Heute arbeite ich in einem Pflegeheim. Das erinnert mich sehr an die Erfüllung, die ich hatte, als ich als Jugendlicher im Krankenhaus arbeitete. Da ich nicht in Vollzeit beschäftigt bin, bleibt mir genügend Raum, Patienten psychotherapeutisch zu behandeln und Bücher zu schreiben.
Beim Lesen meines Buches finde ich all diese Phasen wieder. Da gibt es ein starkes Interesse für Schulmedizin, eine große Neugierde verschiedenen psychotherapeutischen Schulen und Verfahren gegenüber, eine immer noch große Liebe zur Kunst und eine rege Anteilnahme an spirituellen und philosophischen Fragen.
Während meiner Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie war ich immer wieder überrascht, wie viele therapeutische Interventionen ich 30 Jahre lang schon an Schauspielschulen praktiziert hatte. Durch die medizinische Einbindung bekamen sie natürlich einen anderen Kontext - ich lernte auch ihre Wirkung besser verstehen, doch benutzt hatte ich sie viele Jahre lang.
Selbstverständlich habe ich auch viele Interventionen und Techniken kennengelernt, die ich noch nicht kannte und habe ein deutlich profunderes Verständnis für psychologische und psychiatrische Themen entwickelt. Keine Schauspielschule der Welt hätte mir dies bieten können.
Und dennoch: gerade, als ich die Tipps zur Selbsthilfe zusammengestellt habe, fielen mir immer wieder Übungen ein, die ich mit meinen Schauspielschülern gemacht habe. Ich glaube, dass sich diese Übungen nicht nur mit anderen therapeutischen Übungen gut zusammenfügen - ich denke, sie stellen auch eine Bereicherung des therapeutischen Repertoires dar.
Und jetzt ist es an der Zeit loszulassen, loszulassen von einem reichlichen Jahr Arbeit und Lebensinhalt und sich Neuem zuzuwenden. Es ist Zeit, das Buch in die Welt zu schicken und ihm zu wünschen, es möge viel Gutes tun, viele Ängste lindern helfen.
Um besser loslassen zu können, möchte ich mich noch bei einigen Menschen bedanken.
Leider kann ich mich nicht bei jedem meiner Lehrer bedanken, die ich an der Schule, der Hochschule und der Universität hatte. Verdient haben sie alle meinen Dank - ich möchte hier nur ein paar erwähnen:
Ich möchte mich herzlich bei Prof. Paul Rother bedanken, der an der Leipziger Universität Anatomie unterrichtete. Er lebte uns Studenten die Verbindung von Wissenschaft, Kunst und klassischer Bildung vor und erteilte die eine und andere wichtige Lehre über Ethik in der Heilkunst.
Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Professoren Rudolf Münz und Rolf Rohmer, von denen ich als Theaterwissenschaftler die Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit lernen durfte. Und selbstverständlich noch bei dem Professor für Schauspiel Peter Förster, der uns akribisch die Grundlagen des sokratischen Fragens beibrachte.
Bedanken möchte ich mich bei den Lehrkräften des TherMedius - Institutes, an dem ich meine Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie gemacht habe.
Was dieses Buch anbelangt, so möchte ich mich herzlich bei meinem Vater, Dr. Wilhelm Poppe, bedanken, mit dem ich mich fachlich oft über psychiatrische Themen beraten habe. Ich bedanke mich bei meinem langjährigen Freund, Dr. Jörg-Michael Kretschmar für die heiteren Plaudereien zum Fach und zu meinem Buch.
Ich danke meinem Bruder, Matthias Poppe, für das Feedback zu Lesbarkeit und Stil.
Ich danke meiner langjährigen Freundin, Rosa Groth, für die Mühe, die sie sich gemacht hat, meine Worte auf Verständlichkeit zu prüfen.
Andreas Poppe, Berlin, im April 2017
Oh schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!
Annette von Droste-Hülshoff
Angst scheint allgegenwärtig zu sein. In uns lauert sie, von außen dringt sie in unsere Herzen, von unseren Phantasien wird sie genährt.
