Dean erkannte auf der Darstellung des Raster-Scan-Scops, wie gleich vier Springer die Turboprop verließen und sich direkt in die Sperrzone gleiten ließen. Bereits in 3.500 Metern Höhe öffneten alle vier Springer die Gleitschirme.
„Hallo Leute, habt ihr euch verirrt? Habt ihr eure Traumthermik zu tief eingeatmet?“, murmelte Dean.
„Mit wem sprichst du?“, fragte Robert etwas gelangweilt.
„Unsere Traumspringer haben offensichtlich die Orientierung verloren. Alle vier Springer gleiten tief in das Sperrgebiet“, berichtete Dean.
„Vier Springer?“, fragte Robert erstaunt zurück. „So viele waren das noch nie!“
„Ich rufe jetzt mal die Turboprop an.“
Dean schaltete das Kommunikationssystem ein und setzte sich das Headset auf.
„Tango-Delta-479 bitte melden!“
„Hier Tango-Delta-479.“
„Erbitte sofortige Info, warum Ihre Fallschirmspringer sich im gesperrten Luftbereich bewegen!“
„Sie hatten mir die Freigabe für 4.000 Meter gegeben. Die Gruppe habe ich bei 4.000 rausgeworfen. Alle Vorschriften wurden von mir beachtet. Mehr weiß ich nicht“, kam die Antwort.
„Danke. Ende.“
Dean sprang aus seinem Sessel auf. In dem für Robert zuständigen Luftraum bewegten sich in diesem Moment zwei Flieger, die gelotst werden mussten. Aus den Augenwinkeln erkannte Robert eine wachsende Nervosität in Dean aufsteigen.
„Hey, Dean, was ist los?“, rief Robert, während er sein Headset absetzte.
„Da ist etwas faul! Da stimmt was nicht! Der Pilot der Turboprop hatte angeblich nur den Auftrag, die vier Leute auf 4.000 zu schrauben und abzusetzen. Er hätte sich an alle Bestimmungen gehalten und mehr wäre ihm nicht bekannt.“ Dean rief nochmals den Piloten der Turboprop an und fragte nervös nach weiteren Infos.
Zwei der vier seien vom Aussehen und vom Namen her osteuropäische oder orientalische Typen. Die beiden anderen Springer seien Amerikaner. Nur mit ihnen hätte sich der Pilot unterhalten. Einer der beiden ließ sich mit Allan ansprechen und hätte einen Nordstaaten-Slang. Auffällig wäre, dass alle vier mit schweren Rucksäcken und Tandemausrüstung ausgestiegen seien.
Während Robert sprach, schauten beide gleichzeitig gebannt auf seinen Bildschirm.
„Wie hoch sind die jetzt?“
„Etwa 2.500 und alle steuern genau auf das Space-Center zu.“
„Das hört sich alles nicht gut an. Ruf sofort den Sicherheitsdienst im Space-Center an!“
Dean hatte bereits den Telefonhörer in der Hand und schaute gleichzeitig im bereitliegenden Verzeichnis der Kurzwahlnummern nach. Er drückte die Kurzwahltaste für die Verbindung zum Sicherheitsdienst im Space-Center. Robert sprang augenblicklich von seinem Arbeitsplatz auf und eilte die wenigen Schritte zu Deans Raster-Scan-Scope, um sich die Szene anzuschauen.
Zweimal, dreimal ging der Ruf durch.
„Verdammt, nimm endlich ab!“, rief Dean.
„Unter 1.800. Schau dir das an! Die Springer teilen sich jetzt.“ Robert zeigte aufgeregt mit Mittel- und Zeigefinger auf den Bildschirm. „Drei von ihnen ändern die Richtung.“
„Warum gehen die Idioten nicht ans Telefon!“, schrie Dean in den Telefonhörer. Endlich wurde abgenommen.
„Jetzt hören Sie genau zu!“, rief Dean in den Telefonhörer. „Geben Sie sofort Alarmstufe Rot. Hier ist die Flugsicherung Houston. Vier Gleitschirmspringer sind mit schwer beladenen Rucksäcken unterwegs zum Space-Center. Sie befinden sich jetzt in ca. 1.500 Meter Höhe und werden in wenigen Minuten landen oder irgendwo einschlagen. Wenn die Rucksäcke mit Sprengstoff beladen sind, dann helfe euch Gott. Tun Sie was!“
George Goldman vom Sicherheitsdienst hatte den Anruf angenommen. Er starrte auf das Telefon. Was war das? Was hatte der gesagt? Gleitschirmspringer? 1.500 Meter? Rucksäcke mit Sprengstoff? Aber hier ist doch alles in Ordnung. Goldman schaute nach oben und konnte nichts Außergewöhnliches wahrnehmen. Alarm auslösen, so ein Quatsch! Wissen die von der Flugsicherung überhaupt, was das bedeutet? Alarm auslösen ... dann wäre hier die Hölle los. Und ich soll das verantworten, wegen ein paar Gleitschirmspringern? Auslachen würde man ihn! Die Kollegen lachen schon genug über mich.
