Etwas ungläubig sah Logan seinen Chef an. „David, es ist Freitagabend, gleich acht Uhr.“
„Das interessiert mich nicht, Logan! Wissen Sie, was die Hintermänner der Attentäter noch alles vorhaben?“ Davids Stimme schwoll an. „Vielleicht kreist eine weitere Gruppe gerade in einem gekidnappten Flieger über Washington, will sich mit Sprengstoff beladen und auf das Weiße Haus stürzen, ähnlich wie vor vierzig Jahren das Attentat auf das damalige World-Trade-Center!“ Davids Gesicht errötete wutentbrannt: „Ich erwarte von jedem meiner Mitarbeiter, dass er in dieser außergewöhnlichen Situation sein Äußerstes gibt. Es steht zu viel auf dem Spiel. Und wenn jemand der Ansicht ist, er wäre der Situation nicht gewachsen, dann muss derjenige ausgetauscht werden. Diese Aktion hat höchste Priorität!“
„Okay, Chef, wir legen sofort los.“
Etwas irritiert verließ Logan den Raum. Der japanische Attentäter ging David nicht aus dem Kopf. Wieso ein Japaner? Reine Intuition trieb ihn an, hier einen Schwerpunkt zu setzen.
In den frühen Morgenstunden des nachfolgenden Tages stand Logan mit rot unterlaufenen und müden Augen in Davids Büro. Acht Leute hatten die gesamte Nacht durchgearbeitet, Telefonate geführt ins In- und Ausland. Sie warfen die Gouverneure aus ihren Betten, um telefonische Auskünfte von ihnen zu erhalten. Und wenn diese nicht weiter wussten, verlangten sie, dass er seine Mitarbeiter aus dem Schlaf klingelte, um an Informationen zu kommen.
In zwei Fällen rasten Polizeiautos zu Verwaltungsmitarbeitern, um sie anschließend mit Martinshorn und Blaulicht zu ihren Arbeitsplätzen zu bringen. Sie entnahmen ihren PCs die angeforderten Informationen, gaben sie telefonisch an die FBI-Gruppe weiter und konnten wieder nach Hause gebracht werden. Mit der amerikanischen Botschaft in Tokio fand ein reger Informationsaustausch statt. Ein erster Erfolg stellte sich gegen neun Uhr morgens ein.
„Sein Name ist Osuma Yamata, wohnhaft in Sapporo“, begann Logan ohne Umschweife. „Er lenkte seinen Fallschirm, die Sprengladung und sich selbst in die zum Start bereitstehende Lunar-Rakete.“
„Unser Verbindungsmann in Tokio wurde bereits informiert, davon gehe ich aus“, erwartungsvoll schaute David seinen Mitarbeiter Logan an.
„Aber selbstverständlich, Chef. Sie wird morgen Vormittag von Tokio nach Sapporo reisen, um Details über Yamata zu erkunden.“
„Sie?“ David schaute Logan überraschend und verständnislos an.
„Ja, Sie haben richtig gehört. Unser Verbindungsmann in Tokio ist eine Frau. Ihr Name: Sakushi Yoshio.“
„Auch das noch“, seufzte David.
„Chef, unterschätzen sie Sakushi nicht! Sie leistete in der Vergangenheit außergewöhnlich gute Arbeit und dass sie bestens ausgebildet ist, brauche ich nicht zu erwähnen.“
„Gut. Ich hoffe, dass wir innerhalb der nächsten Tage ihren Bericht haben. Gibt es Neuigkeiten zu den restlichen Attentätern?“
„Leider noch nicht. Unsere Ermittlungen werden erschwert durch die sture Haltung der NASA. Sie gibt bereitwillig alle verfügbaren Infos weiter an die State Police und lässt uns schmoren.“
„Ja, ja, ich weiß.“ Davids Augen funkelten wütend. „Die belächeln unsere Hypothese. Ich werde denen verteufelt noch mal beweisen, dass ich richtig liege. Alles spricht dafür und ich bin sicher, meine Überlegungen gehen in die richtige Richtung.“
David ließ das übernächtigte Mitarbeiterteam ablösen. Im fliegenden Wechsel übernahm die nächste Gruppe die anstehenden Aufgaben. David selbst versuchte, auf einer bereitstehenden Liege im Nebenraum ein paar Stunden Schlaf zu finden. Er gab die Anweisung, ihn sofort zu wecken, sobald sich Sakushi aus Sapporo melde.
