„Danke Mom – das hatte ich nicht bedacht. Ist ja klar, dass größtmögliche Vollständigkeit und Qualität Vorrang vor Hektik und Eile hat. Aber du hattest doch auch noch einen dritten Punkt erwähnt, der für den Beginn unserer Mitarbeit eine Rolle spielt“, unterbrach Mora-Lisa an dieser Stelle den Redefluss ihrer Mutter.
„Tja – der dritte Grund ist, dass Kendo erst morgen Mittag mit seinem Flaggschiff THERRA-X hier bei uns eintreffen wird. Gegenwärtig begleitet unser Oberboss schon seit ein paar Tagen Kalas und Moanas Mutter zu den JDEF-Einrichtungen in Nordamerika. Und auch der Besuch ihrer umgesiedelten Landsleute in Chief David Grey Bears Reservat am Pyramid Lake steht auf der Liste von Präsidentin Alamis Besichtigungszielen.
Obwohl wir Sonntag haben, führen die beiden momentan noch politische Gespräche bei der USNO in New York. Die Regierungsvertreter und Politiker unserer Sternenallianz haben die aquanautische Ratspräsidentin Alami ja bei ihren wenigen Besuchen auf TERRA bislang noch nicht alle persönlich kennenlernen können.
Und weil die Unterredungen mit der USNO-Politprominenz erst heute Abend zu Ende gehen, müsst ihr vier euch darauf einstellen, dass die aquanautische Präsidentin schon morgen hier auftauchen wird. Unklar ist nur, wer sie nach dem Besuch ihrer Landsleute von Nevada nach Europa fliegen wird. Denn eigentlich ist Präsidentin Alami ja in erster Linie wegen der Graduierung ihrer Kinder von ENCELADUS nach TERRA gereist.“
„Meine Güte – daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht“, raunte die attraktive Aquanautin Kala ihrem Freund Maxi jetzt sichtbar aufgeregt zu, ehe sie sich ihrem hochgewachsenen Bruder zuwandte und ihm nahtlos ins Ohr flüsterte:
„Für uns zwei schlägt dann wohl morgen Mittag die Stunde der Wahrheit. Ich schätze mal, dass Mutter nicht besonders amüsiert sein wird, wenn sie bei unserer morgigen Beichte erfährt, dass wir hierbleiben und lieber zusammen mit unseren Partnern Lisa und Maxi in die JDEF eintreten wollen.“
„Das könnte passieren, denn wie ich von Lisa und Maxi bereits erfahren habe, hat euch eure Mom zusammen mit einer Auswahl eurer Landsleute ja vor allem zum Zweck der Vorbereitung für den künftigen Dienst in eurer enceladischen Raumflotte an unsere Terranische Raumakademie entsandt.
Und mit Blick auf das morgige Treffen mit ihr hat das, was wir heute Abend noch vorhaben, auch noch einen weiteren wichtigen, sagen wir mal interfamiliären Grund. Denn als Mutter meiner beiden Rabauken beabsichtige ich nämlich, euch Aquanauten bei eurer Montagsbeichte zu unterstützen – ich meine, sofern ihr nichts dagegen habt, dass ich und zwei meiner ganz speziellen Freunde am morgigen Gespräch mit eurer Mom teilnehmen.
Ich habe deswegen übrigens bereits gestern Abend mit General Tony Masterson und seiner aquanautischen Ehefrau Ayla Kontakt aufgenommen. Ayla und der Kommandierende General der JDEF-Einsatzbasis Amerika sind nämlich die beiden speziellen Freunde, von denen ich gerade sprach.
Die beiden haben mir fest zugesagt, schon morgen eure Mom in Nevada aufzulesen und sie mit Tonys Flaggschiff KIMBAL zu uns herzubringen. Immerhin kennen sich die Admiralin und ihr terranischer General und Ehemann mit Liebesbeziehungen zwischen Terranern und Aquanauten ja bestens aus und können euch deswegen wahrscheinlich ein paar gute Tipps für eure Argumentationsketten liefern.
Doch für den Rest des heutigen Abends möchte ich, dass wir uns in einem privateren Ambiente noch ein wenig mehr über unseren jeweiligen familiären Hintergrund unterhalten. Keine Angst, dabei geht’s mir nicht um die Erörterung pikanter Themen. Doch bevor sich eure beiden aquanautischen Freunde noch tiefgehender auf meine süßen Frechdachse einlassen, sollten auch sie mehr über unsere Familiengeschichte erfahren. Und umgekehrt gilt das genauso.
