Die meisten Menschen sind froh gestimmt, wenn sie mit Sonnenstrahlen aufstehen. Sie fühlen sich erleich-tert, haben ein fröhliches Gemüt und wünschen sich, auf dem Balkon, im Garten oder in einem Straßen-café zu sitzen und ihren Kaffee zufrieden zu schlürfen, oder einfach in der Natur spazieren zu gehen oder das zu machen, wonach sie sich sehnen, was ihnen Freude bereitet. Oder sie packen mit Freude die liegen gebliebene Arbeit an. Sie sprühen vor Energie und wollen jede Sekunde der Zeit ausnutzen. Bergstein ergeht es ähnlich. Auch er streckt sich, wenn die Sonne scheint, wie die anderen Menschen zufrieden aus. Wie die anderen Menschen wird er hierbei sagen, wie schön das Wetter sei. Seine weiteren Gedanken unterscheiden ihn jedoch von denen anderer Men-schen. Wie ein Denkmal mit ausgestreckten Händen und offenem Mund und kleinen Augen, jedoch fixierten Blicks, wird er überlegen, wem er heute kündigen, wem er eine Abmahnung erteilen, wessen Bitte er ablehnen könnte. Bei schönem Wetter sind die Menschen optimistischer, können mehr ertragen, bei schlechtem Wetter sind sie betrübt. Eine schlechte Nachricht mehr oder weniger spielt keine Rolle mehr, denkt er. Oder er überlegt, mit welchem Verhalten, mit welchem Witz, mit welcher Machtdemonstration er wel-chem Mann oder ganz besonders welcher Frau er heute imponieren will. Er denkt zum Beispiel ernsthaft darüber nach, welche Kleidung die Vertriebsassistentin heute trägt, wie kurz ihr Minirock wohl sein würde, und mit welchem Vorwand er in ihre Nähe kommen kann. Er findet es unerträglich, wenn andere Menschen glücklicher, zufriedener oder besser gestellt sind als er. Wenn Mitarbeiter freudestrahlend von ihren -schönen Erlebnissen mit ihren Kindern, Freunden und Verwandten oder von irgendwelchen Feiern, von ihrem Urlaub erzählen, bekommt er rote Backen, wird nervös, schlägt mit den Fingern un-kontrolliert auf den Tisch oder Stuhl oder auf seinen Bauch oder seine Beine, macht eine unpassende Bemerkung oder schaut demonstrativ auf seine Uhr und steht unter dem Vorwand eines Termins auf, den er gleich wahrnehmen müsse. Jedes Gespräch, jede Unterhaltung ist für ihn todlangweilig, wenn er nicht der Mittelpunkt ist. Er erzählt immer von der Arbeit oder er reißt Witze, die bei Anwesenden aufgrund ihres Inhaltes oft ein tiefes peinliches Schweigen oder betroffene Blicke auslösen. Nur er lacht schallend darüber.
Weil Bergstein Gespräche bis zum Schluss dominieren und kontrollieren musste, verließ er den Betrieb oftmals als Letzter zu einer Pause. Oft kaufte er sich anschließend auf dem Rückweg ein Eis; wieder im Betrieb, vor der ganzen Mannschaft, aß er es dann wie ein reiches, verwöhntes und einsames Kind, das im Beisein von armen und mittellosen Kindern ganz be-sonders genussvoll an seiner Errungenschaft schleckt. Alle anderen Mitarbeiter gaben eine Runde Eis für alle aus. Auf Dienstreisen bestellte er nur für sich Bier, er hatte angeblich nie Bargeld, wenn andere Mitreisen-den gemeinsam etwas bestellten.
Jeder Mitarbeiter, der ihn einmal hörte oder im Umgang mit Mitarbeitern erlebte, war sicher, dass die Konzernleitung so ein Verhalten nicht lange dulden würde. Es würde die Mitarbeiter demotivieren und dem Ruf des Unternehmens schaden. Daher sei die Entlassung Bergsteins gewiss nur noch eine Frage der Zeit. Doch Bergstein stieg auf. Mit jedem Fall skrupellosen Verhaltens stieg er weiter nach oben.
Die Mitarbeiter spürten den ersten Knacks in ihrem positiven Denken über ihr Unternehmen. War das eine Demonstration von Macht? Oder meinte das Unterneh-men in Wirklichkeit das Gegenteil, wenn es immer wieder propagierte, seine Mitarbeiter seien das größte Kapital? Wo bleiben die Ethik-Richtlinien, die den Mitar-beitern jährlich eingetrichtert wurden?
Bergstein hatte seinen Dienstsitz in Fliedholz. Die Geschäftsführung hatte vor einem Jahr die Firmen-gebäude an der Bernhausener Landstraße verkauft und war ins Umland, eben nach Fliedholz gezogen. Nur die Produktion und die dazugehörigen Bereiche wie Fertigungsplanung, Logistik, Qualität und ein Teil der Personalabteilung waren in Villbeck geblieben.
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