1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 Am Frühstückstisch wurde ausgelassen geplaudert, niemand wollte für diese Zeit an die vergangene Nacht denken. Gleichwohl wurde die Harmonie nach einiger Zeit unterbrochen, als Fiskus in die Küche flog. An diesem Morgen klang die Stimme des Spähers erregt und abgehetzt.
"Zwei Gestalten nähern sich in diesem Moment in kurzen Schritten der Villa. Sie scheinen vom Stabwald zu kommen!''
Der Stabwald, das war das Wäldchen, in dem die Zwillinge das nötige Holz für die Reparaturen bekommen hatten. Thewak schickte sofort Ubrum und Juliet nach draußen, um nachzusehen. Zwei Gestalten konnten nicht viel Ärger machen, und bei einem drohenden Hinterhalt hätten die anderen Späher vom Dach längst etwas gemeldet.
Ubrum, der die beiden Gestalten als erster genauer erkennen konnte, staunte nicht schlecht.
"Fegat, Felina, kommt raus! Das müsst ihr sehen!''
Juliet musste sich die Augen reiben und meinte nur fassungslos: "Und wer von denen ist jetzt euer vermisster Freund?''
Fegat konnte es kaum glauben, als er mit Felina, Thewak und einigen anderen aus der Villa kam, und zuerst wusste er nicht, wie er reagieren sollte. Denn wem sollte er um den Hals fallen? Da liefen zwei genau identische Werwölfe auf sie zu und waren am Ende ihrer Kräfte. Ihre Körper sahen aus, als hätten sie herausfinden wollen, wer mehr Wunden aushalten konnte, ohne schlapp zu machen. Der Umstand, dass die beiden zur gleichen Zeit am gleichen Ort waren und auch noch beide derart hart mitgenommen aussahen, grenzte schon fast an ein Wunder. Als sie nur noch einige Meter entfernt waren, hob einer der beiden Werwölfe den Kopf. Mit heiserer Stimme keuchte er:
"Ah, Fegat. Felina. Wie schön, dass ihr auch noch da seid, meine Freun- ...''
In diesem Moment brachen beide gleichzeitig erschöpft zusammen. Schlagartig hatte sich das allgemeine Staunen in Hilfsbereitschaft verwandelt und die Ankömmlinge wurden rasch in die Villa getragen, wo sie viele Tage lang gepflegt wurden. In dieser Zeit verfiel die gesamte Villa wieder in Verteidigungsposition. Fegat, der überglücklich war, seinen Freund wiederzusehen, saß Tag und Nacht bei ihm. Er hatte sich bei den Worten des Werwolfs genau eingeprägt, wer von beiden Narbenkralle war, und man band den Patienten verschiedenfarbige Bänder an die Fußgelenke, um sie unterscheiden zu können. In den ersten Stunden nach seiner Ankunft war Narbenkralle immer wieder aufgewacht und hatte irgendwelche Worte gesagt, die aber keinen Sinn machten. Der Himmelskobold, ein kleiner Gnom mit weißem Rauschebart und kräftigen Armen, hatte diagnostiziert, dass Fegats Freund sich womöglich eine derbe Gehirnerschütterung zugezogen haben könnte. Am zweiten Tag waren dann beide Patienten ins Koma gefallen. Thewak, der ihre Genesung mit Sorge verfolgte, beschloss nach einer Woche wieder den offensiven Kampf aufzunehmen. Während am Nachmittag des achten Tages in der Küche eine Plansitzung stattfand, saß der nachdenkliche Harpan immer noch an Narbenkralles Bett. Er hatte kaum ein Auge zugetan, wieder und wieder meinte er, seinen Freund schreien zu hören. Doch wenn er dann in die kantigen Gesichtszüge des Uredan blickte, schlief dieser friedlich. Als Fegat gerade dabei war, wieder halb einzunicken, legte sich eine kräftige Hand auf seine schuppige Schulter. Er schreckte hoch, aber hinter sich fand er nur Fenrir, weshalb er sich wieder setzte.
"Leg dich doch ein wenig schlafen. Die Heiler meinen, dass sich das Koma noch einige Tage fortsetzen wird, also ist momentan kein Grund zur Unruhe.''
Fegat wandte seinen Blick nicht von dem Werwolf ab. "Darum geht es mir nicht. Narbenkralle und ich, wir sind schon ewig befreundet. Wir haben zusammen so viele Abenteuer bestanden. Ich möchte für ihn da sein, wenn er wach wird. Aber was erzähle ich das dir. Ein Solider wird sicher nicht wissen, was Freundschaft ist.''
Fenrir, der solche Bemerkungen in seinem Leben schon unzählige Male gehört hatte, ließ sich nicht provozieren, hockte sich stattdessen neben das Bett und sah dem Harpan in die Augen.
