und die beiden muskulösen Beine wurden im Flug nach hinten an den Leib
gelegt. Der flache Schädel glich einem stumpfen Dreieck, in dessen breiter
Vorderseite sich das Auge befand. Es hatte eine elliptische Form und zwei
schlitzartige Pupillen. Jede von ihnen war mit einem der Maultentakel
gekoppelt und erlaubte es der Lederschwinge, ihre Beute auf große
Entfernung zu erkennen und den Brennstrahl zu fokussieren. Die Seiten des
Schädels liefen in kurze Steuerschwingen aus, die das Flugwesen äußerst
wendig machten. Unter dem Schädel befand sich der Fressschlitz, an der
Oberseite die Membranen für die Saugatmung. Der Kopf saß auf einem
schlauchartigen Hals, der in den schlanken Rumpf überging. Dort setzten die
dreieckigen Flugschwingen an. Die grau und grün schattierte Haut war ledrig
und hatte den Wesen ihre Bezeichnung eingetragen. Showaa war ein
Weibchen, und so schimmerte ihre Bauchseite in einem sanften Rot. Sobald
sie in die Brunftzeit kam, würde es einen intensiveren Ton annehmen. Ein
verlockendes Signal für jedes Männchen. Natürlich würde die intensive
Färbung auch andere Wesen auf Showaa aufmerksam machen, doch für die
Lederschwingen gab es keine natürlichen Feinde. Nichts konnte ihnen die
Herrschaft über die Lüfte streitig machen.
»Präsentiere ihr Sattel und Lenkstab«, raunte Mordeschdar mit heiserer
Stimme.
Anschudar hob beides über den Kopf und verkniff sich einen leisen Fluch,
als einer der schweren Steigbügel schmerzhaft gegen seine Wange schlug.
Mit der einen Hand den Schwingensattel, mit der anderen den Lenkstab in die
Höhe haltend, sah er nervös zu der kreisenden Lederschwinge hinüber.
Showaa schien unentschlossen, zog mit aufgeregten Schwingenschlägen an
dem Menschenwesen vorbei. Der dreieckige Kopf war ihm zugewandt, und
die beiden senkrechten Schlitzpupillen im ovalen Auge bewegten sich
unruhig hin und her. Sie spürte instinktiv, was ihre Aufgabe war. Jede
neugeborene Lederschwinge wusste es, denn seit Generationen lebten die
Wesen mit den Menschen des Horstes in enger Verbindung.
»Showaa!«, rief Anschudar fordernd.
Showaas Kopf schien sich ein wenig zu neigen, so als lausche sie dem
Klang der Stimme. Erneut umrundete sie den Geburtsfelsen, und die beiden
Maultentakel zuckten leicht. Sie waren leer und hielten noch nicht die zwei
Gelbsteine, die der Lederschwinge die Fähigkeit verleihen würden, ihre
Feinde zu brennen. Auch die Kammern in ihrem Leib waren kaum mit Gas
gefüllt. Es reichte gerade aus, Showaa leicht genug zum Flug zu machen. Erst
später, nach dem Fressen, würden die Verdauungsgase in die Hohlräume
strömen.
Dann, endlich, legte sich die junge Lederschwinge in eine sanfte Kurve.
Ihre muskulösen Beine schoben sich nach vorn, und die noch weichen Krallen
reckten sich dem Boden des Plateaus entgegen. Die Landung war noch ein
wenig ungeschickt, und Showaa musste sich mit den Flugschwingen
abstützen. Aber sie war Anschudars Ruf gefolgt.
Er wusste, was er zu tun hatte, und trat an sie heran. Showaa senkte ihren
Kopf, bis dieser fast den Boden berührte, und wendete ihren langen Hals, um
Anschudar zu beobachten. Ihre beiden Schlitzpupillen schoben sich
aufeinander zu, als sie auf ihren künftigen Reiter scharf stellte.
»Leg ihr den Sattel auf. Jetzt«, raunte Mordeschdar.
»Ja, ich weiß«, erwiderte Anschudar.
Showaa zuckte leicht zusammen, als der Sattel ihre Haut berührte.
Anschudar hatte die Handgriffe oft geübt, und seine Bewegungen waren
schnell und sicher. Er legte Showaa den breiten Sattelgurt um den Hals, direkt
vor dem Ansatz der Flugschwingen, und strich ihr sanft über die Kehlhaut.
