“Paps”, setzte Sophie an, “du musst jetzt sehr tapfer sein. Paps, Indiana Jones existiert nicht wirklich. Er ist eine Filmfigur. Und du siehst dem Darsteller, der ihn gespielt hat, wirklich zum Verwechseln ähnlich.”
Thomas sah seine Tochter an, als habe es gedonnert.
“Sag das nochmal!”, hauchte er entgeistert.
“Indiana Jones ist eine Filmfigur, und der Typ, der ihn gespielt hat, heißt Harrison Ford. Und dem siehst du wirklich zum Verwechseln ähnlich.”
“Das kann ich nicht glauben”, murmelte er fast tonlos.
“Du musst es auch nicht glauben, Schatz”, schaltete sich Martha nun wieder ein, “es ist eine Tatsache. Und reiß Sophie jetzt bitte nicht den Kopf dafür ab, dass sie dir das erklärt hat.”
“Äh, nein, schon gut”, stammelte Thomas fassungslos, um dann plötzlich aufzufahren, “und warum erfahre ich das erst jetzt? Ihr habt das mit diesem... wie hieß der noch?”
“Harrison Ford”, meinte Sophie.
“Ja genau, den Namen hab ich da auch gehört von den Männern auf dem Empfang, also, ihr habt das mit diesem Harrison Ford und mir doch bestimmt schon länger gewusst. Warum habt ihr es mir dann verheimlicht?!”
“Es hätte dich doch bloß verärgert”, fand Martha, “und ist das so wichtig? Das gibt es öfter, dass man einen Doppelgänger hat.”
“Dieser Kerl ist ein Schauspieler!”, fuhr Thomas hoch.
“Ja, allerdings”, konnte sich Sophie den Kommentar jetzt nicht verkneifen, “nur dass er ein sehr berühmter, gut aussehender, beliebter und deshalb auch sehr erfolgreicher Schauspieler ist. Von daher kannst du froh sein, dass der nicht so unfähig ist, dass er mehr im Schnellrestaurant an der Fritteuse als vor der Kamera steht.”
“Du halt dich da raus!”, wies der Vater sie zurecht, “hat dieser Harrison Ford auch einen Vornamen?”
“Wieso?”, fragte Sophie irritiert zurück.
“Wieso, wieso”, zeterte Thomas, “jeder Mensch hat einen Vor- und einen Nachnamen. Davor kann sich noch nicht mal ein Schauspieler drücken. Also, wie heißt dieser Harrison Ford mit Vornamen?”
Sophie musste sich schwer zusammennehmen, um nicht schon wieder loszulachen.
“Sein Vorname ist Harrison ”, meinte sie milde.
“Red kein dummes Zeug, kein Mensch heißt Harrison mit Vornamen.”
“Anscheinend doch!”
“Dann ist es bestimmt ein Künstlername, sowas kann sich auch nur ein Schauspieler ausdenken, typisch!”
“Ich glaube, dass das sein bürgerlicher Name ist und dass sich seine Eltern das ausgedacht haben.”
“Oh Mann, sowas kann es auch nur beim Film geben”, Thomas konnte sich gar nicht beruhigen, “ein Kerl, der noch nicht einmal einen vernünftigen Vornamen hat, spielt einen Typen, der mit Vornamen wie ein Bundesstaat der USA heißt. Ebenso gut hätte ich dich Connecticut nennen können.”
“Da hab ich aber nochmal Glück gehabt”, meinte Sophie mit stoischer Ruhe.
Thomas wollte seine Tochter gerade am liebsten für diesen frechen Ausspruch maßregeln, als Martha ihm zuvorkam.
“Na gut, dann hätten wir das jetzt wohl geklärt”, fand sie, “und tu mir bitte einen Gefallen, Thomas, und reg dich wieder ab. Es mag sein, dass du für die Berufsgruppe der Schauspieler nicht viel übrig hast, aber diese Leute haben auch einen Lebensberechtigungsschein. Und wie Sophie schon sagte, ist Harrison Ford nicht erst seit gestern im Geschäft. Und er ist gut im Geschäft. Und er hatte meines Wissens keine Affären und keine Skandale. Allgemein bekannt ist aber, dass er als sehr bescheiden gilt und man tendenziell nur von ihm hört, wenn er gerade wieder einen neuen Film herausgebracht hat. Das dürfte dann auch erklären, warum du gar nichts von ihm wusstest. Von daher kannst du noch nicht einmal sagen, dass die Männer auf dem Empfang dich verhöhnt hätten. Sie haben dir wohl eher ein Kompliment gemacht, wobei es noch nicht mal ein Kompliment ist, denn sie haben lediglich eine Tatsache festgestellt.”
