Ute Neas - Im Spiegel des Zwillings

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Im Spiegel des Zwillings: краткое содержание, описание и аннотация

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Otto arbeitet als Inspizient an einem der unzähligen Theater Berlins.
Zwei Wochen vor dem Jahreswechsel beginnen die Endproben zu Shakespeares «Ein Sommernachtstraum».
Auf rätselhafte Weise verschlägt es Otto über Nacht in eine unbekannte Welt. In diesem fremdartigen Reich begibt er sich auf die Suche nach Antworten und begegnet einem seltsam exotischen Volk.
Nachdem er überraschend zurückkehrt, muss er von der Polizei erfahren, dass seine Verlobte ermordet worden ist. Hängt das in irgendeiner Weise mit seiner Entdeckung der anderen Welt zusammen?
Er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und hilft dem Kommissar bei der Aufklärung des Mordes, verbringt aber mehr und mehr Zeit in der Fremde.
Zunehmend verknüpft sich das Hier mit dem Dort, bis Otto am Ende dem Mörder gegenübersteht, doch wo wird das sein?

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Zu fortgesetzter Stunde führte ihn sein Weg auf eine Allee, wie aus früherer Zeit, die von prächtigen, alten Bäumen gesäumt war, viele Kilometer lang, soweit das Auge reichte und darüber hinaus. Nur Fußgängern, Fahrradfahrern und Müßiggängern war es gestattet diese Allee zu benutzen. Hatte Otto eben schon fast keine Hoffnung mehr gehabt, schlenderte er nun wieder frohen Mutes zwischen diesen ehrfurchtgebietenden Holzriesen hindurch. Er dachte gar nicht mehr daran, sich ein Zimmer für die Nacht zu suchen. Er ließ sich einfach treiben, bis das Schicksal erneut zuschlug, und ihm unbedingt zeigen musste, dass es andere Pläne mit ihm hatte. Ein wenig vergnügt, weil beglückt ob der Entdeckung einer so wunderbaren Allee, stolzierte er diese entlang und sah in die Gesichter der Menschen, die zielbewusst an ihm vorbeieilten und dabei gar nicht bemerkten wie viel Lebenszeit ihnen entglitt und hinter ihnen im Kiesbett liegen blieb. Die Allee war übersäht mit Leben, das Menschen achtlos in ihrer Hektik hier fallen lassen haben. Sie konnten nichts dafür, sie wussten es nicht besser. Während Otto noch überlegte, was er mit dieser neuen Erkenntnis anfangen könnte, blieb sein Blick abrupt auf einem braun gebrannten Gesicht haften, dass er irgendwoher kannte, rasch fiel ihm auch ein woher. Ein Foto dieses Gesichtes hatte viel zu lange Katharinas Pinwand geziert. Es fuhr eben auf einem Fahrrad an ihm vorbei. So laut Otto konnte, schrie er ihm seinen Namen hinterher: „Boris, Boris!“, solange, bis der endlich zum Stillstand kam. Otto beobachtete, ein wenig vergnügt, wie jener Mann versuchte, in den vielen Gesichtern, die ihn wie ein Bienenschwarm umschwirrten, ein bekanntes zu entdecken. Da suchte er indessen vergebens. Nachdem Otto dieses Schauspiel eine Weile genossen hatte, ging er auf den Mann zu, bevor der sich wieder auf seinem Fahrrad davonmachen konnte, und gab sich zu erkennen. „Hallo, ich bin Otto, der Verlobte von Katharina Valla.“ Die beiden Männer hatten sich niemals kennengelernt. Sie waren einmal Konkurrenten gewesen, Konkurrenten im Kampf um das Herz Katharinas. Otto überlegte, warum er Boris eigentlich angehalten hatte, wollte er ihn vielleicht verprügeln? Boris schien sich dasselbe zu fragen, und wartete, mit wachem Auge und angespanntem Körper darauf, dass irgendetwas geschähe. Die ganze Szenerie wurde mit der Zeit absurd. Was wollte Otto nur von diesem Mann? Um dieser Begegnung irgendeinen Sinn zu verleihen, schmetterte Otto seinem Gegenüber die Nachricht von Katharinas Tod einfach ins Gesicht, einer Ohrfeige gleich. „Was? Wie? Warum?“ Wahre Bestürzung lag in diesen wenigen Worten, und es hatte fast den Anschein, als wäre Otto nur deshalb durch das halbe Land gereist, um diese Reaktion sehen zu können. Vor ihm stand schließlich sein schärfster Konkurrent, im Kampf um die Liebe einer Frau, die seit vielen Jahren Ottos ganzes Leben bestimmt hatte. Was er sah, befriedigte ihn. Boris ganzer Körper verkrampfte sich, das Gefühl eines immensen Verlustes griff nach ihm, schmerzhaft und hoffnungslos, dieses unbändige Gefühl, das auch Otto mit sich herumschleppte. Endlich war er nicht mehr allein. „Aber wie das denn? Was ist nur passiert? Wie kann denn das sein? Hatte sie einen Unfall?“ Otto schwieg, und Boris, der annahm, dass der einfach noch nicht in der Lage war, über das zu reden was passiert ist, bohrte vorerst nicht weiter. Er sprach von Beileid, oder war es Mitleid, Otto wusste es später nicht mehr, er sprach von Bedauern und Verlust, sprach von einem großartigen Menschen und fragte dann, ob sie bereits beerdigt wurde und, falls nicht, ob es schon einen Termin gäbe. Otto konnte regelrecht sehen, wie sich der Schmerz in Boris Körper ausbreitete und damit begann, sich dort einzunisten. Trotzdem blieb dieser Mann so kontrolliert und ließ sich nicht von seinem Gefühl beherrschen. Otto hatte bisher noch kein einziges Mal an die Beerdigung gedacht, wohingegen Boris diese zuallererst einfiel. Überhaupt hatte er sich sehr in der Gewalt, wirkte viel weniger emotional als Otto, der irgendwann begreifen wird, dass es genau diese Eigenschaft war, die Katharina an ihm so anziehend gefunden hatte. Boris rationale, ruhige, bodenständige Art hatte ihr eine Form von Sicherheit geboten, die sie bei Otto nie gefunden hätte. Unversehens begriff Otto, dass er sich die ganze Zeit über nur von seinen Gefühlen hatte leiten lassen. Nicht ein einziges Mal hatte er darüber nachgedacht, was er zu tun, welche Pflichten er zu erfüllen hätte. Erst Boris Frage nach der Beerdigung hatte ihm klar gemacht, dass es seine Aufgabe war, sich darum zu kümmern, und mutmaßlich wollten noch viele andere Dinge erledigt werden. Aber zuallererst verlangte sein Körper nach sofortiger Aufmerksamkeit. Auch dem hatte Otto seit Tagen keinerlei Interesse geschenkt und ausgerechnet in dem Moment, da er vor seinem größten, wenn auch ehemaligen und längst überholten, Rivalen steht, fällt dem ein zu schwächeln. Otto schwindelte und drohte den Boden unter den Füßen zu verlieren. Er war kurz davor umzufallen. Und was tat Boris, zu seiner Überraschung, der ließ sein Fahrrad in das Kiesbett fallen, ging die zwei Schritte, die beide Männer voneinander trennte, auf Otto zu, öffnete seine Arme und fing ihn darin auf, bevor dieser den Halt verlor. Kaum dass Otto bewusst wurde, was soeben passiert war, wich er verblüfft zurück, drohte jedoch gleich wieder umzukippen und Boris war abermals zur Stelle. Diesmal ließ Otto es zu, sein Körper überließ ihm sowieso nicht mehr die Wahl, dieses eine Mal hatte der die Kontrolle übernommen, um endlich zu bekommen, wonach ihn verlangte. Im nächsten Augenblick begann er zu zittern, zu schluchzen und dann weinte er bitterlich. Auf einem Kiesweg fern der Heimat, mitten in einem unbekannten Strom aus Menschen, in den Armen eines fremden Mannes, schlimmer noch, des Mannes, der einmal versucht hat, ihm seine Katharina wegzunehmen, an dessen Brust vergoss er die ersten Tränen, seit die Polizisten gekommen waren, sein Leben zu zerstören. Was hatte dieser Mann an sich, dass Otto sich derart gehen ließ? Eigentlich hätte er ihn doch hassen müssen, stattdessen ließ er sich einnehmen von dessen beeindruckenden Wesen, und sah in ihm ungewollt das, was Katharina in ihm gesehen hatte. Auf einmal waren sie beide ganz allein, der Rest der Welt existierte mit einem Schlag nicht mehr. Zeitweilig hielten sie diesen Platz auf der Allee besetzt, schufen sich ihr eigenes kleines Reich und ließen nur sie, die nicht mehr war, dort hinein. Zwei Kerle, die mitten auf einer uralten Allee stehen und schweigend, minutenlang schluchzend in den Armen liegen.

