Im Pratimoksha Sutra sagt Buddha, es wäre besser für uns zu sterben, als unsere moralische Disziplin zu brechen, denn der Tod zerstört nur dieses eine Leben, unsere moralische Disziplin zu brechen aber zerstört die Möglichkeit für Glück in vielen zukünftigen Leben und verdammt uns dazu, die Leiden der niederen Wiedergeburt immer wieder zu erfahren.
In buddhistischen Ländern wird moralische Disziplin als sehr wichtig betrachtet und aus diesem Grund genießen Mönche und Nonnen eine derart hohe Wertschätzung. Allerdings sollten nicht nur Mönche und Nonnen moralische Disziplin üben: jeder muss das tun, denn sie ist die Quelle allen zukünftigen Glücks. Sogar als sehr gebildeter Gelehrter werden wir nicht viel Erfolg in unseren Tätigkeiten haben und viele Probleme in der Zukunft erleben, falls wir die Praxis moralischer Disziplin nicht beachten. Halten wir jedoch gewissenhaft moralische Disziplin ein, dann können wir alle unsere menschlichen Probleme lösen und unsere spirituellen Übungen vollenden.
Die Praxis moralischer Disziplin ist die Hauptursache für eine Wiedergeburt als Mensch. Üben wir Großzügigkeit ohne moralische Disziplin, erfahren wir in Zukunft einige gute Ergebnisse, aber nicht in einem menschlichen Körper. Wir werden vielleicht als Hund oder Katze wiedergeboren und werden umhegt und gepflegt. Der Grund, weshalb einige Tiere von Menschen so umsorgt werden ist, dass sie in früheren Leben Großzügigkeit geübt haben. Der Grund, weshalb sie eine niedere Wiedergeburt angenommen haben ist, dass sie in früheren Leben ihre moralische Disziplin gebrochen haben.
Üben wir moralische Disziplin mit der Motivation, menschliches Glück zu erleben und geben negative Handlungen wie Töten auf, dann beschützt uns diese moralische Disziplin vor niederer Wiedergeburt und führt dazu, dass wir in Zukunft als Mensch wiedergeboren werden. Üben wir moralische Disziplin mit dem aufrichtigen Wunsch, selbst Befreiung zu erlangen oder volle Erleuchtung zum Wohle aller Lebewesen, dann ist dies höhere moralische Disziplin. Es gibt drei Arten höherer moralischer Disziplin: die moralische Disziplin der Pratimoksha, die Bodhisattva moralische Disziplin und die tantrische moralische Disziplin. Diese Arten moralischer Disziplin unterscheiden sich durch die Motivation, mit der sie geübt werden und die jeweiligen Übertretungen, die sie aufgeben. Die moralische Disziplin der Pratimoksha ist hauptsächlich durch das Bestreben motiviert, persönliche Befreiung zu erlangen. Die moralische Disziplin des Bodhisattva ist hauptsächlich durch Bodhichitta und die tantrische moralische Disziplin hauptsächlich durch den besonderen tantrischen Bodhichitta motiviert.
Um moralische Disziplin zu üben, müssen wir nicht unbedingt Gelübde ablegen. Erkennen wir zum Beispiel die vielen Fehler des Tötens und kommen deshalb zu dem festen Entschluss nicht mehr zu töten, dann üben wir moralische Disziplin, auch ohne ein Gelübde genommen zu haben. Ein Gelübde ist ein tugendhafter Entschluss bestimmte Fehler aufzugeben, der in Verbindung mit einem traditionellen Ritual gefasst wird. Genau wie es drei Arten moralischer Disziplin gibt, so gibt es drei Arten von Gelübde: Pratimoksha Gelübde, Bodhisattva Gelübde und tantrische Gelübde.
«Pratimoksha» bedeutet «persönliche Befreiung» und deshalb ist ein Pratimoksha Gelübde ein Gelübde, das hauptsächlich durch den Wunsch motiviert ist, persönliche Befreiung zu erlangen. Es gibt acht Arten von Pratimoksha Gelübde:
(1) Nyen-nä Gelübde - Ordinationsgelübde für einen Tag
(2) Genyenma Gelübde – Gelübde eines weiblichen Laien
(3) Genyenpa Gelübde – Gelübde eines männlichen Laien
(4) Getsulma Gelübde – Gelübde einer Novizin
(5) Getsulpa Gelübde – Gelübde eines Novizen
(6) Gelobma Gelübde – vorbereitende Gelübde, die abgelegt werden, ehe man eine vollordinierte Nonne wird
(7) Gelongma Gelübde – Gelübde einer vollordinierten Nonne
(8) Gelongpa Gelübde – Gelübde eines vollordinierten Mönchs
Die ersten drei sind Laiengelübde und die übrigen fünf sind Ordinationsgelübde. Buddha gibt in den Vinaya Sutras ausführliche Anleitungen zur moralischen Disziplin der Pratimoksha und zu den Pratimoksha Gelübden.
