Günter Holschbach
Phillu
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Anhang
Impressum neobooks
Phillu
Roman
Autor: Günter Holschbach
Lyndon B. Johnson Space Center Houston, Texas
Mittwoch, 31. August 2039, 8:00 p.m.
Die Druckwelle einer gewaltigen Explosion schleuderte George Goldman gegen einen Gebäudepfeiler und löschte sein Leben aus.
Weitere ohrenbetäubende Explosionen folgten unmittelbar. Eine glühend heiße Feuersbrunst raste zwischen den Gebäudeteilen dahin. Dutzende von Fensterscheiben zerbarsten. Schrilles Dröhnen, Lärmen und Krachen, ein schauerliches Heulen und Fauchen erfüllte die Luft. In wenigen Augenblicken standen Gebäudeteile und kurz danach weitläufige Gebäude in lodernden Flammen. Die allmählich eintretende Dunkelheit erzeugte ein gespenstisches Bild. Die auf- und abschwellenden, langgezogenen Töne der automatisch aktivierten Alarmsirenen mischten sich in das laute Getöse der entzündeten Naturmächte.
Die wenigen Angestellten, die sich zu diesen Abendstunden im Gelände aufhielten, versuchten verzweifelt, der Hölle zu entkommen. Durch die umherwirbelnden Glassplitter zerplatzender Fensterscheiben trugen einige schwere Verletzungen davon. Die dahinrasende Feuerwalze saugte ihnen den Sauerstoff aus der Lunge und sorgte für einen jammervollen Tod. Andere schleuderte die Druckwelle mit kolossaler Wucht gegen Gebäudeteile. Ihre Körper verbrannten in der nachfolgenden Gluthitze unmittelbar zu Asche. Menschen liefen wie lebende Fackeln vor Schmerzen laut schreiend davon, warfen sich auf den Betonboden und versuchten, ihre lodernde Kleidung zu löschen. Verkohlte Hautfetzen vermischten sich mit verbrannten Kleidungsstücken. Die Schmerzen der brennenden Menschen steigerten sich ins Unerträgliche. Viele kollabierten auf den Straßen und Wegen. Nur wenige entkamen unbeschadet dem katastrophalen Szenario, das sich rasend schnell ausbreitete. Der üble Geruch von versenkten Körperteilen, brennendem Treibstoff, verbranntem Gummi und anderen Substanzen vermischten sich miteinander und trieben hinaus über das gesamte Gelände.
Feuerwehren, Polizei und Rettungsdienste hatten inzwischen Großalarm ausgelöst und beorderten ihre Mannschaften aus dem gesamten Distrikt zum Katastrophenort. Die hereinbrechende Dunkelheit tauchte die Szenerie aus sprühend aufsteigenden millionenfachen Funken, dichtem, schwarzen Qualm, hell loderndem Feuer und den zunehmend aufflammenden Scheinwerferstrahlen der Feuerwehren in eine gespenstische Szenerie.
Hunderte von Feuerwehrleuten kämpften bis weit in den nächsten Tag mit den Flammen und brachten erst dann das Feuer unter Kontrolle. Schnellstens herbei beorderte Militäreinheiten hatten das gesamte Gelände des Space-Centers weiträumig abgeriegelt. Militärpolizisten sperrten die Zufahrt für jedes Auto. Nur nach bestätigter Anmeldung transportierte das Militär privilegierte Personen mit Militärautos in das Katastrophengebiet. Der Luftraum blieb weiträumig für die Zivilluftfahrt gesperrt. Militär-Jets patrouillierten pausenlos am Himmel.
„Was ist da los?“ fragte Howarth Green seine Frau, die offensichtlich ebenfalls wach in ihrem Bett lag. Gähnend schaute Howarth auf die Leuchtziffern der Digitaluhr. Sie zeigten 11:19 p.m. an.
„Da sind mindestens zehn Feuerwehrautos die Straße hinuntergefahren“, wisperte sie verschlafen und undeutlich in die Bettdecke.
„Jetzt höre ich schon das elfte und zwölfte Feuerwehrauto“, gähnte Howarth.
„Wo kommen die alle her?“
„Keine Ahnung. Schließ bitte das Fenster, sonst ist an Einschlafen nicht mehr zu denken.“ Lena drehte sich auf die andere Seite und zog die Bettdecke über die Ohren.