"Scheinbar warst du nicht anwesend, als ich deiner jungen Freundin und dem Panther von meinem Leben erzählte. Tatsächlich habe ich eine ähnlich feste Freundschaft wie du. Wir bewachten gemeinsam ein Dimensionstor, bis der Edeltroll auftauchte und mir die Möglichkeit bot, wieder aktiv zu werden. Gleipnir, so heißt mein Freund nämlich, ließ mich ziehen, weil er wusste, wie sehr es mich in die Welt hinaus zieht. Uns verbindet eine tiefe Freundschaft, denn wir kennen uns seit vielen Jahren und haben schwere Zeiten gemeinsam verbracht. Ich weiß, wie dir zumute ist. Aber willst du deinem Freund mit müden Augen entgegenblicken? Ich denke nicht. Darum bitte ich dich, gönne dir etwas Schlaf. Ich setze mich zu ihm und sage dir sofort, wenn er aufwachen sollte.''
Fegat lächelte dankend, stand auf und legte seine Flossenhand auf die Klaue des Werwolfs. Dann gab er Fenrir die Hand und ging auf sein Zimmer. In der folgenden Nacht erlitt die Gemeinschaft einen grausamen Verlust. Während eines weiteren Angriffs auf das Lager der Respen gelang es Moonwolf, mit den Waldzwillingen in das Zelt des Generals einzudringen. Nach reichlicher Überlegung war klar geworden, dass für die Reise nach Angelswin ordentlich Targen zur Verfügung stehen mussten, da anderenfalls die Versorgung sehr knapp werden würde. Das kleine Vermögen, welches Eldrit und seiner Gruppe abgenommen wurde, sollte jetzt wieder in ihren Besitz gelangen. Tekpan hielt die schwere Schatulle, die er unter Srels Nachtlager gefunden hatte, fest in seinen Händen, als Moonwolf, die mit Tipkin am Eingang Wache stand, ins Zelt gedrängt wurde. Der General, den aufzuhalten Ubrums Aufgabe gewesen war, stand vor ihnen.
"Sieh einer an. Mich berauben wollt ihr also, wie?'' Sein hämisches Grinsen wurde breiter. "Gut, dann passt mal auf, was ich mit Dieben mache.''
Srel hatte schnell festgestellt, dass keiner der drei besondere magische Kräfte besaß, welche ihm hätten gefährlich werden können, sondern alle im Nahkampf ausgebildet waren. Tekpan, der immer noch verzweifelt die Schatulle festhielt, wurde mit einem spitzen Stab an den Stützpfosten gehängt und Moonwolf spürte den harten Griff des Nircers, bevor sie ohnmächtig wurde. Dann schnappte Srel sich die hilflose Tipkin und sah sie sich genauer an.
"Wie mir scheint, seid ihr beiden Geschwister, hab ich Recht? Das ist fein.'' Er sah Tekpan böse an. "Ich lasse dich und das Drecksvieh laufen, aber nur aus einem Grund.'' Dann nahm er aus einer kleinen Holzkiste ein Messer; es war eindeutig stumpf. "Du sollst deinen sturen Freunden da oben berichten, was mit Dieben und solchen Leuten passiert, die mich nerven.''
Tipkin hatte keine Chance, und Tekpan musste das blutige Massaker mit ansehen. Immer, wenn er schrie oder sich abwendete, ritzte Srel besonders unvorsichtig, womit Tipkin kläglich zu wimmern begann. Der General wollte sie beide leiden sehen. Tipkin war längst tot, als Moonwolf ein paar Minuten später aufwachte und den weinenden Waldjungen immer noch am Stützbalken hängen sah. Srel war fort, doch das Messer stak wie zur Warnung im Deckel der Schatulle; das Blut troff unbarmherzig herab. Ihr wurde leicht übel, als sie das Mädchen erblickte. Dann nahm sie Tekpan herunter, schaute schweren Herzens auf die Schatulle, und die beiden verließen ohne Beute das Zelt. Die Füchsin befahl den sofortigen Rückzug für alle. In der Villa klärte sich erst, was vorgefallen war.
"Das können wir nicht durchgehen lassen!'' rief Felina unter Tränen.
"Es bringt aber auch nichts, wenn wir jetzt Racheengel spielen. Wir müssen planmäßig an die Sachlage herangehen'', warf der stark verwundete Panther ein, während er von der Elfe verarztet wurde. Bei dem Versuch, Srel aufzuhalten, war er böse erwischt worden.
"Ich finde, es wird Zeit, harte Maßnahmen einzusetzen.'' Thewak sah sich in der Runde um. "Solange der Werwolf im Koma liegt, nützt er uns nichts. Deswegen ...'', alle ahnten bereits, was er sagen würde, und es gefiel ihnen nicht. "Deswegen schlage ich hiermit vor, dass wir den Soliden die Sache erledigen lassen, damit wir hier weg kommen.''
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