Namens- und Begriffsübersicht in chronologischer Reihenfolge des Auftretens
Suilenroc- Krieger des Lichts
Anhoja- seine Mutter
Flodur- Stammesoberhaupt und sein Vater
Elekas- wilde Hunde
Eiramsor- Älteste des Volkes, Heilerin und seine Ersatzmutter
Aleyna- seine Zwillingsschwester, die kurz vor der Geburt starb
Flaro- sein bester Freund der Kindheit
Suiram- sein jüngerer Bruder und späteres Stammesoberhaupt
Ariana- seine Kindesfreundin
Alirana- Sängerin des Lagers
Corrlad- Leitbulle der Büffel/ seine geistige Begleitung
Galiana- Arianas Mutter
Hallarat- Arianas Vater
Tonreg- Eiramsors Mann
Salana- erste Liebe von Flodur
Lanana- Flaros Frau nach der Weihe zum Mann
Stolaka- gute Reise
Lastana- Kartoffel
Alter Mann- Flodurs Großvater/ Suilenrocs Urgroßvater
Eteak- Anführerin der Elekas/ wilde Hunde
Zachitak- Riesenschlange
Morrad- Leitbulle
Tarrak- Leitbulle
Kirrek- unzufriedener Bulle, der Morrad tötete
Barratak- Büffel
Tarrotag- Corrlads Sohn
Manarassa- Mutter von Tanarassa
Tanarassa- Aleyna als weiße Tigerin
Ballaratak- neuer Leitbulle und Nachfahre von Kirrek
Baleana- Dienerin von Silwakana und Tochter von Tutassek
Waraner- kriegerisches Volk und Feinde der Stadt am See
Silwakana- Herrscherin der Stadt am See
Vananium- Wein
Seesal- Tee
Tutassek- Silwakanas Mann und Herrscher der Stadt am See
Babatan- Baleanas Urgroßvater
Waran- Anführer der Waraner
Baltuka- einziger Sohn von Babatan & Herrscher der Stadt am See
Nirella- Frau von Baltuka und Herrscherin vom See
Zota- ein Waraner
Malacha- schnellstes Pferd der Waraner
Suilenroc
Ariana
Der Tag danach
Flodur
Abschied
Die Reise beginnt
Anhoja
Die Leere
Finden, ohne zu suchen
Corrlad
Du?
Aleyna
Der Wald
Ohne sie
Die Stadt am See
Macht
Baleana
Hell gegen Dunkel
Der Abschied drängt
Die Rückkehr
Das Geschenk des Todes
Flaro
Das erste was ich sah, war der Mond...
Ich hörte Stimmen, Männer und Frauen. Die Stimmen waren schrill und laut und ich blickte nur zu dieser runden hellen Scheibe, weit weit über mir.
Es war Vollmond am Tag meiner Geburt.
Und ihm ging eine blutrote untergehende Sonne voraus. Kein gutes Zeichen für eine Geburt.
Mein Volk feiert heute das Fest der Fruchtbarkeit. Ihm ging eine gute Jagd voraus. Jung und Alt tanzten und waren über die Zeichen des Lebens und der Natur dankbar und erfreut.
Doch die noch untergehende Sonne und der gleichzeitig sichtbare Mond trübten die Stimmung.
Meine Mutter war schwanger, ihr erstes Kind. Meine Mutter, Anhoja, war die Frau des Stammesoberhauptes, meines Vater Flodur.
Es war zu früh. Eiramsor, unsere Älteste und Heilerin, kam herbei und sprach mit meinen Eltern. Die ganze Situation bot keine gute Voraussetzung für die Geburt. Doch die Wehen meiner Mutter nahmen zu. Immer und immer wieder schrie sie verzweifelt auf. Die panische Angst meines Vaters übertrug sich auf die Anderen und so wurde es im ganzen Lager still. Noch nicht einmal die Elekas, die wilden Hunde, waren mehr zu hören. Nur die Schreie meiner Mutter durchdrangen die Nacht. Die Schreie wurden immer lauter, und auch ich hörte sie immer lauter und immer verzweifelter ... Ich wollte helfen, wollte helfen ... doch, ich konnte nicht.
