Abends an seinem Stammtisch sprach er das natürlich an und natürlich meinen Auftritt dazu. Diesmal wurde er jedoch ausgebremst, denn eine ehemaligen Telekombeamtin saß mit ihrem Mann auch an diesem Stammtisch und die bestätigte wohl, was ich gesagt hatte. Soviel dann noch einmal zu dem Geisterfahrersyndrom, was mein lieber Schwager per Ferndiagnose bezüglich meiner Wenigkeit festgestellt hatte.
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Verlegenheitsmomente
Ein anderes Erleben, im Sommer, Hans und ich hatten uns überraschenderweise in einem seiner üblichen Treffpunkte getroffen. Eine lockere Stimmung war da und kurze Zeit später tauchte Sybille auf. Ich wusste, er hatte ihr ein paar Tage zuvor Pflanzen und Erde für Ihren Balkon in den vierten Stock ohne Fahrstuhl hochgebracht. Sie war auch jene, die er mit einem Kuss begrüßte, als ich über Verschwundenes (Buch: Weißt du noch ...? ) erzählte, von meinem Erlebnis mit den Scherben im Essen.
Sybille und ich kannten uns seit einer Zeit, als der damals noch existierende Suppenkasper hier in der Motzstraße war. Sie arbeitete in einem Unternehmen, bei dem rund vierhundert Mitarbeiter fast ausschließlich männlichen Geschlechts arbeiteten, als deren Vorgesetzte. Das war sicher nicht immer ganz einfach. Jedenfalls bekam ich von Hans, der damals ja mit bekam, wie sie und ich uns anfreundeten, zu hören, das ist eine Alkoholikerin, gib dich mit so einer nicht ab.
Als ich schwanger wurde, war ich nicht mehr mit in den Bistros oder Kneipen. Die Rauch geschwängerte Luft tat ich mir nicht an. Das war dann jene Zeit, als Hans die Freundschaft mit Sybille übernahm. Jetzt war sie unter dem Gesichtspunkt taffe Frau vermerkt. Sie gab öfter einen aus, also war sie auch keine Alkoholikerin. Tja .... Die Zeiten änderten sich. Sie gehörte zu seiner Stammtischtruppe.
An diesem Tag waren wir jedoch alle recht relaxt. Unterhielten uns gut. Irgendwann tauchte Timo auf und setzte sich zwischen uns. Sie hatte mir zu seiner Geburt ein Tragetuch geschenkt, ich wollte damals keinen Kinderwagen. Das hat auch Andrea noch genießen können. Timo hörte eine Weile zu, dann meinte er plötzlich:" Papa sagt immer zu Mama, dass du eine Alkoholikerin bist."
Man hätte meinen können, die Welt steht einen Augenblick still. Tat sie aber nicht. Hans sah seine Felle wegschwimmen, was Freibierrunden ausmachte, und versuchte in seiner typischen Art die Situation zu retten." Was erzählst du denn da für einen Blödsinn," fuhr er Timo an. Sybille saß immer noch wie erstarrt da. Ich hatte mein Ginger Ale Glas an den Lippen und war neugierig, wie es weiterging".
Hast du gesagt", antwortete Timo ruhig." Mama kann das bestätigen."" Ich weiß nicht," versuchte es Hans wieder," was er da erzählt. So etwas habe ich nie gesagt."" Lass man stecken," sagte Sybille da," Kindermund tut Wahrheit kund.
"Stimmt," warf ich jetzt ein. Wollte Timo damit unterstützen." Weißt du Sybille, das hat er schon zu mir gesagt als wir beide uns kennenlernten und gut verstanden, das legte sich erst, als ich dank der Schwangerschaft mit ihm," ich zeigte auf Timo," nicht mehr mit euch herum saß. Da wurdest du von ihm als taffe Frau deklariert, wenn ich jetzt jedoch mal nach dir frage, dann kommt schon mal wieder von ihm, dass du Alkoholikerin bist. Da nehmt ihr euch sicher beide nicht viel in dem Punkt. Und ich denke mal, dass du in deinem Job sicher gelegentlich mal einen Ausgleich brauchst, um runterzukommen."
Hans schaute mich an ..".Wie blöd bist du eigentlich." Dann schaute er Sybille an ... "Das habe ich nie gesagt, ich meine ich bin es doch, Hans, der dir die Erde und Pflanzen hoch gebracht hat. Du glaubst doch nicht …
Sybille stand auf, bezahlte die komplette Getränkerechnung, streichelte mich beim Rausgehen am Arm und ging. Hans fegte hinterher. Tagelang versuchte er sie anzurufen, versuchte zu ihr vorzudringen. Nichts. Er beschwerte sich bei seiner Schwester über mich, über Timo.