Dieses Buch beschäftigt sich hauptsächlich mit den Bodhisattva Gelübden. In Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattva rät Shantideva denjenigen, die die Bodhisattva Gelübde kennenlernen möchten, zuerst das Akashagarbha Sutra zu studieren und dann eine ausführliche Erklärung der täglichen Übungen eines Bodhisattva in Handbuch der Schulungen zu lesen. Shantideva erklärt, dass diejenigen, die die Bodhisattva Gelübde abgelegt haben, die Haupt- und Nebenübertretungen kennen und wissen sollten, wie man die Gelübde vor dem Degenerieren bewahrt, wie man Übertretungen reinigt und wie man die Praxis der Bodhisattva Gelübde vollendet. All das wird in diesem Buch erklärt.
Haben wir einmal die Bodhisattva Gelübde abgelegt, sollten wir bestrebt sein sie vor dem Degenerieren zu bewahren, indem wir unsere Gelübde mehrmals täglich von Neuem ablegen und Haupt- und Nebenübertretungen vermeiden, indem wir uns auf Achtsamkeit, Wachsamkeit und Gewissenhaftigkeit verlassen.
Es gibt vier Hauptursachen für die Degeneration der Pratimoksha, Bodhisattva und tantrischen Gelübde, die als die «vier Tore für Übertretungen» bekannt sind. Diese sind: Die Übertretungen nicht kennen, mangelnder Respekt für Buddhas Anleitungen, starke Verblendungen und Nichtgewissenhaftigkeit.
Um das erste Tor zu schließen, sollten wir lernen, welche Übertretungen es gibt und wie sie geschehen. Man kann Unterweisungen zum Thema hören oder authentische Kommentare lesen, wie die Anleitungen weiter unten.
Um das zweite Tor zu schließen, sollten wir versuchen Respektlosigkeit zu überwinden, indem wir über Folgendes nachdenken:
Buddha ist allwissend und kennt alle Phänomene der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig und direkt und er hat großes Mitgefühl für alle Lebewesen ohne Ausnahme. Deshalb gibt es keinen gültigen Grund, seine Unterweisungen nicht zu respektieren. Es liegt nur an meiner Unwissenheit, die mich manchmal an ihnen zweifeln lässt.
Um das dritte Tor zu schließen, sollten wir versuchen, unsere starken Verblendungen zu bändigen. Dazu üben wir uns in den in Das neue Meditationshandbuch beschriebenen Meditationen. Können wir durch das Üben des Lamrim immer gute Absichten wie Liebe, Mitgefühl und Bodhichitta bewahren, dann gibt es keine Grundlage, Übertretungen der Pratimoksha oder Bodhisattva Gelübde zu begehen. Und überwinden wir durch das Üben der Erzeugungs- und Vollendungsstufe gewöhnliche Erscheinungen und gewöhnliche Vorstellungen, dann gibt es keine Grundlage, Übertretungen der tantrischen Gelübde zu begehen.
Wir können das vierte Tor, Nichtgewissenhaftigkeit, schließen, indem wir wiederholt über die Nachteile, Übertretungen zu begehen, nachdenken, sowie über die Vorteile reiner moralischer Disziplin. Auf diese Weise werden wir gewissenhafter.
Kurz gesagt ist die Methode, unsere Gelübde vor dem Degenerieren zu bewahren, uns in Entsagung, Bodhichitta, richtiger Sicht der Leerheit, Erzeugungs- und Vollendungsstufe zu schulen. Dadurch überwinden wir unsere gewöhnlichen Einstellungen, beherrschen unseren Geist und beseitigen somit jede Grundlage für Übertretungen.
Vollständiger Unterwerfer mit der Essenz des Vajra
Blaufarbig, mit beiden Händen in meditativem Gleichgewicht einen Vajra haltend. Er verweilt in Essenz des Raumes oberhalb dieser Welt und reinigt alle in 10.000 Äonen angesammelten negativen Handlungen.
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