Als sie das lange genug getan hatten, versuchte Boris noch einmal ganz vorsichtig zu Otto durchzudringen: „Würdest du mir bitte erzählen was passiert ist? Ich möchte das verstehen.“ Weil dieser aber weiterhin schwieg, ließ Boris dieses Thema vorerst ruhen und schenkte Otto wieder seine ganze Aufmerksamkeit: „Was machst Du überhaupt in Münster, habt ihr nicht mehr in Berlin gelebt oder warum bist du hier und wie lange bleibst du?“ Otto fand seine Sprache wieder, als ihm einfiel, dass er noch immer keine Bleibe hatte und diese eine Nacht mindestens bleiben musste, schon um seinen Körper zu regenerieren. „Ich weiß es nicht, ein, zwei Tage wahrscheinlich. Du könntest mir vielleicht bei der Suche nach einer Unterkunft behilflich sein. Kennst du zufällig ein ruhiges Hotel in der Stadt, das nicht von einer Kirche gesäumt ist, die mich früh um acht durch ihren Glockenschlag aus dem Bett aufspringen lässt?“ Boris dachte einen Moment lang nach und überraschte dann Otto erneut: „Könntest du dir vorstellen, bei mir abzusteigen? Die Wohnung ist groß genug, du hättest ein eigenes Zimmer und könntest dich jederzeit dahin zurückziehen, wenn dir so ist. Für ein, zwei Tage wäre das kein Problem, nur leider ertönt auch vor meinem Haus zu jeder vollen Stunde ein Glockengeläut. Aber ansonsten ist es dort tatsächlich sehr still und idyllisch. Wir könnten ungestört miteinander reden. Du kannst mir erzählen, was du hier tust und wie es euch so ergangen ist. Außerdem wüsste ich wirklich gerne, was passiert ist. Wenn es dir dort nicht gefällt, kannst du immer noch in ein Hotel gehen.“ „O.K. Wieso eigentlich nicht.“

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