Seitdem ich als Heilpraktiker für Psychotherapie arbeite, kommen die meisten Patienten zu mir, weil sie in irgendeiner Form von Angst belästigt werden. Einige dieser Patienten haben eine Angststörung, andere haben nachvollziehbare Ängste und suchen Lebenshilfe. Natürlich kommen auch Menschen zu mir, bei denen die Angst das Symptom einer anderen Krankheit ist, zum Beispiel einer Depression.
Angst ist der häufigste Grund, weshalb Menschen den Kontakt zu mir suchen.
Vielleicht liegt das daran, dass es so viele Menschen gibt, die aus verschiedenen Gründen unter Ängsten leiden und daran, dass die Angst ein ausgesprochen lästiges Gefühl sein kann.
Trotzdem ist es wichtig zu sagen:
Angst gehört zum Leben dazu. Angst ist normal. Ohne Angst könnten wir niemals überleben.
Die Angst selbst ist nicht unser Feind. Probleme bekommen wir erst dann, wenn wir Gefühle wie die Angst nicht mehr selbst regulieren können, wenn sie sich unserer Kontrolle entzieht und eine scheinbar allmächtige Gottheit in unserem Leben wird.
Obwohl es heutzutage völlig uncool ist, Angst zu haben, versucht die Umwelt stets, uns Angst zu machen. Sehen Sie sich Nachrichten an, lesen Sie Zeitung - und die Angst wird in Ihr Wohnzimmer schleichen. Wir sind bedroht von Kriegen und Wirtschaftskrisen, Terroristen versuchen, unser schönes Land in die Luft zu sprengen. Je nachdem, was Sie für Nachrichten lesen: entweder Islamisten oder Nazis werden Deutschland nachhaltig verändern und die Demokratie zerstören. Wir sehen alle der Altersarmut entgegen, der Sozialstaat ist am Ende. Noch nicht mal das Krankenhaus ist sicher, denn da droht uns der Tod durch Krankenhauskeime. Gefahren lauern in der Luft, die wir atmen und der Nahrung, die wir essen… Ich könnte diesen Reigen beliebig fortsetzen und wahrscheinlich ein ganzes Buch damit füllen, wovor wir Angst haben sollten. Denn das, was ich bisher aufgezählt habe, konnte ich innerhalb einer halben Stunde (!) beim täglichen Lesen der Nachrichten erfahren. Ein grausamer Horrorfilm ist nichts gegen eine solche tägliche Informationsverschmutzung. Dazu gibt es noch die sehr reale Angst vor dem Verlust des Jobs, dem sozialen Abstieg, den existenzbedrohenden Sanktionen durch das Jobcenter. Erwähnt habe ich noch nicht die Angst vor dem sozialen Versagen. Was ist, wenn wir dem Schönheitsideal nicht entsprechen? Was, wenn wir einen Fauxpas machen, der uns als Looser outet? Was, wenn wir uns nicht so präsentieren können, wie es angesagt ist? Was, wenn wir Angst und Nervosität zeigen und dadurch komplett uncool wirken.
Während ich mir das so durchlese, erscheint es mir wie ein Wunder, dass wir nicht alle zitternd und zähneklappernd in unseren Wohnungen sitzen und verhungern.
Warum können so viele Menschen trotz dieser massiven und aggressiven Angstmache überhaupt noch sowas wie ein normales Leben führen?
Die Antwort liegt in den Tiefen unseres Gehirnes verborgen.
Ich erinnere mich da an ein spannendes Erlebnis. Kurz nach der Öffnung der Grenze der DDR buchte ich eine Busreise nach Amsterdam. Diese war für mich ein großer Kulturschock: in einer wirklich behüteten DDR aufgewachsen, waren mir Drogenhändler und Rotlichtviertel nur aus Kriminalfilmen bekannt - meist mit ziemlich brutalen Morden verbunden. Jetzt wurde ich aller 10 Minuten angesprochen, ob ich Drogen kaufen wolle, blickte in Schaufenster mit fast nackten Damen. Und zu allem Überfluss waren die Straßen mit Warnungen vor Taschendieben gesäumt. Darauf war ich so absolut nicht vorbereitet gewesen und erlebte einen sehr unentspannten Tag in dieser eigentlich schönen Stadt. Als ich mich ein halbes Jahr später für mehrere Tage in Amsterdam aufhielt, konnte ich denselben Reizen mit großer Gelassenheit entgegenblicken und den Aufenthalt genießen.
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