Er schüttelte leicht den Kopf und trottete in die Gemeinschaftsküche. Dort angekommen holte er aus dem dritten Schrank hinter den Cornflakes-Schachteln die Flasche Rum hervor, goss sich einen kräftigen Schluck in seine bereits halb mit Kaffee gefüllte Tasse, stellte die Flasche in ihr geheimes Versteck zurück und begab sich mit seinem angereicherten Kaffee wieder nach draußen.
Letztendlich kam ihm der Anruf der Flugsicherung dann aber doch etwas merkwürdig vor. Goldman beschloss, seinen Chef zu informieren. Damit hatte er seine Pflicht erfüllt. Er nahm das Smartphone aus der Smartphonetasche seiner Uniform und betätigte die Kurzwahltaste für die Verbindung zu seinem Chef, Mr Roth. Sein Chef meldete sich sofort.
„Hier ist Georg Goldman. Gerade hat die Flugsicherung angerufen. Es wären vier Gleitschirmspringer in 1.500 Meter Höhe, die sich auf das Space-Center zubewegen würden. Es soll ...“
Weiter kam er nicht mehr.
Später - bei der Rekonstruktion der Katastrophe - stellten Brandexperten der Feuerwehr fest, dass sich drei der abgesprungenen Paragleiter mit einer beachtlichen Sprengstoffmenge als lebende Bomben auf die drei in weiteren Abständen stehenden Raumschiffe stürzten. Der vierte Attentäter mit seiner mächtigen Sprengstoffmenge sprengte bei seinem Aufprall ein mit Raketentreibstoff gefülltes Zuleitungsrohr.
Der hochexplosive Treibstoff entzündete sich augenblicklich und die Feuerzündung raste durch das Rohr in den nahegelegenen, scheinbar sicheren Zwischentank mit Raketentreibstoff. Eine gewaltige Explosion riss den Tank aus der Verankerung und ließ die Tankdecke zerbersten. Die entstehende Feuerwalze vollendete das Werk der drei ersten Attentäter.
Ein ansteigend, auf- und abschwellender Summton weckte den Kommandanten der Mondbasis Ron Parker aus seinem Schlaf. Gähnend nahm er an diesem frühen Mondmorgen das Smartphone aus der Halterung.
„Ron hier“, meldete er sich knapp.
„Hallo Ron, hier ist Roman.“
„Oh, mein Chef höchstpersönlich. Das lässt nichts Gutes erahnen. Zumal Sie mich in meinem verdienten Schlaf stören“, grummelte Ron verschlafen.
„In der Tat muss ich Ihre Vermutung bestätigen“, kam die prompte Antwort Romans.
„Was kann ich für Sie tun oder erhalte ich jetzt von Ihnen eine wenig aufbauende Morgennachricht?“
„Ron, das Letztgenannte trifft zu.“
„Hört sich nicht gut an. Legen Sie los!“
Roman schwieg für einen Moment.
„Hier hat sich etwas ereignet, das können Sie sich nicht vorstellen. Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen vermitteln soll. Es ist etwas Unfassbares geschehen.“
„Ist etwas mit unseren Familien?“, fragte Ron besorgt.
„Nein, ich will nicht länger um den heißen Brei herumreden. Sie müssen sich mit einer Tatsache abfinden, die sowohl für Sie als auch für Ihre drei Kollegen schockierend ist.“
Ron hatte sich mittlerweile auf die Bettkante gesetzt. Da schwang ein Zittern in Romans Stimme, das er bei ihm nicht kannte und bisher noch nie gehört hatte. Also stand etwas Ungewöhnliches bevor.
„Roman, raus damit. Ich bin hart im Nehmen. Das wissen Sie“, äußerte Ron leicht verärgert, weil er die aufgebaute Spannung kaum aushalten konnte.
„Ron, ihr müsst länger auf der Basis bleiben, als euch sehr wahrscheinlich lieb ist.“
„Mit anderen Worten: Lunar 3 ist nicht startklar und der Start verzögert sich.“
„Ja.“
„Gut. Das ist ja wohl nichts Außergewöhnliches. Sind wieder Wirbelstürme unterwegs? Dann bleiben wir ein paar Tage oder von mir aus auch eine Woche länger. Das halten wir durch. Zu tun hätten wir noch genug. Machen Sie sich deswegen keine großen Gedanken.“
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