Ich traf Sybille irgendwann mal auf dem Viktoria – Luise- Platz, wir sprachen ganz friedlich miteinander. Sie meinte so, sie weiß, dass sie viel zu viel trinkt. Diese Heuchelei hätte sie mehr getroffen als die offenen Worte von Timo. Dass ich mich hingegen auf seine Seite gestellte habe, fand sie stark." Ich werde wieder hin gehen", sagte sie," auch wieder am Stammtisch sitzen, auch wieder ein Bier ausgeben. Jetzt weiß ich zumindest woran ich bin. " Sie ließ ihn, Hans, noch eine Weile zappeln, dann tauchte sie dort wieder auf und alles schien vergessen zu sein.
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Unverständnis
I ch bin, bevor ich nach Berlin ging, zu dem Konkurrenz Unternehmen gegangen, nachdem die Baustoffhandlung, wo ich zuvor arbeitete, geschlossen wurde. Viele Kollegen sind gefolgt. Und dann stand dort eine firmeneigene Weihnachtsfeier an. Der ganze obere Bereich oberhalb der Fliesenabteilung wurde leer geräumt. So im Laufe eines Jahres war da immer alles hingeräumt worden und jetzt wurde es leer geräumt, diesen Part übernahm das hauseigene Putzgeschwader.
Die sorgen auch für Dekoration und Tische aufstellen und Weihnachtsbaum und Essen und Redner Tribüne. Viele Tischreihen.
Was ich nicht wusste war, dass diese nach Hierarchien aufgestellt wurden. Wer kommt denn auf so etwas. Ich ging von einem zwanglosen Abend aus. Aber nein. Ich saß an einem Tisch, wo ich noch mit Herrn Mautner zusammen saß und wollte ihn noch etwas fragen.
Da kam dann Herr Raupe auf mich zu, der auch hier mit her gewechselt war und sprach mich an, ich säße am falschen Tisch. Die Fliesenabteilung säße da vorn. Wie da vorn, ich war irritiert." Nun," so erklärte mir Herr Raupe," die erste Tischreihe, das ist die Reihe der Firmeneigentümers samt Familie, dann kommt die Lohnbuchhaltung samt Buchhaltung, dann die Fliesenabteilung, dann die Baustoffabteilung, die Holzabteilung und so weiter" Ich säße hier bei den Lagerarbeitern und Fahrern, also am falschen Platz.
Nach diesem kam übrigens noch der Tisch mit dem Putzgeschwader, die das alles hier hergerichtet haben. Ich schaute Herrn Raupe an, dann Herrn Mautner, musste daran denken, wie jener sich jetzt wohl fühlte, denn die beiden fuhren in einer Fahrgemeinschaft. Die beiden hatten schon in Hardegsen zusammengearbeitet, wo Herr Raupe auch mal als Lehrling unter Herrn Mautner angefangen hatte. Ganz ruhig meinte ich," ich sitze schon richtig". Und ich blieb da wirklich sitzen. Wir hörten die Rede gemeinsam an, aßen etwas und verzogen uns gegen zweiundzwanzig Uhr, um nach Hause zu fahren, jeder für sich. Das war die einzige Weihnachtsfeier, die ich dort mitmachte, bei der nächsten sah ich zu, dass ich krank war.
Immerhin war Herr Mautner all die Jahre, die ich in der anderen Baustoffhandlung war, immer nett und hilfsbereit gewesen. Zum Beispiel, hat er die Beteiligten zwischendurch abgefüllt mit diesem Lumumba .. .also Kakao mit Rum, immer dann, wenn wir an unsere klammen Fingern verzweifelten, wenn der Kugelschreiber nicht schrieb, weil es eben arschkalt war und wir draußen Inventur machten. Ziegel zählen, Rohre zählen und was sonst noch so draußen stand. Dann selbst in der Fliesenhalle, die nicht geheizt war, die einzelnen Fliesen zählen, wenn die Kartons schon geöffnet waren.
Schlimm wurde es für mich, wenn ich auf eine Palette musste, die mit dem Gabelstapler immer höher gehoben wurde, so dass ich eben auch in der fünften Reihe, also ganz oben, in das Regal krabbeln musste, um zu zählen. Das bei meiner Höhenangst. Herr Mautner suchte eben auch nach einzelnen Fliesen einer bestimmten Farbcharge, wenn man ihn darum bat. Deswegen war es für mich selbstverständlich, keinen Unterschied zwischen ihm, den Fahrern und meinen anderen Kollegen in der Baustoffhandlung zu machen. Ich sah alle immer als gleichberechtigt an. Machte keine Unterschiede.
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