„Das offene Fenster bringt zumindest ein wenig natürliche Kühle. Ich werde dann bedauerlicherweise die automatische Kühlanlage wieder einstellen müssen“, murrte Howarth.
Lena streckte missmutig den Kopf aus der Bettdecke: „Wir könnten jetzt darüber diskutieren, ob wir lieber vor Wärme nicht einschlafen werden oder wegen dem ständigen Tatü-Tata.“ Sie sog die Luft tief durch die Nase ein, um ihrem Unmut Nachdruck zu verleihen. „Howarth, ich will jetzt nicht mitten in der Nacht über Tatü-Tata und Fenster auf oder zu diskutieren. Bitte schließ das Fenster. Das ist ja kaum noch auszuhalten.“ Mit beiden Händen zog sich Lena jetzt gähnend die Bettdecke über den Kopf.
Einen Moment noch blieb Howarth liegen und hörte bereits die nächsten Feuerwehrautos mit ihren markanten Signalhörnern näherkommen.
Etwa 150 Meter die Straße hinunter regelten Ampeln den Verkehrsfluss. Sie zeigten nachts solange rotes Licht, bis ein Auto sich ihnen näherte. Die Ampel reagierte verzögert, um die Autofahrer zum Abbremsen zu zwingen und schaltete erst dann auf Grün.
Schon oft hatte sich Howarth über diese Ampelschaltung geärgert und der Stadt die seiner Ansicht nach verschwenderische Investition vorgehalten. Immer wieder kam es meist tagsüber in der Höhe von Greens Haus zu starken Bremsmanövern der Autofahrer, wenn sie die Straße hinunterfuhren und die für gewöhnlich rot geschaltete Ampel erblickten.
Die mit zunehmender Beliebtheit auf den Straßen fahrenden computergesteuerten, autonomen Fahrzeuge bremsten rechtzeitig sanft ab. Sie empfingen weit im Voraus vor den Ampeln zusätzlich ausgesandte Signale. Die Steuerung des Bordcomputers konnte entscheiden, ob der Bremsvorgang eingesetzt werden musste oder ob das Auto die Ampel bei Grün erreichte.
Die sollen sich mal anstrengen und auch Einsatzfahrzeuge rechnergesteuert dem Straßenverkehr übergeben, dachte Howarth. Das wäre doch eine technische Herausforderung! Ja, diese Entwicklung konnte man sich bis Anfang der 20er Jahre dieses Jahrhunderts nur vage vorstellen. Jetzt, Mitte der 30er Jahre, fahren manuell gesteuerte Autos zunehmend seltener.
Im Grunde wurde die Straße vor dem Haus der Greens vorwiegend während der Rushhour als Schleichweg beansprucht. In der restlichen Zeit nutzten überwiegend Anlieger diese Straße. Die Feuerwehrautos leitete man wahrscheinlich gewollt auf diese Route, damit sie schneller vorankamen, überlegte Howarth. Die Fahrer sehen die rote Ampel und der Tatü-Tata-Zirkus beginnt in Höhe unseres Hauses.
Nun erschien es ihm doch sinnvoll, das Fenster zu schließen. Räuspernd stieg er aus dem Bett und trottete die wenigen Schritte zum Fensterflügel. Dort angekommen schaute er in das nächtliche Dunkel von Pasadena, um gegebenenfalls einen Brandherd auszumachen.
Die Häuser hier im Viertel standen angemessen weit auseinander. Die meisten der Einfamilienhäuser waren umgeben von üppigem Grün. Teilweise versperrten dichtes Strauchwerk und hohe Hecken die Aussicht von der Straße zu den Häusern. Manche Hausbesitzer hatten den Eingangsbereich zu ihren Heimen mit hellen Spots angestrahlt. Das Häuserviertel der hier recht gut betuchten Hauseigentümer lag auf einem leicht ansteigenden Hügel am nördlichen Rande von Pasadena.
Die Greens ließen ihr Haus vor fast sieben Jahren auf dem höchsten Punkt des Hügels erbauen. Es war kurz nach der Zeit als Howarth im riesigen Areal des Johnson-Spacecraft-Centers im Süden von Houston einen der Verantwortungsbereiche für die wieder entstandene Mondfahrt übertragen bekam. Sein ehemaliger Chef Frank Random setzte sich für ihn ein und sicherte Howarth die Position. Ein üppiges Gehalt hatte man ihm beschert.
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