Die vier Mondbewohner hatten sich in der runden Kommunikationseinheit versammelt. Sie saßen gemeinsam um einen rechteckigen Leichtmetalltisch herum. Ein fußballgroßer Mondstein zierte die Mitte des Tischs und verlieh ihm so mehr Standfestigkeit. Die getroffene Maßnahme war insbesondere für Luke enorm wichtig. Bereits vorher stieß er in seiner leicht hektischen Art unbeabsichtigt, aber ziemlich kräftig mit dem Knie gegen die Unterseite der Tischplatte. Wegen der geringen Mondanziehung bekam dieser soviel Aufschwung, dass er sich an Lukes Seite um etwa einen Meter anhob, um dann nach hinten zu kippen. Lästernde Worte von Gloria und Phillip - die stetigen Zeugen von Lukes Ungeschicklichkeiten - erreichten ihn umgehend. Auch wenn sich Luke noch so sehr bemühte, gestaltete es sich für ihn immer wieder als beschwerlich, sein Verhalten den Schwerkraftgesetzen des Mondes anzupassen.
Jeder der Mondastronauten hatte sich mit den gravierend veränderten Umständen mehr oder weniger abgefunden. Keiner von ihnen konnte absehen, wie sich die psychische Belastung auf Dauer auswirkte. Der immer wiederkehrende umständliche Ablauf, bei jedem Verlassen der Container in die Raumanzüge zu steigen, konnte auf Dauer zur Nervenprobe werden. Die Augen erblickten immer wieder das gleiche monotone Bild: Mondstaub, Steine und Felsen. Sich mit dem Mondzyklus vertraut zu machen, hatte allen Vieren in unterschiedlichem Maße Schwierigkeiten bereitet.
Zwei Erdenwochen lang musste ihr Körper die Helligkeit im Mondrhythmus verkraften, und die folgenden zwei Wochen verbrachten sie in der Mondnacht. Zwar speisten die Solarzellen während den heißen Mondtagen die neu entwickelten Hochleistungsbatterien, um in den Mondnächten Strom abzugeben, dennoch ergänzten angeschlossene, nuklearbetriebene Stromaggregate zusätzlich die vollständige Stromproduktion.
Zwei Wochen Tag - zwei Wochen Nacht. Der seit vielen Jahrtausenden angeborene Biorhythmus des Menschen musste mit dieser extremen Zeitveränderung fertig werden. Mondbewohner vorausgegangener Mondexpeditionen kämpften teilweise stark mit diesen Umständen.
Eine Einnahme von Pharmaka blieb daher unvermeidlich. Das ständig bereitstehende Ärzteteam in Houston hielt die Mondbewohner dazu an, möglichst schnell schrittweise die verordneten Medikamente abzusetzen. Die Erfolge fielen - erwartungsgemäß - unterschiedlich aus.
Man legte ein kleines, grünes Paradies auf dem Mond an. Die vorletzte Mondmannschaft hatte die Voraussetzungen dazu geschaffen. Etwa 15 Meter hinter den Wohneinheiten wurde ein Containerbau mit einer flachen Plexiglaskuppel errichtet. Luke säte Rüben, Basilikum, Kresse und setzte kleinwüchsige Baumpflanzen in die mitgebrachte Muttererde vom Planeten Erde. Die frisch geernteten Kräuter verfeinerten die Speisen und schmeckten wohltuend als natürliche Zugaben zu den Dosengerichten. Die kleine Pflanzenwelt entwickelte sich vielversprechend. Luke entnahm sorgfältig Pflanzenableger und züchtete damit neue Pflanzen.
Biologen-Teams auf der Erde träumten bereits von Wäldern, die auf dem Mond angelegt werden könnten. Ziel sollte die Produktion von Sauerstoff sein. Ob das gelang, stand noch in den Sternen.
Diese kleine grüne Welt fiel in Lukes Verantwortungsbereich. Einmal verzweifelte er beinahe, als die Wärmezufuhr während einer kalten Mondnachtphase ausfiel. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Pflanzen zu retten.
„Wie sollen wir uns in der geänderten und prekären Lage für die nächste Zeit verhalten?“ Ron hatte das Wort ergriffen und schaute seine Mannschaft auffordernd an.
„Ich denke, wir führen unsere restlichen Forschungsaufgaben sorgfältig und ohne Zeitdruck zu Ende. Es ist davon auszugehen, dass wir weitere Forschungsaufträge von drüben“, damit meinte er die Erde, „bekommen werden.“
„Die da drüben wollen uns eine Sojus-Rakete schicken, vollgepackt mit Materialien. Was meinen die mit den sogenannten Materialien?“, fragte Luke.
„Prima, dass du dieses Thema erwähnst“, bemerkte Ron, „genau das wollte ich noch mit euch besprechen. Fertigt bitte eine Liste mit euren Wünschen an. Soweit es technisch möglich ist, werden diese Wünsche berücksichtigt. Zusätzlich erhalten wir Nahrungsmittel, technische Gegenstände und alles was denen einfällt, uns das Leben ein wenig leichter zu gestalten.“
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