir.
„Du siehst ja richtig toll aus!“, lobte ich sie.
Sie zuppelte noch hier und da an dem Kleid herum und forderte mich auf, mich ebenfalls fertigzumachen.
„Neben Dir falle ich bestimmt in meiner dunkelgrauen Hose und dem karierten Jackett negativ auf“, sagte ich.
„Sag bloß, Du hast kein Dinnerjacket mit?“
„Warum sollte ich? Ich besitze doch gar keins.“
„Ich habe Dir doch extra den Dress-Code für dieses Schiff gegeben! Hast Du den nicht gelesen? Darin stand doch deutlich, dass man für die Galadinner ein Dinnerjacket oder zumindest einen dunklen Anzug zu tragen habe.“
„Nein, von einem Dress-Code weiß ich nichts. Und wenn ich ihn gelesen hätte, wäre ich bestimmt nicht mitgefahren.“
„Mein Gott, Du bist der unmöglichste Mensch, der mir jemals begegnet ist!“, beschimpfte sie mich.
Wie vorausgeahnt, wurde ich vor der Saaltür höflich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Dinnerjacket oder ein Smoking erwartet würde.
Der Saaldiener erklärte mir, dass ich nebenan einen Smoking ausleihen könne und begrüßte höflich die anderen Kreuzfahrer.
Durch die Tür sah ich, dass er Saal schon gut gefüllt war und erkannte, dass man sich sein Essen an einem riesigen Zentralbuffet selbst holen musste.
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