“Ja, aber es kam so plötzlich”, nahm sich Thomas etwas zurück, “na ja, und ich habe da halt was missverstanden...”
“Du scheinst öfter was misszuverstehen, Paps”, seufzte Sophie, “ich kann nur hoffen, dass sich dieses Missverständnis zwischen Onkel Jerry und dir in Wohlgefallen auflösen wird. Allerdings solltest du nicht ganz so schlecht gelaunt sein wie heute, wenn du mit ihm sprichst. Dann klappt das mit der Versöhnung garantiert nicht.”
“Jetzt reicht’s!”, fuhr Thomas seine Tochter an, “du gehst sofort auf dein Zimmer und bleibst dort. Eine Woche Stubenarrest. Alles klar?!”
“Ich bin siebzehn, Paps!”, protestierte Sophie, “aber ich wäre auch freiwillig gegangen. Die Luft ist mir zu dick hier.”
Und damit erhob sich Sophie, um mit demonstrativer Lässigkeit die Küche zu verlassen.
“Raus!”, brüllte Thomas hinter ihr her.
Als Sophie die Küche verlassen hatte, sah Martha Thomas genervt an.
“Das musste doch jetzt nicht sein”, murrte sie, “wo sie Recht hat, hat sie Recht. Wenn du mit solch einer Laune mit Jeremiah sprichst, dann schlagt ihr euch eher gegenseitig den Schädel ein. Das wird Peter nun absolut nicht beeindrucken.”
“Ja, entschuldige, ich bin heute wirklich nicht gut drauf”, lenkte Thomas ein, “ich hatte einen anstrengenden Tag. Und dann diese Belehrungen von Sophie. Die kennt sich im Showbusiness besser aus als in der Bibel. Das macht mir Sorgen.”
“Das würde ich nicht sagen, Thomas. Sophie ist Sonntagschulmitarbeiterin, hast du das vergessen? Die anderen Mitarbeiter sprechen in den höchsten Tönen von ihr, und die Kinder sind einfach hingerissen.”
“Und wieso kennt sie dann diese ganzen Schauspieler und Filme?”, grollte Thomas.
“Kam letztens im Fernsehen”, erwiderte Martha trocken, “und jetzt hör endlich auf zu schmollen. Lass uns ‘nen schönen Abend machen, wenn ich dich schon die restliche Woche entbehren muss!”
Martha hatte sich hinter ihn gestellt und kitzelte das kleine bisschen Bauchspeck, den er hatte. Thomas quiekte und musste lachen.
“Okay, du hast gewonnen. Ich ergebe mich. Gnade!”
Sophie hatte sich inzwischen auf ihr Zimmer verzogen. Sie war immer noch wütend auf ihren Vater, und deshalb rief sie jetzt ihre Großtante Laetitia an, um ihr brühwarm von der ganzen Auseinandersetzung zu erzählen. Laetitia amüsierte sich köstlich ob Sophies Ausführungen, gleichzeitig tat ihr das Mädchen aber auch leid.
“Oh Tante Laetitia”, seufzte Sophie, “du bist echt der einzige Lichtblick in dieser Familie von Besserwissern.”
“Na, deine Mutter ist aber doch ganz okay, oder?!”, befand Laetitia.
“Ja, stimmt”, bestätigte Sophie, “aber eins sage ich dir, wenn ich im Herbst volljährig werde, ziehe ich hier aus. Ich hab keinen Bock mehr auf Papa Nervensäge. Dieses ewige Genörgel. Das Leben ist staubtrocken und anstrengend. Lachen verboten. Das geht mir voll auf den Keks!”
“Na ja, vielleicht besteht noch Hoffnung”, versuchte die Tante ihre Großnichte aufzumuntern, “immerhin will er sich mit Jeremiah versöhnen. Und er hat dafür sogar die Einladung auf die Segelyacht des Präsidentenberaters ausgeschlagen.”
“Das funktioniert sowieso nicht, so wie der drauf ist”, seufzte Sophie, “pass auf, nachher kommt er noch auf die Idee, Onkel Jerry wegen irgendeiner Belanglosigkeit verhaften zu lassen, zum Beispiel mit der Begründung, dass Jeremiah in der Nase gepopelt hat, und das sah danach aus, als würde er Kokain schnupfen. Nun suchen wir ihn per Interpol, weil er ein Drogendealer ist.”
Laetitia musste losprusten, als Sophie das sagte.
“Wo nimmst du nur diese witzigen Ideen her?!”, wunderte sie sich vergnügt.
“Galgenhumor”, entgegnete Sophie, aber grinsen musste sie doch, “allerdings kann ich nur hoffen, dass sich Onkel Jerry schnell genug aus dem Staub machen kann, falls Paps zum großen Halali auf ihn bläst.”
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