In Aden habe ich einige Straußenfedern gekauft, jedoch konnte ich in der Eile nur verhältnismäßig kürzere Exemplare bekommen. Lange Federn muss man vorher bestellen, daher werde ich mir diesen Kauf für meine Rückreise aufsparen, vorausgesetzt, dass ich nicht über Nordamerika fahre.
Wir haben hier eine Lotterie gegründet, und zwar folgendermaßen: Es werden 40 Lose ausgegeben zu je einer Mark hierauf steht je eine Zahl, welche die am Tage vorher, d. h. von mittags 12 Uhr bis mittags 12 Uhr, zurückgelegte Strecke in Seemeilen bezeichnet. Drei Gewinne gibt es, hiervon hatte ich gestern den zweiten Gewinn in Höhe von 8 Mark. Heute habe ich zwei Lose, und werde Dir mitteilen, ob ich gewonnen habe, oder nicht. Der erste Gewinn beträgt 20 Mark, da es jetzt ½ 12 Uhr mittags ist, muss es sich bald entscheiden.
07.11.1906
…Nach einer ruhigen, aber heißen Nacht war ich froh, als mir der Badesteward meldete, dass mein Bad bereit wäre. Bei der großen Zahl von Passagieren hat jeder eine bestimmte Zeit zum Baden, ich z. B. morgens um 7 40 Minuten. Seit vier Tagen sahen wir heute Morgen wieder einmal einen Dampfer, sonst sind die einzigen Lebewesen, die außer uns noch das Meer beleben, fliegende Fische, Haifische und Delphine, sonst ist auf der unendlichen Wasserfläche nichts weiter zu sehen. Ich muss gestehen, dass mir die Dampferfahrt bald zu eintönig wird, weil ich keinen Dienst habe. Meine einzige Beschäftigung besteht im Briefeschreiben. Hin und wieder spiele ich Klavier im Salon. Dann bin ich natürlich von den Damen rings belagert. Am interessantesten sind die Abende. Da finden sich Gesinnungsfreunde im Rauchsalon um einen Tisch zusammen, unter der Leitung des Kapitäns wird dann ein Garn gesponnen, d. h. mancherlei Seemännisches erzählt, dann werden Erlebnisse ausgetauscht, bis es 12 Uhr ist, dann sende ich noch einen Blick in die Ferne zu Dir, winke Dir meinen Gute-Nacht-Gruß zu und gehe schlafen. Das ist tagein, tagaus immer dasselbe. Na in drei Wochen bin ich an meinem Bestimmungsort angelangt, dann fängt der Dienst für mich an, nach dem ich mich jetzt schon sehne. Heute Morgen bin ich von der verlobten Dame noch einmal im hellen Anzug photographiert worden, hoffentlich kann ich diesem Briefe einen Abzug beifügen?
Gestern habe ich leider nicht gewonnen, ich hatte 357 und es gewannen 358, 359, 360, ist das nicht Pech?
Nun habe ich Dir noch eine beruhigende Mitteilung zu machen: Zum Heiratskonsens selbst sind Papiere nicht nötig, meine vorgesetzte Militärbehörde erkundigt sich zwecks Erteilung des Konsenses in Liegnitz an maßgebender Stelle nach den persönlichen und bürgerlichen Verhältnissen Deines Vaters. Der Auszug aus dem Standesamtsregister und Taufschein werden nach Erteilung des Konsenses dem Standesamt Liegnitz und Wilhelmshaven zwecks Vorbereitung der gesetzlichen Schritte zum Eingang der Ehe zugestellt. Also, mein Mäuschen, Du kannst froh und glücklich in die Zukunft blicken.
08.11.1906
…Bei schönstem Ozeankonzert, veranstaltet von unsrer Bordkapelle, wie es täglich nachmittags von 4 bis 5 Uhr der Fall ist, will ich mein Briefchen an Dich fortsetzen. Heute Morgen erwachte ich mit wahnsinnigen Kopfschmerzen, die meine sonst so gute Laune verschlechterten. Infolgedessen habe ich mich um 11 Uhr wieder hingelegt und stand um ½ 5 Uhr gestärkt und ohne Kopfschmerzen wieder auf; gegessen habe ich heute noch gar nichts, jedoch werde ich mich beim Diner um 7 Uhr schadlos halten. Der Grund meiner Unpässlichkeit liegt in der schwülen Luft, die wir jetzt haben, es scheint die Ruhe vor einem Gewitter zu sein.
Gestern war wieder ein kleiner Bordball, nachdem das Promenadendeck hierzu gebührend ausgeschmückt worden war. Ich tanzte jedoch nicht, erstens weil es zu heiß war, zweitens aber, weil es mir doch kein Vergnügen macht, ohne Dich zu tanzen. Mein Interesse für derartige Bordbälle ist daher nur sehr minimal…
Übermorgen (10.11.) früh kommen wir in Colombo, auf der Insel Ceylon, an. Hast Du Dir einmal meine Reise auf dem Atlas angesehen? Nach Colombo muss ich schon Weihnachtsbriefe schreiben, damit sie pünktlich ankommen – fahrplanmäßig am 21. Dezember in Berlin... – Ich schreibe im Speisesalon wo ich mehr Ruhe habe, mit Dir zu plaudern; jetzt muss ich aber aufhören, da die Stewards zum Diner den Tisch decken wollen. Darum lebe wohl für heute, Du meine Beste, morgen mehr.
