dies der goldenen Schüsselchen wegen, Hendahl hingegen glaubte mit
Hingabe an die Ziele seines Hohen Lords Garwin. Da der junge Scharführer
mit den strahlend blauen Augen im Rang etwas niedriger war, lag es an
Peragram, Garwin zu begrüßen.
»Willkommen zurück in der geheimen Mark, mein Hoher Lord. Es war ein
langer und anstrengender Ritt, wie ich an Pferden und Männern erkennen
kann, und«, Peragram grinste breit, »er war offensichtlich von Erfolg
gekrönt.«
Garwin nickte mechanisch und überblickte den Platz. Überall waren
Männer und Frauen zu sehen, die ihrem Tagwerk nachgingen. Das Lager
wirkte nur wenig anders als ein beliebiger Weiler des Pferdevolkes. »Ja, es
war lang und anstrengend, und es hat sich gelohnt. Die elfischen Spitzohren
haben kaum Gepäck auf ihre Reise mitgenommen. Wir könnten noch etliche
Ritte durchführen und würden jedes Mal reich bepackt zurückkehren.«
»Der elfische Plunder trifft nicht jedermanns Geschmack«, meinte
Peragram. »Mir ist es zu verspielt und zu weibisch.«
Garwin lächelte dünn. »Es ist sorgfältig gearbeitet und sehr haltbar. Jedes
dieser Möbel erspart unseren Männern Arbeit. Arbeit, die sich sinnvoller
einsetzen lässt. Unsere Vorratskammern müssen aufgefüllt werden, denn es
wird ein harter Winter. Die Waffenkammern brauchen neue Waffen für jene,
die noch zu uns stoßen. Und die Männer müssen sich im Umgang mit den
Waffen üben.«
»Das ist wohl wahr, Hoher Lord, auch wenn es gute Fortschritte gibt. Die
zweite Schmiede ist nun in Betrieb. Wir haben einen Vorrat an Nägeln und
Beschlägen und auch genug Werkzeug. So können wir verstärkt mit der
Herstellung von Waffen beginnen. Vor allem der kleinen Querbögen und
ihrer Bolzen.«
Garwin nickte zufrieden. »Gehen wir hinauf«, meinte er. »Dann könnt ihr
beiden mir in Ruhe berichten, was sich in den letzten Tageswenden
zugetragen hat und was es an Neuigkeiten aus den Marken gibt.«
Zwei Wachen salutierten vor der Gruppe und gaben den Eingang von
Garwins Haus frei. Das Erdgeschoss war ein einziger großer Raum und diente
der persönlichen Wache Garwins als Unterkunft. An der gerundeten Wand
entlang standen die Betten und die Kisten mit den persönlichen
Habseligkeiten. In die zahlreichen Stützbalken waren Nägel und Haken
eingeschlagen, an denen Waffen, Schilde und Kleidungsstücke hingen. Zwei
Brennsteinbecken baumelten an Ketten von der Decke herab und spendeten
genug Licht, um sich orientieren zu können.
Das darüberliegende Geschoss war den Vorräten Garwins und seiner
Männer vorbehalten. Falls es zu einer Belagerung kam, würden die im
Turmhaus versammelten Menschen eine Weile ausharren können. Über der
Vorratsebene lagen die Unterkünfte der fünf Scharführer. Drei von ihnen
waren gebunden, und einer davon hatte vor Kurzem Nachwuchs bekommen.
Garwin verabscheute Kindergeschrei, da es ihm die Ruhe der Nacht raubte,
doch weil er seine Männer schätzte, verharrte er kurz bei der stolzen Mutter
und nahm Anteil an ihrem Glück.
»Der kleine Kerl hat eine verdammt kräftige Stimme«, brummte Peragram
missmutig, als sie endlich das Obergeschoss erreichten. »Weiber und Kinder
lenken die Männer nur von ihrer Aufgabe ab.«
»Unsinn«, widersprach Hendahl energisch. »Kinder sind die Zukunft einer
Mark.«
»Wohl gesprochen«, stimmte Garwin lächelnd zu. »Mag er ruhig kräftig
schreien, Peragram, das stärkt seine Lunge. Sorgen wir dafür, dass er später
auch einen kräftigen Arm hat und eine gute Klinge führt.«
Peragram verzichtete auf einen Kommentar. Er wartete, bis sich Garwin
hinter seinen grob gezimmerten Schreibtisch gesetzt hatte. Dahinter an der
Wand stand eine Fahne in ihrem Halter, die sehr deutlich zum Ausdruck
brachte, was Garwin im Schilde führte. Statt aus dem grünen Tuch des
Pferdevolkes war sie aus rotem Stoff gefertigt und zeigte das springende
weiße Pferd und das Sonnensymbol. Die Fahne war der des ersten Königs des
Pferdevolkes nachempfunden, und Garwin hatte die Absicht, sie eines Tages
in der Königshalle der Hauptstadt Enderonas aufzustellen. Dann, wenn die
anderen Pferdefürsten die Knie vor ihm beugen oder tot sein würden.
