Danach stellen wir uns vor, dass Lichtstrahlen von Lama Losang Tubwang Dorjechang ausgehen und alle heiligen Wesen, die ihn umgeben, durchdringen. Sie schmelzen zu Licht und lösen sich allmählich in Lama Losang Tubwang Dorjechang auf. Dann löst sich Je Tsongkhapa in Buddha Shakyamuni auf, der sich seinerseits in Eroberer Vajradhara auflöst. Schließlich kommt Guru Vajradhara, der die eigentliche Natur unseres spirituellen Meisters und aller Zufluchtsobjekte ist, zu unserem Scheitel, tritt durch ihn ein und löst sich in unseren Ursprungsgeist in unserem Herzen auf. Wir fühlen, wie sich unser Geist mit dem Geist der spontanen großen Glückseligkeit unseres Gurus vermischt, wie Wasser sich mit Wasser mischt, und infolgedessen verwandelt sich unser Geist ebenfalls in spontane große Glückseligkeit. Da der Geist unseres Gurus ein Geist spontaner großer Glückseligkeit ist und wir unseren Ursprungsgeist mit dem Geist unseres Gurus vermischt haben, haben wir einen perfekten Grund zu denken, dass unser Geist tatsächlich ein Geist spontaner großer Glückseligkeit geworden ist. Wir sollten fest davon überzeugt sein, dass diese Verschmelzung des Bewusstseins tatsächlich stattgefunden hat, und sollten versuchen ein besonderes Gefühl von Glückseligkeit zu erzeugen. Es ist die Essenz des Höchsten Yoga Tantra, spontane große Glückseligkeit zu erzeugen und dann mit diesem Geist über Leerheit zu meditieren, um die subtilsten Behinderungen aus unserem Geisteskontinuum zu beseitigen und dadurch Buddhaschaft zu erlangen. Im Augenblick können wir noch keine eigentliche spontane große Glückseligkeit erzeugen. Mischen wir jedoch unseren Geist mit dem Geist unseres Gurus, können wir etwas Ähnliches erlangen und damit können wir dann die eigentlichen Übungen des Höchsten Yoga Tantra ausführen.
SELBSTERZEUGUNG ALS GOTTHEIT
Wie bereits erwähnt ist Darbringung an den spirituellen Meister in erster Linie eine vorbereitende Übung für das Vajrayana Mahamudra. Die Bedeutung von «Mahamudra» ist folgende: «Maha» bedeutet «groß» und bezieht sich auf spontane große Glückseligkeit und «Mudra» bedeutet hier «nichttäuschend» und bezieht sich auf Leerheit. Somit ist das eigentliche Mahamudra die Vereinigung von spontaner großer Glückseligkeit und Leerheit, die abhängig von den Übungen der Vollendungsstufe des Höchsten Yoga Tantra vollendet wird. In Das klare Licht der Glückseligkeit werden drei Arten des Mahamudra erklärt: Die erste ist die Vereinigung von spontaner großer Glückseligkeit und Leerheit. Abhängig von dieser Vereinigung erlangen wir die Vereinigung der zwei Wahrheiten, das heißt die Vereinigung von illusorischem Körper und klarem Licht, und abhängig davon erlangen wir die Vereinigung von Körper und Geist, das heißt das resultierende Mahamudra, oder Erleuchtung. Weitere Einzelheiten zu Mahamudra finden sich in den Büchern Mahamudra Tantra und Die mündlichen Anleitungen des Mahamudra.
Bevor wir uns den Übungen der Vollendungsstufe des Mahamudra widmen können, müssen wir zuerst die Erzeugungsstufe praktizieren. In den Übungen der Erzeugungsstufe erzeugen wir uns in erster Linie durch die Kraft richtiger Vorstellung als Buddha und in den Übungen der Vollendungsstufe verwandeln wir dann diesen vorgestellten Körper eines Buddha in den tatsächlichen Körper eines Buddha.
Dem Geheimen Mantra zufolge ist die Wurzel Samsaras nicht nur Festhalten am Selbst, sondern auch gewöhnliche Vorstellung und gewöhnliche Erscheinung. Es ist das Ziel der Erzeugungsstufe, gewöhnliche Vorstellung und gewöhnliche Erscheinung zu überwinden, indem wir uns selbst als Gottheit erzeugen. Deshalb üben wir an dieser Stelle der Sadhana die Selbsterzeugung als Gottheit. Außerdem müssen wir in der Sadhana bestimmte Rituale ausführen, wie das Segnen der inneren Darbringung und das Darbringen der geheimen Darbringung, und um diese Rituale auszuführen, müssen wir uns zuerst als Gottheit erzeugen.
