Das Grillfest fand ohne weitere Aufregung statt, Marlene war herzlich eingeladen, es kamen jedoch kaum Schüler. Vermutlich waren sie schon mit den Ferien beschäftigt. Deutlich war, dass nie wieder jemand den Kindern in der Schule zeigen würde, wo das Fleisch herkam.
Beate kam über das Wochenende und Marlene zeigte das fröhliche Lachen, das sie so sympathisch machte. Begeistert stiegen die beiden Frauen auf ihre Pedelecs und fuhren in Richtung Heiligendamm, dorthin führt eine asphaltierte Straße. Auf der Strandpromenade schoben sie die Räder, mussten jedoch schließlich umkehren, da das Grand Hotel den Weg versperrt. Westlich davon, wieder im Wald und nicht weit vom Kinderstrand entfernt, servierte man ihnen australische Dumplings und Churros aus Spanien zum zweiten Frühstück. Ein Promenadendeck thront hoch über der See und zwischen den Bäumen. Der Weg führte sie weiter an Kühlungsborn vorbei, dann die Landstraßen entlang durch die Kühlung. Auf den eBikes flogen sie über das kleinste Mittelgebirge Deutschlands. Felder wie Meere. Der Raps hatte vielerorts den harten Winter und das viele Wasser nicht überstanden und wurde untergepflügt, ein enormer Verlust. In Bad Doberan aßen sie ein Eis. Rund um Börgerende waren die Wiesen noch tagelang so feucht, dass die Rinder bis zum Bauch im Morast standen. Alle Feuerwehren der Umgebung befanden sich im Einsatz, um Keller leer zu pumpen.
Am Sonntagmorgen besuchten sie die Messe in Rethwisch.
„Sieh dir den Erzengel an“, sagte Marlene und wies auf die Figur, die vom Gewölbe hing. „Er schaut mit sehr finsteren Blick auf die Gemeinde.“ Ursprünglich hing er quer im Kirchenschiff, hatte man ihr erzählt, aber nach einem recht erfolglosen Einbruch vor ein paar Monaten habe er sich gedreht. „Er starrt genau auf die Stelle, an der sich die leere Sammelbüchse befand, die damals entwendet wurde“, wusste Marlene.
Und eben dort stand nun sehr blass Sophie Jürß. „Sie ist ganz alleine“, flüsterte Marlene ihrer Freundin zu. Beate nickte. „Da ist kein Heinz mehr dabei.“
Er sei in den Westen gegangen, hörte Marlene in den nächsten Tagen.
Im Sommer 2012 bat mich der KBV-Verlag, einen Text zur geplanten Anthologie MUSCHELN, MÖVEN, MORDE beizutragen. Ich durfte mir den Ort Börgerende auswählen. Ich saß vor einem leckeren Cheeseburger, als ich die Mail las. Börger ohne Ende, dachte ich. Passt. In der Zeitung mit den großen Buchstaben las ich gleich darauf von einem grausigen Fund an einer Bushaltestelle irgendwo in Deutschland. Jemand hatte im Schutz des Wartehäuschens ein Kaninchen geschlachtet, es gegrillt und am Ende sogar gegessen. Man hatte einen Obdachlosen im Verdacht und womöglich hat es ihm geschmeckt. Auf der gleichen Seite berichtete eine empörte Mutter, dass man ihren Sohn vor Beginn der Sommerferien gezwungen habe, zusammen mit seiner Schulklasse der Schlachtung eines Kaninchens beizuwohnen. Ein Jäger hatte den Jungs und Mädchen gezeigt, was das bedeutet. Die Kinder sollten lernen, dass Fleisch nicht im Supermarkt wächst. Dem Bericht zufolge wird es ähnliche Demonstrationen nie wieder geben. Eine Woche später reiste ich nach Börgerende. Ich gab mir eine Woche Zeit, alles miteinander zu verbinden.
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