Erst als Garwin den anderen zunickte, setzten sie sich ebenfalls. »Nun
denn, was gibt es zu berichten? Wurden neue Männer angeworben?«
»In diesem Mond ganze sieben.« Peragram lächelte zufrieden. »Die
meisten sind nur unzufriedene Bauern, aber es sind auch zwei gute
Pferdelords darunter.«
»Schwertmänner?«, fragte Garwin interessiert.
»Bedauerlicherweise nein«, räumte der Scharführer ein. »Die sind einfach
zu sehr den Traditionen verbunden und stehen treu zu ihren Pferdefürsten. Es
mag den einen oder anderen geben, der sich uns anschließen würde, aber das
Risiko, sich ihnen zu offenbaren, ist recht hoch.«
»Noch müssen wir im Verborgenen bleiben«, stimmte der Herr der
geheimen Mark zu. »Aber das wird sich ändern. Schön, sieben neue Männer,
das ist nicht schlecht. Es ist besser, unsere Streitmacht wächst langsam und
besteht aus verlässlichen Männern, als dass wir uns einen Flugstecher ins Fell
setzen. Denkt daran, jeder Neue muss sorgfältig befragt werden. Wenn die
Pferdefürsten in Erfahrung bringen, was wir planen, dann werden sie nicht
zögern, mit aller Macht gegen uns vorzugehen.«
»Keine Sorge, Hoher Lord. Wenn ich Zweifel an der Verlässlichkeit einer
Person habe, wird sie sofort beseitigt.«
»Gut.« Garwin sah Hendahl an. »Und Ihr, Hendahl? Was habt Ihr zu
berichten?«
»Unsere Augen und Ohren sind in fast jeder Stadt der Mark und auch in
den Grenzprovinzen des Reiches Alnoa. Was wir nicht selbst in Erfahrung
bringen, hören wir von anderen. Manche Zunge wird durch die goldenen
Schüsselchen gelöst.«
»In der Tat.« Garwin lächelte erneut, und diesmal wirkte es, als bleckte ein
Raubtier sein Gebiss. »Sagt, mein Freund, was machen unsere eigenen
Schüsselchen?«
»Sie nachzumachen ist eigentlich kein Problem.« Hendahl leckte sich
nervös über die Lippen. »Nachdem wir die Hämmer mit dem Siegel des
Königs von Alnoa angefertigt hatten, brauchten wir sie ja nur in entsprechend
große Goldscheiben zu schlagen. Unsere Schüsselchen lassen sich nicht von
denen des Königs unterscheiden, allerdings ist das Gold sehr knapp. Wie Ihr
wisst, haben wir hier keine Goldvorkommen, und wir können nicht in den
anderen Marken schürfen, das würde auffallen. Wir brauchen aber ziemlich
viele Schüsselchen, um unsere Augen und Ohren zu belohnen.«
»Dann beschafft das notwendige Gold. Der Plunder muss sich ja auftreiben
lassen.«
Peragram räusperte sich. »Fürs Erste haben wir genug. Ich habe einen
Wagen mit Plattengold abgefangen.«
»Ihr habt was?« Garwin beugte sich vor. »Ihr habt einen Handelswagen
überfallen?«
»Wir brauchten Gold«, brummte Peragram. »Keine Sorge, Hoher Lord, es
gab keine Spuren. Wir haben die Leichen des Händlers und seiner beiden
Gehilfen mitgenommen und am Waldrand verscharrt. Den Wagen können wir
selbst gut gebrauchen.«
»Verdammt, Peragram, was fällt Euch ein? Auch wenn man die Toten
nicht findet, wird man den Händler doch vermissen. Die Streifscharen der
Pferdelords sind ohnehin schon aufgescheucht, weil immer wieder Menschen
und Waren verschwinden. Wir müssen uns bedeckt halten, und wenn Ihr
schon einen Händler massakriert, dann wenigstens nicht direkt vor unserer
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