Wie bereits erklärt müssen wir in der Praxis des Höchsten Yoga Tantra eine besondere Bodhichitta Motivation erzeugen, indem wir uns wünschen, so schnell wie möglich, noch in diesem Leben, die Guru-Gottheit zu werden. Insbesondere müssen wir den Wunsch entwickeln, ein tantrischer Buddha zu werden. Dieser wird manchmal als «das resultierende Mahamudra, der Zustand, der die sieben herausragenden Eigenschaften der Umarmung besitzt», bezeichnet. Diese sieben Eigenschaften sind:
1. Ein Formkörper, versehen mit den Hauptzeichen und Nebenmerkmalen
2. Der in kontinuierlicher Umarmung mit einer Wissens-Weisheitsgefährtin ist
3. Ein Geist, der immer im Zustand großer Glückseligkeit weilt
4. Dieser Geist der Glückseligkeit ist immer vermischt mit Leerheit, dem Fehlen inhärenter Existenz
5. Versehen mit großem Mitgefühl, das das Extrem der Anhaftung an alleinigen Frieden aufgegeben hat
6. Ununterbrochen Formkörper manifestierend, die die ganze Welt durchdringen
7. Unaufhörlich erleuchtete Taten vollbringend
Jedes Wesen, das diese sieben Eigenschaften hat, ist ein tantrischer Buddha. Wenn wir tantrischen Bodhichitta erzeugen, erzeugen wir den Wunsch, ein Buddha zu werden, der diese sieben Eigenschaften hat.
Tantra zeichnet sich dadurch aus, dass das Ergebnis in den Pfad gebracht wird, das heißt, dass wir uns schon jetzt mit dem Ergebnis unserer Schulung identifizieren. Das ist die Methode, um dieses Ergebnis schneller zu erreichen. Wenn wir die Selbsterzeugung üben, erzeugen wir Bodhichitta, indem wir das Ergebnis in den Pfad bringen. Wir haben bereits den Wunsch entwickelt, so schnell wie möglich die Guru-Gottheit zu werden, und stellen uns jetzt vor, dass sich dieser Wunsch tatsächlich erfüllt, indem wir uns als tantrischer Buddha erzeugen, versehen mit den sieben herausragenden Eigenschaften der Umarmung.
Laut einigen tibetischen Kommentaren zu Darbringung an den spirituellen Meister sollten wir uns an dieser Stelle als Yamantaka erzeugen. Doch dem ersten Panchen Lama zufolge sollten wir uns als unsere persönliche Gottheit erzeugen. Deshalb sollten wir uns an dieser Stelle als Yamantaka erzeugen, wenn wir normalerweise das Yamantaka Tantra üben, jedoch als Heruka, wenn wir normalerweise das Heruka Tantra üben und so weiter.
Wie bereits erklärt ist es sehr hilfreich, in der Praxis Darbringung an den spirituellen Meister zu versuchen, die Segnungen der drei Hauptgottheiten Yamantaka, Guhyasamaja und Heruka zu erhalten. Eine Möglichkeit ist Lama Losang Tubwang Dorjechang als die gleiche Natur wie Yamantaka zu betrachten, die zweiunddreißig Gottheiten von Guhyasamaja in seinem Körper zu visualisieren und uns selbst als Heruka zu erzeugen. Selbst wenn unsere übliche Praxis Vajrayogini ist, können wir uns in dieser Sadhana als Heruka erzeugen, da Heruka und Vajrayogini dieselbe Natur sind, und wenn wir uns als Heruka visualisieren, visualisieren wir uns zwangläufig als Vajrayogini.
Nun folgt eine kurze Erklärung, wie wir die Selbsterzeugung als Heruka praktizieren. Wenn wir die Zeit haben, können wir eine ausführlichere Selbsterzeugung mit den Sadhanas Der Yoga von Buddha Heruka, in Anhang IIzu finden, und Essenz des Vajrayana üben. Haben wir jedoch wenig Zeit oder machen Darbringung an den spirituellen Meister als Gruppenpuja, so können wir die augenblickliche Selbsterzeugung wie folgt praktizieren:
Nachdem wir die Zufluchtsobjekte aufgelöst und unseren Geist mit dem Geist unseres Gurus vermischt haben, stellen wir uns fest vor, dass sich unser Geist in spontane große Glückseligkeit vermischt mit Leerheit umgewandelt hat, und meditieren eine Weile darüber. Dann stellen wir uns vor, dass unser ganzer Körper von glückseligem, blauem Licht durchdrungen ist, der Natur unseres Geistes. Von unserem Körper ausgehend breitet sich dieses Licht langsam aus und löst das ganze Universum und seine Bewohner in Licht auf. Dann löst sich allmählich von den äußeren Rändern des Universums alles nach innen auf und hinterlässt nur Leerheit, bis sich alles in unseren Körper aufgelöst hat. Danach löst sich unser Körper langsam von unten und oben auf, bis er vollständig verschwindet. Nun ist alles Leerheit. Jetzt stellen wir uns vor, dass sich unser Geist der spontanen großen Glückseligkeit, der mit dem Geist unseres Gurus vollkommen vereint ist, mit Leerheit mischt, wie klares Wasser mit klarem Wasser. Ohne diese Erfahrung der Glückseligkeit und Leerheit zu verlieren, identifiziert ein Teil unseres Geistes diese Erfahrung als das klare Licht des Wahrheitskörpers eines Buddha. Wir entwickeln den göttlichen Stolz, der Wahrheitskörper zu sein, und denken: «Ich bin der Wahrheitskörper-Heruka.» Darüber meditieren wir eine Weile.
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