Meine Zwillingsschwester Aleyna, mit der ich so lange im Bauch meiner Mutter lag, hatte sich schon ein paar Tage vor der Geburt die Nabelschnur um ihren Hals gelegt ... Sie sagte nur: „Noch nicht, noch ist nicht die Zeit für uns gekommen!“ Ich verstand das zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich verstand zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts.
Meine Mutter schrie nochmals auf, so laut, dass sogar der Wind verstummte.
Eiramsor hielt das tote Mädchen in ihren Händen. Sie verharrte. Für einige Minuten bewegte sie sich nicht. Mein Vater kam in unser Zelt hinein und starrte abwechselnd auf meine Mutter und meine tote Schwester.
„Sie bewegt sich nicht“, schrie er immer wieder monoton. „Sie bewegt sich nicht.“ Meine Mutter schrie vor Verzweiflung, immer lauter. Sie wollte immer schon eine Tochter, eine, die ihre Gabe der Heilung von ihr lernen würde. Und nun hielt sie ihre tote Tochter in ihren Armen.
Das ganze Dorf stimmte in ihr Wehklagen ein.
Plötzlich fing eine dunkle Scheibe an, sich vor den Mond zu schieben. Eine noch nie da gewesene Unruhe entstand unter den Dorfbewohnern.
Meine Mutter schrie erneut auf und ließ meine tote Schwester fallen. Die alte Eiramsor hob sie liebevoll hoch, gab sie meinem Vater und schickte ihn aus dem Zelt.
Noch nie hatte eine Frau zwei Kinder auf einmal geboren. Niemand wusste, was das zu bedeuten hatte, doch alle wussten, etwas Neues passierte.
Alle Stammesbewohner scharrten sich um das Zelt meiner Eltern. Mein Vater wartete ungeduldig vor dem Eingang.
Plötzlich hörte meine Mutter auf zu schreien. Eiramsor verstand nicht: Meine Mutter bekam noch ein Kind und Geburtsschmerzen waren immer sehr stark, viel stärker, als ein Mann sie hätte aushalten können.
Und so kam ich auf die Welt, ohne Schreien und Stöhnen meiner Mutter, ohne irgendein Geräusch. Die Welt war einfach still, als sich meine Lungen das erste Mal mit Luft füllten.
Ich öffnete die Augen und sah nur Angst, egal wen ich anschaute, ich sah nur Angst. Dann erblickte ich zum ersten Mal die Augen meiner Mutter, die Frau in der ich so lange heranwuchs. Ich freute mich schon lange auf sie, sie und endlich zu sehen zu können... Und was ich sah, löste bereits zum zweiten Mal in meinem Leben Angst aus. Sie wollte mich nicht, ich konnte es genau sehen und spüren, sie wollte nicht mich, sie wollte sie - meine tote Schwester.
Obwohl mein Volk eine sehr gute Jagd hatte - so gut, wie seit vielen Sommern schon nicht mehr - war die Stille im Dorf unerträglich. Niemand war zu sehen und wenn jemand etwas erledigen musste, verhielt er sich so, dass ihn niemand sah.
In der dritten Nacht nach meiner Geburt wurde meine tote Schwester verbrannt. Alle versammelten sich um das Feuer, alle, nur ich war nicht mit dabei. Das Feuer wurde entzündet, weit weg vom Zelt meiner Eltern. Meine Mutter nahm mich nicht mit. Ich lag alleine im Zelt und schrie und schrie und schrie... Aber niemand konnte mich hören. Das Feuer prasselte zu laut und ich war zu weit weg, ich war ganz alleine...
Sieben Wochen lag meine Mutter in unserem Zelt, sieben Wochen sprach sie nicht. Ich lag auch nicht an ihrer Brust, sie weigerte sich schweigend und Eiramsor brachte mich zu einer anderen Frau, die noch genügend Milch in ihrer Brust hatte. Meine Mutter vermied sogar, mich zu berühren.
Читать дальше