09.11.1906
…how are you? So ein bisschen Englisch liegt mir immer auf der Zunge und läuft dann ab und zu so mit unter. Ich habe trotz der großen Hitze gut geschlafen – immerhin ist eine Temperatur von 28° der Durchschnitt in der Nacht – aber elektrisch betriebene Kammerfächer sorgen für Zirkulation der Luft. Die See ist nach wie vor fast spiegelglatt. Gestern Nacht sahen wir seit fünf Tagen den ersten größeren Dampfer an uns vorbeifahren, hell erleuchtet, vermutlich auch ein Passagierdampfer. Es ist dies ein Zeichen, dass wir uns wieder einem größeren Hafen nähern. Denkst Du daran, gestern waren wir fünf Wochen verlobt, wie doch die Zeit vergeht, und mir ist es so, als wäre es eben erst gewesen…
Heute schreibe ich zur Abwechselung mal wieder im Rauchsalon, am selben Tisch schreiben ebenfalls die beiden Oberzahlmeister an ihre Frauen, der eine nach Wilhelmshaven, der andere nach Kiel. Es schreibt sich insofern in dieser Gesellschaft netter, als wir drei dienstlich dieselben Interessen haben und später auch gesellschaftlich zusammenkommen, wenn Du erst mein liebes Frauchen bist. Jeder gibt mir gute Ratschläge für die Ehe, und ich bin ihnen sehr dankbar; denn so mancherlei ist mir doch fremd. – Wenn ich erst mein Kommando angetreten habe, muss ich so langsam anfangen, mich mit Dir, mein Herzelchen, bezüglich unsrer Wohnungseinrichtung ins Einvernehmen zu setzen. Denn ehe ich auf einen Brief Antwort von Dir habe, vergehen wieder vier Monate. Ebenso werde ich nach Verlauf einiger Monate den Consens beantragen; denn ehe ich diesen habe, vergehen ungefähr 6 – 7 Monate, und ich möchte, doch keinen Tag meines Urlaubs nach Rückkehr dazu benutzen um die Präliminarien zur Hochzeit zu erfüllen. Darum muss alles geregelt sein, wenn ich zurückkomme, damit wir die Zeit meines Urlaubs sorglos für uns beide verwenden können... Ich bin jetzt im Lande der Seide. Welche Sitte herrscht dort in Liegnitz bezüglich des Brautkleides? Ich möchte so gern den Stoff hier in China kaufen (in Canton). Ist es dort Sitte, dass der Bräutigam den Stoff kauft und der Braut schenkt? Wenn nicht, so müsste ich eine Ausnahme machen und die Berliner Sitte anwenden, wonach der Bräutigam das Kleid schenkt. Wenn es auch noch etwas früh erscheint, dieser Frage näher zu treten, so möchte ich dennoch möglichst früh darüber Bescheid wissen, weil ich nicht weiß, wann ich nach Canton komme...
Briefnummer 10
Penang – Singapore 14. November 1906
… Mit gleicher Post will ich auch noch von Singapore in treuer Liebe Dein gedenken! – Es geht mit demselben Dampfer von Penang ein Brief an Deine lieben Eltern ab. Da wir morgen schon in Singapore eintreffen, kann ich mich in diesem Briefe nur verhältnismäßig kurz fassen. Zunächst anschließend an meinem 9. Brief (Colombo – Penang) eine kurze Reisebeschreibung. Der Schluss unsrer Fahrt Colombo – Penang verging ohne jede Störung bei schönstem Wetter, und heute Morgen 9 Uhr kamen wir in Penang an. Die Stadt selbst gehört den Engländern, ist schön angelegt, breite Straßen natürlich rein tropischen Charakters. Die Bewohner sind mit Ausnahme einiger europäischer Kaufleute zum größten Teil Chinesen und Inder. Unter den Chinesen sind einige sehr reiche Kaufleute, die großartige Paläste bewohnen. Das Straßenleben hat ein von Colombo im Grunde wenig verschiedenes Aussehen. Besonders bemerkenswert sind die wirklich vornehm aussehenden, leicht gebauten Carriages (unsern Droschken etwa) ferner habe ich bei Colombo, wie es hier in Penang auch der Fall ist, die Rickschahs zu erwähnen vergessen. Rickschah ist ein Wagen mit zwei Rädern, schön elegant gebaut, von einem Rickschah-Kuli gezogen, es sind diese Kulis in Colombo Inder, hier in Penang Chinesen, also Eingeborene. Diese Rikschas benutzt man zu Fahrten in der Stadt genau wie Droschken. Der Europäer läuft hier überhaupt niemals, sondern fährt stets. Zunächst berührt es den Fremden etwas eigentümlich, wenn er Menschen sieht, die zum Zugtier herabgewürdigt sind. Aber man gewöhnt sich schnell daran, auch kennen es diese Kerle ja gar nicht anders. Stundenlang laufen diese Kulis mit einem Europäer in ihrem Wagen, es kommt auch vor, dass ein halsstarriger und widerspenstiger Kuli erst nach Genuss des Spazierstockes oder eines Fußtrittes des Europäers wieder seinen Dienst weiter versieht. Doch gehört dieses Vorgehen eines Europäers immerhin zu den Seltenheiten bei der heutigen Aufgeklärtheit der Eingeborenen. Bekanntlich sind die Chinesen hinterlistig, und man kann diesen langgezopften, schlitzäugigen Vertretern der gelben Rasse eben so wenig Vertrauen schenken, wie den Japanern. Jedenfalls darf sich ein Europäer allein nie in das Chinesenviertel einer Stadt wagen, ohne zu riskieren, dass er spurlos verschwindet. Der Hass der gelben Rasse gegen die weiße ist groß.
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