Dazu gehört von meiner Seite unter anderem die Beantwortung der Frage, wie Alex und ich als Eltern von Lisa und Max von Haus aus ticken – und darüber hinaus auch darum, was unsere zwei Hübschen in ihrer Jugendzeit so alles angestellt habt. Schließlich müsst ihr zwei Aquanauten vor dem Treffen mit eurer Mutter ja wissen, auf wen ihr euch da künftig enger einlassen wollt.“
„Och Mom – ist das wirklich nötig?“, kam es jetzt unisono aus Lisas und Maxis Mund. „Wahrscheinlich kramst du dann nachher auch noch die ganzen Bildergalerien und Videos raus, um unsere angeblichen Jugendsünden zu belegen.“
„Was sein muss, muss sein, meine Süßen. Da euer Paps bekanntlich ja noch verhindert ist, muss ich das heutige Familientreffen wohl ganz alleine stemmen, sobald ich meine Anna ins Bett gelegt und in die Obhut einer unserer Mara-Kinderschwestern übergeben habe“, erwiderte Mora Kranz jetzt mit einem spitzbübischen Lächeln, während sie zugleich in die neugierig grinsenden Gesichter der beiden Geschwister aus dem Volk der Aquanauten blickte. Gleich danach fügte sie noch hinzu:
„Und damit es nicht ganz so schlimm für euch vier Teenager wird, lade ich euch zu einem von Alfons Richter bereits vorbereiteten Abendessen in unser Schwabinger Penthouse ein. Deshalb schnappen wir uns jetzt einen Gleiter und lassen euren Papa in der Obhut seiner Ärzte zurück.“
„Na das kann ja was werden“, grinste Moras Tochter Lisa ihren Freund Moana umgehend an, während sie und ihr Bruder kurz danach die Wärmebehälter mit den Speisen aus Alfons Richters Casinoküche in den bereitstehenden Gleiter verluden.
„Tja, uns bleibt wohl nichts erspart. Wird anscheinend ein fordernder Sonntagabend für uns alle – ich hoffe nur, dass unsere Mom bei ihrem Verhör nachher auf die übliche Vorführung der nicht jugendfreien Badewannenaufnahmen aus unserer Babyzeit verzichtet“, meinte Alexander-Max trocken, als er sich nach dem Einladen der Essencontainer neben seine Freundin Kala in den Fond des Gleiters setzte.
„Genau die will ich aber sehen, mein Teuerster. Süße Babyfotos liebe ich nämlich über alles – vor allem, wenn es sich dabei um deine handelt.
Außerdem finde ich es für die Argumentation gegenüber unserer Mutter ausgesprochen hilfreich, wenn wir über alle Lageinformationen verfügen“, gluckste Kala umgehend los, als die daraufhin sanft lächelnde Mora Kranz den Gleiter in der anbrechenden Dämmerung in Richtung München in Bewegung setzte und leise vor sich hinmurmelte: „Vollständige Lageinformationen. Na, wenigstens hat eine von euch im Taktikunterricht aufgepasst.“
***
Nach dem gemeinsamen Abendessen und der darauffolgenden Dia- und Videovorführung, während der Mora und ihre Gäste viel miteinander geredet und noch viel mehr gelacht hatten, standen Kala und Moana irgendwann auf und gingen auf die Mutter ihrer Freunde zu. Dann sagte die schwarzhaarige Kala mit leiser Stimme:
„Danke für diesen wundervollen Abend und das exquisite Abendessen, verehrte Fürstin – vor allem, weil du uns beide damit heute Abend so hervorragend von der morgen bevorstehenden ernsten Aussprache mit unserer Mutter abgelenkt hast. Außerdem fällt mir grad ein, dass du neulich nach unserem Vater Paro gefragt hattest.
Doch zuerst mal, will ich dir noch sagen: Ich verstehe jetzt viel besser, warum ich deinen Sohn so sehr mag – und ich weiß, dass es meinem schüchternen Bruder in Bezug auf deine Tochter Lisa ganz genauso geht.
Ich wünschte mir nur, dass unsere Mutter auch so offen und nett wäre, wie du es uns gegenüber bist. Und was unseren Vater angeht, so muss ich leider berichten, dass der schon vor sehr langer Zeit bei Forschungsarbeiten auf ENCELADUS tödlich verunglückt ist, was vielleicht auch ein stückweit die eher formelle Beziehung zwischen unserer Mutter und uns erklärt.“
„Das tut mir sehr leid, Kala und Moana. Und was das Verhalten eurer Mutter betrifft, so dürft ihr so etwas nicht einmal denken und noch viel weniger laut sagen. Ich bin mir nämlich sicher, dass sie euch genauso sehr liebt, wie ich meine Kinder gernhabe“, entgegnete Mora prompt, wobei sie die junge Aquanautin und gleich danach auch deren Bruder Moana fest in ihre Arme schloss.
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