Instinktiv zog sich Showaas Muskulatur zusammen, und Anschudar konnte
den Gurt endgültig festziehen. Mordeschdar nickte beifällig. Sein Schüler
hatte es genau richtig gemacht. Nicht zu fest und nicht zu locker. Das richtige
Maß war wichtig, um einen festen Sitz zu garantieren, ohne den Hals zu stark
einzuschnüren. Anschudar zog die Steigbügel mit den schweren
Bügelschuhen nach unten und sah Mordeschdar für einen Augenblick an.
Dieser nickte. »Flieg mit ihr, Schwingenreiter. Nur so findet ihr endgültig
zueinander.«
Anschudar setzte den rechten Fuß in den Bügelschuh und zog sich in den
Sattel hoch. Unter dem ungewohnten Gewicht ihres Reiters richtete sich
Showaa instinktiv auf. Anschudar hatte Mühe, sich oben zu halten, als sich
die Schwinge zu voller Größe aufbaute. Er klopfte ihr beruhigend gegen den
Hals und spürte dabei ihre Erregung.
Behutsam setzte er mit der anderen Hand das Lenkholz an, ein
fingerstarker Stab, gute zwei Spannen lang und an den Enden nach unten
gekrümmt. Dort befanden sich die Lenkdorne aus reinem Gold. Stumpf
genug, um die Haut nicht zu verletzen, und spitz genug, der Schwinge die
gewünschte Richtung anzuzeigen. Später, wenn Anschudar und Showaa sich
aneinander gewöhnt hatten, würde das Lenkholz überflüssig sein. Eine leichte
Gewichtsverlagerung des Reiters im Sattel würde dann ausreichen.
»Flieg, Showaa«, sagte Anschudar leise. »Flieg, meine Schöne.«
Die Lederschwinge ging ein wenig in die Knie, stieß sich mit ihren
muskulösen Beinen ab und breitete zugleich ihre Flugschwingen aus.
Anschudar stieß einen Schrei reinsten Entzückens aus, als Showaa über den
Rand des Plateaus in die Tiefe glitt. Er spürte das Pumpen in ihren inneren
Kammern, als sie das Gewicht des Reiters ausglich, und genoss es, wie der
Wind an seinem Gesicht vorüberstrich. Der Boden kam rasend schnell näher,
aber der junge Schwingenreiter empfand keine Furcht und vertraute auf die
Fähigkeiten Showaas. Erneut stieß er einen jauchzenden Schrei aus, als sie
den Sturz dicht über dem Boden abfing und rasch wieder an Höhe gewann.
Das Plateau fiel hinter ihnen zurück, und Anschudar ließ Showaa ihren
Willen. Sie beide sollten diesen ersten gemeinsamen Flug genießen, denn er
würde sie zusammenführen. Der Wind stach wie mit eisigen Nadeln in sein
Gesicht. Es war schmerzhaft, und doch verzichtete Anschudar auch jetzt
darauf, das Klarsteinvisier vor seinen Helm zu klappen. Zu sehr genoss er das
Gefühl der Freiheit, wie es nur ein Schwingenreiter empfand. Hoch oben
zwischen den Wolken, losgelöst von der Mühsal, die mit dem Leben am
Boden verbunden war. Frei von der Enge des Horstes, der seinem Volk
Heimat und sichere Zuflucht vor den Kriegen der anderen Völker war.
Einst hatte auch Anschudars Volk den Boden der fruchtbaren Ebenen von
Rumak bewohnt. Doch dann waren die großen Kriege ausgebrochen, der
Menschenreiche untereinander und der Menschen und Elfen gegen die
Legionen des Schwarzen Lords. Wie mächtige Mühlsteine hatten sie
Anschudars Volk zwischen sich zerrieben, bis sich einige aus ihm der
Finsternis unterwarfen und die letzten freien Rumaker in die Schwarzen
Berge von Uma’Roll flüchteten. Immer höher hinauf, bis in die eisigen
Regionen, wohin ihnen kein Mensch und erst recht kein Ork folgen konnte,
denn die Bestien des Schwarzen Lords erstarrten in der Kälte. Die Handvoll
Überlebender wäre selbst dem Tod geweiht gewesen, wäre sie dort oben nicht
auf den Horst der Lederschwingen gestoßen. Obwohl sie äußerlich so wenig
gemeinsam hatten, fanden sie in einer nahezu symbiotischen Verbindung
zueinander.
Die Flugwesen waren Allesfresser. Sie verschmähten weder Pflanzen noch
Fleisch, begnügten sich aber auch mit Aas. Darin ähnelten sie durchaus den
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